Beiträge chronologisch

Schörl-/ Schmaus Pädagogik

Ausgewählte Aspekte

Inhaltsverzeichnis

  1. Raumteilverfahren
  2. Nachgehende Führung
  3. Spiel und Gestalten als Herzstück und Königsweg
  4. Gruppenstrukturierung und Gruppenstärke
  5. Tagesablauf
  6. Glaubenserziehung
  7. Kritik
  8. Fazit
  9. Literatur

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Nachgehende Führung

Wie oben unter „Pädagogische Leitgedanken: Mitmenschlichkeit und Vorbild“ schon vermerkt, ist Erziehung nicht denkbar ohne Führung und Freiheit. Als Montessoripädagoginnen wussten Schörl und Schmaus darum, dass die Freiheit jedem Menschen gegeben und gleichermaßen aufgegeben ist, um verantwortlich damit umzugehen. Führung und Freiheit sind notwendige Erziehungsmittel, sie schließen einander nicht aus:

„Das Kind gedeiht, wenn Freiheit und Führung gut gegeben werden. Freilich kann alles mißverstanden werden; so wurde Freiheit schon oft von einer Seite als Richtungslosigkeit, Unordnung und Enthemmung verstanden, von einer anderen Seite aber tatsächlich so praktiziert; Führung hingegen als Zwang, Drill und Druck. Um solchen Mißbrauch zu verhindern, müßte erkannt werden, daß das kleine Kind selber nicht frei sein kann. Es kann dies nicht sein, weil es dazu noch nicht reif ist... Trotzdem muß das Kind zur Freiheit geführt werden... Darum muß die Kindergärtnerin die Freiheit ihrer Kinder in ihre Verantwortung aufnehmen und bewahren“ (Schmaus/Schörl 1978, S. 56 f).

Aber welche Art von Führung ist angebracht, zumal es unterschiedlichste Führungsformen gibt? Schörl und Schmaus greifen den von Friedrich Fröbel (1782-1852) stammenden Begriff der „nachgehenden Führung“ auf: „Erziehung soll in ihren Grundzügen nachgehend, nicht vorschreibend sein“. Damit meint der große Pädagoge „ein sorgfältig und ehrfürchtig aufs einzelne eingehende Suchen der Umstände und Zusammenhänge, des Verstehens der Ursachen des kindlichen Lebensganges“ (Schmaus/Schörl 1964, S. 41). Nachgehen ist eine „besondere Eigenart einer Führungsweise... und zwar... die psychologisch fundierte Komponente der Führungsarbeit. Das Führen hingegen ist die entsprechende pädagogische Handlung“ (Schörl 1976, S. 29).

Nachgehende Führung, mit all ihren Teilformen, dem beachtenden Nachgehen, dem umsichtigen Vorsorgen, dem verstehend helfenden Führen, ist dann nachgehend, „wenn sie dirigistische und autokratische Beeinflussung nicht nur bewußt vermeidet, sondern ebenso bewußt den Kindern aufgrund von systematischen Beobachtungen notwendige 'Wegweisung' gibt, natürlich auch aufgrund allgemeiner Entwicklungsgesetzlichkeiten, jedoch immer bereit ist zurückzutreten zugunsten der Aktivität des Kindes... Da die nachgehende Führung weitgehend auf systematischer Beobachtung der Kinder beruht, muß sie sich viel den einzelnen Kindern zuwenden; das aber schließt auch das Überwiegen des Kollektivismus aus. Trotzdem kann nachgehende Führung sich auch mehreren Kindern zugleich, auch der ganzen Gruppe, zuwenden, dies aber 'immer aufgrund der Einzelführung'. Dies bewirkt, daß nachgehende Führung auf autokratisches Bestimmen zwar verzichtet, daß sie den Kindern ihr Tun nicht vorschreibt, es aber vorbereitet, begleitet und fördert“ (Schmaus/Schörl 1978, S. 63). Sie formt vor allem „die Qualität der sozialen Interaktion; nachgehende Führung macht die Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen, aber auch zwischen den Kindern untereinander humaner-menschlicher. Dadurch wird nachgehende Führung zu einem Lernprozeß, vollzogen von der Erzieherin, beantwortet von den Kindern in ihren Lernprozessen“ (Schörl 1976, S. 29).

