„Keine Blumen, keine Bienen, kein Honig!“

Die Förderung der ökologischen Intelligenz im Kindesalter

"Menschen leiden. Menschen sterben.
Wir befinden uns am Anfang eines Massen-Aussterbens, und alles, woran ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum. Wie könnt ihr es wagen!"
Greta Thunberg

"Es reicht nicht aus, zu recyceln. Auch nicht beim Kauf von Bio-Lebensmitteln.
Weder die Glühbirnen wechseln noch die Stecker abziehen. Diese Schritte sind notwendig, aber nicht ausreichend, denn das, was wirklich geändert werden muss, ist unser Denken. Alle unsere Handlungen wirken sich auf die Umwelt aus: zu leugnen ist unwissend ".
Daniel Goleman

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefan-gen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
Weissagung der Cree Indianer 1854



Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die in der Überschrift wiedergegebene Äußerung meines sechsjährigen Enkels Moritz, die eine existenzielle Gefahr in unserem Natursystem und damit in der Ökologie beschreibt. Es soll beleuchtet werden, welche möglichen Auswirkungen das Nichtlösen der ökologischen Fragen für unser Leben und das zukünftiger Generationen hat. Die Frage lautet dabei, was genau ökologische Intelligenz ist und wie und wodurch sie angesprochen, entwickelt und vertieft werden kann. Zudem richtet sich der Blick auf die pädagogische Ausrichtung dieser Thematik und die diesbezüglichen Einstellungen von Eltern und Päda-gog*innen. Goleman (2012) betont, dass die ökologische Intelligenz in Koppelung mit den anderen Intelligenzen (vgl. Gardner) in allen Bildungsangeboten und Einrichtungen auch schon in der Kita behandelt werden sollte. Denn, so Goleman, nur durch eine Veränderung in unserem Verhalten könnten wir die Wirtschaft verändern und unseren Planeten vielleicht noch retten - getreu seinem Motto: „Wer umdenkt, lebt besser“. Es wird in dem Beitrag nachgespürt, welche Rolle das Vorbildverhalten, die Einstellung und das Wissen von Eltern und Pädagog*innen im Kindergarten spielt, damit ökologische Intelligenz angesprochen, gelebt und vertieft werden kann.

Was meint Moritz mit seiner Aussage?

Moritz bringt mit seiner Aussage eine grundlegende Kausalität auf den Punkt und zeigt, dass er mit sechs Jahren schon eine Vorstellung vom Kreislauf in der Natur hat. Worauf ist das zurückzuführen?

Seine Eltern sowie das familiäre Umfeld motivieren und begleiten ihn von früh auf an, nehmen seine Fragen ernst und fördern so sein intrinsisches Interesse an der Fauna und Flora, verstärkt auch durch passende Bücher oder TV-Sendungen. Alters-entsprechend (Schenk-Danziger1962) gilt sein Interesse dabei vor allem großen und gefährlichen Tieren wie Dinosauriern oder Haien. Im Garten wird bei jedem Wetter und jeder Jahreszeit gespielt und gearbeitet. Beobachtungen und Fundstücke werden den Eltern gezeigt und besprochen. Beim Bau des Kompostbehälters hilft er mit. Er weiß, dass man selber Tomaten anpflanzen und ernten kann. Der Pflaumenbaum ist ebenfalls ein wichtiges Element im Garten. Es gibt zwei Goldfische und die kleine Schildkröte Emil, die er mit seinem jüngeren Bruder versorgen muss. Die Familie sortiert den Müll und Kita oder Schule werden, wenn eben möglich, mit dem Fahrrad erreicht.

Darüber hinaus gibt es Fahrradtouren und Wanderungen. Der kleine Zoo wurde sehr früh und wird heute immer noch besucht. Der Urlaub fand schon öfters auf einem Bauernhof statt. Er erlebt seine Eltern, die ein umweltschonendes Verhalten vorleben und ohne den „pädagogischen Zeigefinger“ zeigen, wie ökologisches Verhalten aussieht. Der Besucher hat den Eindruck, dass zwischen Natur und Moritz ein ständiger Dialog besteht.

Es wird deutlich, wie durch das Vorleben in der Familie das ökologische Verständnis und damit die ökologische Intelligenz gefördert werden kann.

Das Megathema Ökologie

In den letzten Jahren sind das Thema Ökologie und damit verbundene Klimafragen wie keine anderen weltweit in den Fokus gerückt. Begriffe wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Wasserknappheit, Ressourcenschonung, Erderwärmung, Schneeschmelze, Klimanotstand, Klimagerechtigkeit, Klimaschutzgesetz, Klimaflüchtlinge, Schneeschmelze oder Arten-Sterben sind „in aller „Munde“ und gehören oft auch schon zum Allgemeinwissen von Kindern.

