Die Bedeutung von Begleitstrukturen für Sprachbildung und -förderung in KiTas



Die Umsetzung alltagsintegrierter Sprachförderung ist gesetzlicher Auftrag niedersächsischer KiTas. Im Jahr 2018 wurde die alltagsintegrierte Sprachbildung und -förderung als Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen in den Gesetzesrang erhoben. Gleichzeitig erfolgte eine Neuausrichtung, nach der eine alltagsintegrierte Sprachförderung Aufgabe aller Kindertageseinrichtungen ist. Eine aktuelle Evaluationsstudie (Anders et al. 2019) belegt in diesem Zusammenhang die große Bedeutung von praxisnaher und kontinuierlicher Fachberatung und Qualifizierung.

Anhand einer regionalen Unterstützungsstruktur einer niedersächsischen Großstadt wurde überprüft, welche Rolle diese im Bereich der Sprachbildung und -förderung hat. Dazu wurde das multiprofessionelle regionale Koordinierungszentrum umfassend untersucht. Ziel war, die Wirkungen des spezifischen regionalen Konzepts zur Sprachbildung und -förderung zu erheben und Impulse zur Weiterentwicklung zu geben. Gleichzeitig ist die Evaluation als Pilotprojekt zu verstehen, das Impulse für eine umfassendere, überregionale Untersuchung von Unterstützungsstrukturen in Niedersachsen und auch in anderen Bundesländern geben kann.

Anlage der Studie

Die verschiedenen Formate und Angebote des Koordinierungszentrums wurden auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit hin betrachtet und ausgewertet. Aufbauend auf einer Dokumentenanalyse wurden zunächst leitfadengestützten Interviews durchgeführt, um die verschiedenen Perspektiven rund um die bestehenden Begleit- und Beratungsstrukturen aus der Innen- und Außenperspektive differenziert zu erfassen.
Kern des Evaluationsvorhabens war eine quantitative Online-Erhebung in allen begleiteten Einrichtungen. Der umfangreiche Fragebogen bildete viele Aspekte der Unterstützungsstruktur aus Perspektive der Leitungskräfte sowie der pädagogischen Fachkräfte ab. Im Fokus standen dabei das Spektrum des Angebots, der multiprofessionelle Ansatz und die Verschränkung verschiedener Angebotsformen, die die alltagsintegrierte Sprachbildung und -förderung durch die Fachkräfte in den Einrichtungen begleiten, ergänzen und weiterentwickeln.
Eine objektive externe Bewertung war besonders dringlich, weil die umfassende Landesfinanzierung der Unterstützungsstrukturen im Bereich der Sprachförderung im Juli 2021 ausläuft und zudem das Bundesprogramm SprachKitas mit dem Jahr 2021 endet. Die Projektergebnisse können eine Weitergestaltung und Perspektiventwicklung auf regionaler wie auf Landesebene daher maßgeblich unterstützen.

Ergebnisse

Insgesamt bringen die Befragten eine sehr große Zufriedenheit mit dem umfassenden und breiten Angebot des Koordinierungszentrums zum Ausdruck, das durch das multiprofessionelle Team des Koordinierungszentrums bereitgestellt wird. Die Ergebnisse der Evaluation belegen aus Sicht der Befragten erhebliche und vielfältige Verbesserungen in der Umsetzung von Sprachbildung und -förderung. Auch die Kompetenzen im Bereich der ressourcenorientierten Beobachtung wurden deutlich verbessert. Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Auftrages zur Erfassung der Sprachkompetenzen gibt es allerdings nach wie vor eine erhebliche Lücke zwischen fachlichen Anforderungen und der alltäglichen Realität in den Einrichtungen.
Mehrsprachigkeit ist heute als zentrale Herausforderung für die Weiterentwicklung für Sprachbildung in KiTas zu begreifen. Obwohl die Angebote und Maßnahmen bereits zu wesentlichen Veränderungen der Haltungen von Fachkräften und Teams geführt haben, zeigen die Ergebnisse auch, dass der Weg hin zu einer umfassenden mehrsprachigen Förderung in KiTas noch weit ist.

