Beiträge chronologisch

Zur Geschichte des Kindergartens in der SBZ und der DDR (1945 - 1990)

Inhaltsverzeichnis

  1. 2. Etappe der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung (1945-1949)
  2. 3. Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961)
  3. 4. Übergang zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1962-1972)
  4. 5. Gestaltung der Sozialistischen Gesellschaft (1972-1990)
  5. 6. Schlussbetrachtung
  6. Literatur

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6. Schlussbetrachtung


Der Kindergarten in der sowjetisch besetzten Zone und DDR war von Anfang an als Ganztagseinrichtung konzipiert, "zunächst, um die Mütter für Beruf und Studium freizustellen, aber auch, um das Prinzip der 'Erziehung durch die Gesellschaft' möglichst umfassend realisieren zu können" (Lost 2000, S. 193). Er war, wie alle Bildungs- und Erziehungsinstitutionen in diesem sozialistischen Staat, ein Instrument, um die Kinder sozialistisch, d.h. nach gesellschaftlich erwünschten und postulierten Zielen zu erziehen und zu bilden. Dabei ist festzustellen, dass bis zum Jahr 1949 überwiegend "sozialistisch bzw. kommunistisch motivierte reformpädagogische Ideale verfolgt wurden. Danach ging es immer weniger darum, Demokraten zu bilden, als vielmehr "'die jungen Erbauer des Sozialismus zu erziehen'" (Hoffmann 2004, S. 39), was sich insbesondere in den staatlichen Programmen sowie Bildungs- und Erziehungsplänen ausdrückte. Der Kindergarten der DDR wurde als unterste Stufe in ein allgemeines Bildungs- und Erziehungssystem eingeordnet. Damit erfüllte er eine alte Forderung aus der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung, "in etwa der Maximalisten während der Reichsschulkonferenz von 1920!" (Reyer 2013, S. 294), nämlich die gesamte Erziehung vom Kindergarten bis zur Hochschule. Die sozialistische Bildung und Erziehung der Kinder war eine permanente, alle Lebensbereiche umfassende, einheitliche Formung und Beeinflussung, der man sich so gut wie nicht entziehen konnte:


"In diesem Sinne war die in der DDR entwickelte und angewandte Kindergartenpädagogik nicht nur in nachträglicher Negativbewertung eine 'Einwirkungspädagogik', eine 'Forderungspädagogik' und eine vom 'Defizitmodell des Kindes' ausgehende, sondern sie war bewußt in solcher Form als politische Pädagogik gestaltet worden" (Lost 2000, S. 201).

 

DesideratDesiderat|||||Ein Desiderat wird auch als ein Wunschgegenstand bezeichnet. Oftmals ist es ein Objekt oder abstraktes Ding, das mehr oder weniger dringend gewünscht wird und in der Umgebung fehlt.e
In meinem Beitrag bleibt offen, wie die Kinder, die Erzieher/innen, die Kindergartenleiter/innen und die Eltern das repressive sozialistisch-kommunistische Bildungs- und Erziehungssystem empfunden haben. Auch bleibt offen, ob es etwa im Alltag des Kindergartens Freiräume gab, der verordneten Doktrin auszuweichen. Ebenso bleibt offen die durchaus interessante Frage nach der Effektivität der sozialistisch-kommunistischen Kindergartenpädagogik. Offen bleibt auch, inwieweit die Umbruchsituation und die neue "westliche" Arbeitsweise für die ehemaligen DDR-Erzieher/innen zu bewältigen war, und wie sich ihre Lern- und Umdenkungsprozesse gestaltet haben. Dies sind sicherlich spannende Themen, die noch einer wissenschaftlichen Bearbeitung harren.


Abschließend möchte ich noch ein ehemaliges DDR- Kindergartenkind unkommentiert zu Wort kommen lassen, das rückblickend über seine Kindergartenzeit konstatierte:


"An meine Kindergartenzeit habe ich durchweg eigentlich positive Erinnerungen... Da meine Eltern berufstätig waren, war ich als Kind schon recht früh in staatlichen Einrichtungen untergebracht. Dabei bedeutet aber 'staatlich' hier nicht, dass es automatisch mit systemtreuer Erziehung einherging. Die begann in der DDR eigentlich erst in der Schule, wenn man Pionier wurde... Im Kindergarten durften wir noch richtig Kinder sein. Allerdings gab es ein paar Spielsachen, die uns Dinge wie die NVA oder die Volkspolizei näher bringen sollten. Als Kinder sahen wir darin aber einfach nur Autos oder halt Panzer u.ä. und machten uns wenig Gedanken darum ob diese nun 'unsere' Soldaten oder den 'imperialistischen Feind' darstellten. Während man früher halt mit Zinnsoldaten spielte, spielten wir mit kleinen NVA-Soldaten aus Kunststoff... Alles in allem war unser Tag ziemlich durchorganisiert. Aber für uns Kinder war das eigentlich optimal. Wir lernten dadurch fast täglich neue Dinge und zum Teil betrafen sie auch Dinge, die für die Gesellschaft wichtig waren. Wir bekamen z.B. Achtung vor der Arbeit unserer Eltern und lernten die Ansprechpartner für bestimmte Dinge des täglichen Lebens (wie Polizei, Feuerwehr, Ärzte, Sanitäter usw.) kennen. Dadurch bekamen wir automatisch Respekt vor den Erwachsenen... Kurz bevor wir den Kindergarten verliessen, gab es eine kleine Prüfung, mit der ermittelt wurde, ob wir bereits 'schulreif' waren. Leider kann ich mich an den Test nicht mehr wirklich genau erinnern. Ich weiss nur noch, dass ein Junge aus unserer Gruppe nicht 'schulreif' war und dadurch ein weiteres Jahr im Kindergarten bleiben musste. Das fanden wir alle nicht toll, denn die Schule war nur wenige Meter entfernt und wir hatten eigentlich gehofft, dass wir alle zusammen an diese Schule kommen würden. Während ich vor ein paar Jahren Kinder erleben musste, bei denen es hiess 'Ätsch, du darfst ja noch nicht in die Schule' war es bei uns eher ein 'Och schade, wir wollen aber, dass du auch mit in die Schule darfst.' Ich glaube daher, dass unsere soziale Kompetenz durch den Kindergarten eher gefördert wurde, als es in heutigen Kitas der Fall ist. Keinen Respekt vor seinen Eltern zu haben gab es bei uns genauso wenig wie Schadenfreude. Dabei wurde uns aber nicht beigebracht, dass wir Respekt vor unseren Eltern haben müssen, oder dass Schadenfreude etwas schlechtes ist. Es wurde uns einfach ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt, das diese Dinge gar nicht erst aufkommen liess" (http://bitmuncher.blog.de/2011/11/11/kindheit-ddr-teil-1-kindergarten-12148085/).

 



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