Zunehmend und erfreulicherweise setzen sich heute auch schon Kinder und Jugendliche aus aller Welt mit diesem Thema öffentlichkeitswirksam auseinander. Seit drei Jahren gibt es die globale Aktion „Fridays for future“, die von der jungen Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufen wurde und durch die sie zur Identifikationsfigur und Ikone für Umweltaktivist*innen wurde. Diese Bewegung versteht sich als international, überparteilich und unabhängig, wobei Greta Thunberg sich als Klimaschutzaktivistin versteht und sich an Erkenntnissen der Wissenschaft orientiert wie dem Bericht des Club of Rome von 1973, in dem vom Ende des Wachstums gesprochen wird.

Mit dem Schulstreik möchte Greta erreichen, dass für die Rettung des Planeten dringend notwendige Klimaabkommen auf der ganzen Welt eingehalten und nachgebessert werden. Als Repräsentantin der internationalen Klimaschutzbewegung wurde sie 2019 mit dem "Right Livelihood Award" ausgezeichnet und vom US-Magazin "Time" als bislang jüngste Person zur "Person of the Year" gewählt. Zudem erhielt sie den alternativen Nobelpreis und ist damit die jüngste Trägerin seit Einführung dieser Auszeichnung.

In ihren Vorträgen und „Wutreden“ z. B. vor der Uno am 24.09.2019 macht sie uns alle und die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft für den erschreckenden ökologischen Zustand unserer Welt verantwortlich und ruft uns zu:“ how dare you. Wie könnt Ihr es wagen!“ Sie verdeutlicht, dass sie und weitere Generationen ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben auf der Erde haben sollten. Ginge es so weiter wie bisher, würde das auf keinen Fall möglich sein.

Ihre Eltern betonen in dem Buch „Szenen aus dem Herzen“, dass Greta schon früh ökologische Fragen stellte und sich dementsprechend verhalten und viel gelesen hat (vgl. Thunberg 2019). Anscheinend war sie dabei, wie es ebenfalls bei Moritz der Fall ist, intrinsisch motiviert, aber sie erhielt nach Aussagen der Mutter auch häusliche Anregungen und durch das Vorleben der Eltern wesentliche Impulse.

Was ist die ökologische Intelligenz?

2002 stellte der Wissenschaftler für Kognition und Pädagogik Howard Gardner die multiplen Intelligenzen vor. Eine nannte er die naturalistische Intelligenz. „Darunter versteht er, dass ein umfassendes Wissen und Empathie von der Welt der Lebewesen, dem Erkennen von verborgenen Mustern und Ordnungen in der Natur vorhanden ist“ (Ebenhöh 2008, 23). Der klinische Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman, Autor der Bücher "Emotional Intelligence“ / „Soziale Intelligenz", spricht in Anlehnung an und Weiterführung von Gardner von der ökologischen Intelligenz. Auch sein Buch „Ökologische Intelligenz“ ist genau wie „Die emotionale und soziale Intelligenz“ ein weltweiter Besteller. Demnach wäre die ökologische Intelligenz die Fähigkeit, die Auswirkungen unseres Handelns auf die Umwelt verstehen zu können. Golemann zufolge hat eine Person mit geringer ökologischer Intelligenz ein sehr schlechtes Bild von den Auswirkungen seines Handelns in seiner natürlichen Umgebung und nur wenig Fähigkeit, sein Verhalten zu verändern. Dies würde beispielsweise dazu führen, dass u. a. weiter unnötiger Müll weggeworfen oder zu viel Wasser verbraucht würde.

Daher schlägt der Autor vor, dass wir die Auswirkungen unseres Handelns genauer überlegen. Ihm zufolge zählt jede kleine Geste! So können Maßnahmen wie der Kauf von lokalen und saisonalen Bio- und unverpackten Produkten, Kleidung aus recycelten Materialien, weniger Autofahren und die vermehrte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nützlich sein. Weniger Müll zu produzieren, weniger Plastik zu benutzen, nachhaltige Energieversorgung zu nutzen trägt dazu bei, unseren "ökologischen Fußabdruck" zu reduzieren. Dies würde unsere Existenz nach Goleman mit dem langfristigen Überleben des Planeten vereinbaren.

Ökologische Förderung und Themen in der KiTa

Das Problem einer geringen ökologischen Intelligenz ist groß. Die negativen Auswirkungen, die wir auf dem Planeten erzeugen, steigen an. Aber auch unsere eigene psychische Gesundheit leidet an der künstlichen Welt, in der wir leben. Nach verschiedenen Studien sind wir mit der Natur immer weniger verbunden und erleiden umso mehr Probleme wie Angstzustände oder Depressionen (Golemann ebd.). Daher müssen, so Golemann, pädagogische Einrichtungen für alle Kinder und Ju-gendliche unbedingt auch Lebensorte zum Erlernen ökologischer Zusammenhänge werden. Wie noch beispielhaft beschrieben (s. u.), spielt der Kindergarten auch hierbei schon eine äußerst wichtige Rolle.