Bildungsarbeit/Unterweisung

Der „PISA-Schock“ rückte die frühkindliche Bildung nach 2001 auch in Deutschland wieder verstärkt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Dabei hatte bereits Friedrich Fröbel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bildungsmöglichkeiten im frühen Kindesalter hervorgehoben. Trotzdem hat der Kindergarten seit jeher mit seiner Legitimation als Bildungsinstitution zu kämpfen. Auch Schörl undSchmaus hatten die Bildungsthematik zu einem zentralen frühpädagogischen Thema gemacht. Die Bildungsarbeit im Kindergarten erfolgt ihnen zufolge auf zwei Wegen: a) (wie weiter oben schon genannt) über den Umgang des Kindes mit Material und b) über „die Bildungswerte [die; M. B.] von der Kindergärtnerin selbst übermittelt werden“ (Schmaus 1964, S. 9). Die „Bildungsarbeit der Kindergärtnerin... umfaßt die Gestaltung von Ausgängen, das Mitbringen von Dingen mit Bildungswert... oder das sinnvolle Gespräch mit Kindern und das erklärend-hinweisende Wort der Kindergärtnerin; ferner ihr Erzählen, Singen und Sorgen, ihr Vermitteln von Kreisspielen, Singreigen, Rate-, Such- und ähnlichen Spielen, das Feste feiern und jenes Schaffen der Fünf- bis Siebenjährigen, das die Kindergärtnerin an ein bestimmtes Ziel bindet“ (ebd., S. 9 f). Bildung findet nicht isoliert curricular statt, sondern ist eingeflochten in das alltägliche Leben und Handeln der Kinder selbst und mit dem der anderen. Das Kind hat die Freiheit selbst zu entscheiden, ob es bspw. an einem Bildungsangebot der Erzieherin direkt teilnehmen möchte oder nicht. Eine Teilnahme aus dem „Hintergrund heraus“ sollte jederzeit möglich sein.

Eine differenzierte Form des erklärend-hinweisenden Wortes sowie der nachgehenden Führung ist die „Unterweisung der Kinder“. Darunter versteht die Schörlpädagogik einen Weg in eine bestimmte Richtung zu weisen, eine “jene der Kindergärtnerin zustehende Lehrform, mittels welcher den Kindern ein sinnvoller Umgang mit Gegenständen ihres täglichen Lebens vermittelt wird. Die Unterweisungen gelten Vorgängen und Dingen, die von Kleinkindern erfaßbar sind oder eben durch die Unterweisung erfaßbar gemacht werden können. Was die Kindergärtnerin dabei in betont exemplarischer Weise ihren Kindern vor Augen führt, das nehmen sie auf, das prägt sich ihnen ein, das werden sie nachahmen im eigenen selbständigen Vollzug“ (Schmaus/Schörl 1968, S. 76). Die Unterweisung trägt dazu bei, dass das Kind sicherer und selbstständiger wird. Dieses wichtige Ziel, das letztlich der Stimulus jeder Unterweisung ist, fasste Maria Montessori in den allbekannten und einprägsamen Ausruf zusammen: „Hilf mir, es allein zu tun!“

Unterweisungen, die einzeln oder im Kollektiv erfolgen können, sollten nie unter Zwang durchgeführt werden. Kein Kind sollte zum Mitschauen /-machen gezwungen werden, immer sollte die Möglichkeit des Ausscheidens gegeben sein. Die Unterweisung selbst sollte in seinen sprachlichen Erklärungen kurz, einfach und objektiv sowie von „eindrücklicher Prägnanz der zeigenden Bewegungen“ (ebd., S. 79) sein. Was das bedeutet, veranschaulicht exemplarisch folgendes Beispiel:

„Das richtige Öffnen und Schließen einer Türe: Man holt die Kinder... zu sich oder man schließt die Unterweisung, da sie nur kurz ist, an ein Erzählen oder ähnliches an, wenn die Kinder schon beisammen sind. Wieder sei erwähnt, daß kein Zwang ausgeübt werden soll; es genügt, daß die Kinder, die sich nicht beigesellen wollen, sich ruhig verhalten. Nun sorgt man dafür, daß die Kinder in der Nähe einer Türe so stehen, daß alle zur Klinke gut hinsehen können. Ist es so weit, dann legt man die Hand auf die Klinke, läßt sie kurz dort ruhen und drückt dann vorsichtig nieder. Jetzt erst zieht man die Türe auf und läßt sie einen Augenblick offen. Dann macht man die Kinder kurz aufmerksam: ‚Jetzt schließe ich die Türe!‘ Und wieder vollführt man die hierzu nötigen Bewegungen so exakt wie nur möglich: Man faßt die Klinke an und schiebt die Türe langsam zum Türrahmen. Erst wenn die Türe ansteht – nicht anschlägt! -, drückt man die Klinke vorsichtig nieder, schiebt die Türe nach und lockert den Griff an der Klinke so langsam, daß das Schließen lautlos vor sich geht. Nun hebt man die Hand ab" (ebd. S. 81)“.