Im Umgang mit Sprachstörungen haben die Fachkräfte deutlich an Sicherheit gewonnen. Gerade hier wird aber auch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Unterstützung besonders deutlich. Der Umgang mit „schwierigen“ Fällen belastet Teams und Fachkräfte und stellt damit eine besondere Herausforderung für gelingende Sprachförderung dar.
Unterstützungsbedarf besteht darüber hinaus beim Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsproblemen von Kindern. Da die Entwicklung kommunikativer und sprachlicher Kompetenzen in hohem Ausmaß mit Aspekten der emotional-sozialen Entwicklung von Kindern zusammenhängen, ist dies nicht überraschend. Ein über den Bereich der Sprachbildung und -förderung hinausgehender Bedarf an Unterstützung kann zudem auch für den Bereich der Arbeit mit Kindern von 0-3 Jahren konstatiert werden. Positiv ist in diesem Zusammenhang das gewachsene Bewusstsein für die Bedeutung dieser Altersphase für die Sprachentwicklung und Sprachbildung zu sehen.

Obwohl die Evaluation viele positive Wirkungen der fachlichen Begleitung der KiTas belegt, gelingt in der Alltagspraxis eine nachhaltige Umsetzung von Impulsen zur Sprachbildung und -förderung nur teilweise. Als Ursache werden in erster Linie fehlende Zeiten für Vor- und Nachbereitung sowie mangelnde personelle Ressourcen genannt. Dieser Mangel kann nicht durch Unterstützungsstrukturen kompensiert werden, sondern muss durch die Bereitstellung zusätzlicher Personalressourcen sowie die gesetzliche Verankerung ausreichender Verfügungszeiten abgesichert werden.

Eine besondere Bedeutung fachlicher Begleitung zeigt sich in der Zusammenarbeit mit Leitungskräften, die oftmals auch und gerade in der SARS-CoV-2-Pandemie aufrechterhalten und erweitert werden konnte. Zuverlässige Unterstützungsstrukturen stellen funktionierende Arbeitsbündnisse sicher und entlasten damit die Leitungskräfte. Lösungsorientierten Ansätze unterstützen Leitungskräfte in ihrem Bemühen, eine gute Sprachbildung und -förderung mit dem gesamten Team zu realisieren.

Sprachbildung und -förderung im Bereich des Übergang von KiTa zur Grundschule stand dagegen weniger als erwartet im Fokus. Hier machte sich bemerkbar, dass etablierte Strukturen der Zusammenarbeit zwischen elementarpädagogischer und schulischer Sprachförderung nach der Novellierung des KitaG im Jahre 2018 nicht weitergeführt wurden. Nicht zuletzt angesichts des kommenden Rechts auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen muss dem Übergang sowie der Weiterführung erfolgreicher Maßnahmen der Sprachbildung und Sprachförderung nach dem Wechsel von der KiTa in die Schule zukünftig mehr Aufmerksamkeit gegeben werden.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen, dass das untersuchte regionale und trägerübergreifende Konzept als Erfolgsmodell für die Entwicklung einer regionalen Unterstützungsstruktur angesehen werden kann. Verbesserungen können insbesondere in den Bereichen der ressourcenorientierten Beobachtung, der Umsetzung alltagsorientierter Sprachförderung sowie beim Umgang mit Auffälligkeiten und Sprachstörungen belegt werden. Eine besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die enge Verzahnung von Fortbildungs- und Qualifizierungsangeboten mit aufsuchender Fach- und Fallberatung in den Einrichtungen.

Die Ergebnisse weisen unmissverständlich darauf hin, dass Sprachbildung in den ersten drei Lebensjahren genauso große Bedeutung zukommt wie im Kindergartenalter. Dies stellt angesichts des rapiden Ausbaus der Betreuung von Kindern unter drei Jahren eine Herausforderung für die Weiterentwicklung von Sprachbildung dar. Die Evaluation zeigt zudem, dass in vielen Bereichen – von Mehrsprachigkeit über Erfassung der Sprachkompetenz bis hin zum Umgang mit Sprachstörungen – kontinuierlicher Unterstützungsbedarf besteht.
Regionale trägerübergreifende Strukturen und Konzepte zur Sprachbildung und Sprachförderung müssen daher überprüft und weiterentwickelt werden, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit, multiprofessionelle Unterstützung bereitstellen zu können. Eine Deckelung der Finanzierung von Fachberatung und Qualifizierungsmaßnahmen, wie sie im aktuellen Entwurf der Novellierung des NKiTaG vorgesehen ist, ist dagegen kontraproduktiv. Zu befürchten ist, dass die bisher erreichten Erfolge verspielt werden und eine nachhaltige Verankerung guter Sprachbildung und -förderung in KiTas nur unzureichend gelingt. Stattdessen müssen multiprofessionelle und praxisnahe Unterstützungsstrukturen dringend erhalten und weiter ausgebaut werden.

Der vollständige Abschlussbericht der Evaluation steht auf der Website des Projekts hier zur Verfügung