Ökologische Bildung ist inzwischen ein wichtiger Bildungsinhalt im KiTa-Alltag. So ist beispielhaft 2020 auch ein Themenheft der Zeitschrift „Kindergarten Heute“ erschienen und inzwischen gibt es etliche Bücher, die sich diesem Thema widmen, z. B. Erman, H (2020).
Dahinter liegt ein Konzept, das KiTa-Leitungskräften eine zukunftsorientierte Führungskultur mit allen dazugehörigen Auswirkungen auf die Arbeit in der Einrichtung vermitteln kann. Des Öfteren ist die Thematik so auch schon im Konzept von Einrichtung aufgenommen.

Praxisbeispiel
Als exemplarisches Praxis-Beispiel und aufgrund des bisherigen Fehlens entsprechender wissenschaftlicher Studien möchte ich jetzt die Verankerung der ökologischen Intelligenz in einem Familienzentrum im Emsland vorstellen. In dieser Einrichtung wird das Thema systematisch durch Gespräche, Fragen und Hinweise der Eltern und dem Interesse aller 21 Mitarbeiter*innen seit längerer Zeit in den Fokus gerückt. Dieses Interesse, die Sensibilität und Neugierde der Kinder bedingen sich dabei.

Auch in der Konzeption der Einrichtung ist dieses ökologische Anliegen schon verankert. Folgende methodische und didaktische Aktivitäten sind in dem Familienzentrum dabei zum Alltag geworden:

  • Grundsätzlich werden Fragen, die die Natur betreffen, aufgegriffen und durch entsprechendes didaktisches Material behandelt und vertieft, z.B. im Buch: (Blessing, K Mäurer, S (2002)
  • Bei der Ernährung werden möglichst lokale Zutaten verwendet.
  • Ein durchgängiges Obstangebot im Gruppenraum ist selbstverständlich.
  • Es werden auch Spielmaterialien aus der Natur wie Holz, Stöcker, Holzscheiben, Steine, Muscheln etc. angeboten.
  • draußen zu spielen bei „Wind und Wetter“ ist normal und wird verstärkt. Mit Weidenstecklingen werden Tunnel, Hecken und Tipis hergestellt.
  • Es gibt die Einbindung der Kinder bei der Pflege, Hege und Gestaltung der Außenanlage, das Angebot an Waldtagen und die Teilnahme an landesweiten Säuberungsaktionen gehören ebenfalls dazu.
  • Die Gespräche mit den Kindern bezüglich ökologischer Fragen werden mit der Ausrichtung auf Werte und Normen, also mit philosophisch existenziellen Themen verknüpft (vgl. Blessing, K, Mäurer, S (2002) sowie de Boer, H, Michalik, H, Boer, H (2019))
  • Die Auszubildenen werden nach dem Praktikum diese Ausrichtung reflektieren und sind dann idealerweise in der Lage, sie nach dem „Schneeballprinzip“ in die Arbeit weiterer Einrichtungen einzubringen.
Nach den Richtlinien für Grundschulen werden auch dort ökologische Themen behandelt und Moritz - nun im ersten Schuljahr- wird dort demnach weitere Impulse erhalten.

Es wurde in diesem Beitrag deutlich, dass das Thema der Ökologie und Förderung der ökologischen Intelligenz ein komplexes, aktuelles und anspruchsvolles Anliegen ist. Es konnte gezeigt werden, dass die Förderung der ökologischen Intelligenz möglichst schon in der Familie beginnen und in der KiTa weiter behandelt werden sollte und dass es auf das Vorbildverhalten von Eltern und Pädagog*innen ankommt. Letztlich stehen wir alle – nach Greta Thunberg -  in der Verantwortung, möglichst viel für das zukünftige gute Leben auf der Erde zu tun.

Literatur-Auswahl

  • Bericht des Club of Rome (1973): Die Grenzen des Wachstums zur Lage der Menschheit. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
  • Blessing, K.; Mäurer, S. (2002): Natur, Ökologie im Kindergarten. Ein Lern- und Pra-xisbuch. Hirzel Leipzig
  • Coleman, D. (2012): Ökologische Intelligenz. Unser Land wird grün. Wer umdenkt, lebt besser. Drömer, München
  • de Boer, H.; Michalik, H. (2019): Philosophieren mit Kindern – Forschungszugänge. Buderich
  • Ebenhöh, U (2008): Multiple Intelligenzen in der Psychologie nach der Theorie von Howard. Grim, München
  • Erman, H. (2020): Das Ökologiebuch. Wichtige Theorien einfach erklärt. Springer Spektrum, Heidelberg
  • Gardner, H. (2002): Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart
  • Gardner, H. (2002) Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligen-zen.
  • Goleman; D. (2012): Ökologische Intelligenz. Wer umdenkt, lebt besser. Knaur, München
  • Schenk-Danzinger, L. (1972): Entwicklungspsychologie. Wien: öbvhpt (Schriften zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung).
  • Thunberg, G. (2019): Rede vor der Uno am 24.9.2019. Nachzuhören unter https://www.faz.net/aktuell/politik/greta-thunbergs-komplette-wutrede-vor-der-un-im-video-16400632.html
  • Thunberg, M. (2019): Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima. Fischer, Frankfurt a. M.


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