Fachberaterinnen, vernetzt euch!

Wie entwickelt sich Fachberatung in Niedersachsen, welche Möglichkeiten bietet sie, wie wichtig ist Vernetzung? Unsere Autorin geht für das nifbe genau diesen Fragen nach. Ihre Antworten zeigen Perspektiven auf – auch für Fachkräfte aus anderen Bundesländern.

Gibt es eigentlich eine bundesweite Erfassung von Strukturen für Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung? Kurze Antwort: Nein! In Niedersachsen ist es jedoch möglich, landesweit den Transfer von Wissen im Bereich der frühkindlichen Bildung zu organisieren, für Transparenz zu sorgen und zur ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   in diesem Bereich beizutragen. Grund dafür: Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) hat als vom Land geförderte Organisation den Auftrag dazu.

Als Schnittstelle zwischen Kitas, Trägern, Verwaltung, Aus- und Weiterbildung sind Fachberaterinnen und Fachberater für den Transfer und für die Gestaltung von Prozessen im frühkindlichen Bereich eine sehr wichtige Berufsgruppe. Deren konkrete Erfassung ist eine der ständigen Aufgaben der Mitarbeitenden des Instituts. Wer ist als Fachberaterin tätig? Bei welchem Anstellungsträger? Mit welchen thematischen Schwerpunkten? Wie sind Fachberaterinnen vernetzt?

Bereits 1996 definiert Erziehungswissenschaftlerin Maria-Eleonora Karsten die Fachberatung als „eine personenbezogene strukturentwickelnde soziale Dienstleistung im Rahmen der Jugendhilfe. Sie ist ein eigenständiges Handlungsfeld als Teil des Unterstützungssystems der Kindertagesbetreuung. Sie wirkt qualitätsentwickelnd und qualitätssichernd.“

Diese Definition behält nach wie vor ihre Aktualität und wird auch von der Arbeitsgruppe Fachberatung der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAGBEK) im Papier Selbstverständnis von Fachberatung übernommen. Elke Alsago vom Vorstand der BAG-BEK differenziert auf einer Bundestagung für Fachberaterinnen in 2019 zwischen Fachberatung als Profession und Dienstleistung und Fachberaterin als Person, die diese Tätigkeit ausübt.

Trotz der Bedeutung der Fachberatung im Feld der Kindertagesbetreuung fehlt eine gesetzliche Verankerung im achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). Im Niedersächsischen Kita-Gesetz steht im Paragraf 11: „Die Träger von Tageseinrichtungen sorgen für eine fachliche Beratung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Soweit dies nicht durch den Träger oder durch einen Verband, dem der Träger angehört, gewährleistet ist, obliegt die Aufgabe den Jugendämtern.“ Solche Formulierungen bieten Raum für Interpretation, in welcher Form Fachberatung tatsächlich durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe sicherzustellen ist.

Wie sieht’s aus in Niedersachsen?

Rund um das Thema Fachberatung haben meine Kolleginnen und ich in Niedersachsen im Laufe der Jahre verschiedene Veränderungen festgestellt, die nachfolgend skizziert werden.

  • Mehr Stellen für Fachberatung
Auch wenn die Kita-Fachberatung gesetzlich nicht konkret verankert ist, nehmen viele Träger die steigende Komplexität der Arbeit in einer Kita und den Bedarf an Beratung bei den pädagogischen Fachkräften wahr. Es entsteht zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass der gesellschaftliche Auftrag an die Kita ohne Fachberatung nicht mehr zu realisieren ist und dass sie zur Steigerung der Qualität, zur Attraktivität eines Kita-Trägers und zur Mitarbeiterinnenbindung führen kann.

Es entstehen daher zum einen Stellen für kommunale Fachberatende, die beim örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe angestellt sind und oft koordinierende trägerübergreifende Aufgaben übernehmen sollen, zum anderen Stellen von Fachberatung bei freien Trägern der Jugendhilfe. Diese sollen die Leitung und das pädagogische Personal einer Kita darin unterstützen, das trägereigene Konzept zu realisieren und dieses den gesellschaftlichen und einrichtungsspezifischen Entwicklungen anzupassen. Dennoch ist in etlichen ländlichen Kommunen keine Fachberaterin vorhanden oder lediglich eine Stelle, die für beide Bereiche – Kita und KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  – zuständig ist.

  • Teams von Fachberatenden
Für Niedersachsen lässt sich als positive Entwicklung die Entstehung von Teams für Fachberatung vor allem beim örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe (in der Regel bei Landkreisen und kreisfreien Städten) verzeichnen. Die in solchen Konstrukten tätigen Fachberaterinnen haben unterschiedliche regionale Zuständigkeiten, übernehmen trägerübergreifende Aufgaben wie die Koordination der Qualitätsentwicklung oder von Programmen, sind thematisch differenziert und bedienen unterschiedliche Zielgruppen (zum Teil sowohl die Kitas als auch die Kindertagespflege). Oft sind sie Ansprechpartnerinnen und übernehmen somit eine Art Lotsenfunktion für die verschiedenen Koordinatorinnen von Programmen wie „Kita-Einstieg“ oder „Sprach-Kitas“, die auf Landkreisebene installiert werden. In solchen Teams agierende Fachberaterinnen können sich gegenseitig unterstützen und für Entlastung sorgen.

  • Typologie von Fachberatungsstrukturen
Mit der Einstellung von Fachberaterinnen beim öffentlichen Träger können wir in Niedersachsen auch eine Typologie der Fachberatungsstruktur auf der Ebene von Landkreisen ableiten, die wohl auch in anderen Bundesländern zu beobachten ist: Landkreise mit einer Stelle für kommunale Fachberatung; Landkreise mit Teams von kommunaler Fachberatung (zwei bis sechs Fachberaterinnen); Landkreise ohne kommunale Fachberatung.

Die zweite Kategorie steigt zunehmend, bedingt durch den höheren Bedarf an Koordination durch den örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe. Die dritte Kategorie ist vor allem da anzutreffen, wo die freien Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wie etwa die katholische Kirche, eine sehr starke Präsenz haben, in Landkreisen mit mehr Kindertagespflege oder in strukturschwachen Landkreisen.

  • Thematische Differenzierung der Fachberatung
Meine Kolleginnen und ich haben festgestellt, dass zur allgemeinen Fachberatung immer mehr thematisch fokussierte Fachberatung angeboten wird. Dies lässt sich durch die Zunahme von Komplexität in einer Kita, die Vielfalt von Kita-Teams, den wahrgenommenen Anstieg von Kindern mit herausforderndem Verhalten sowie durch die vom Bund oder Land finanzierten Programme im Bereich der Kindertagesbetreuung begründen. Beispielsweise werden Fachberaterinnen für Inklusion, Sprache oder Einzelfallberatung eingestellt.

Die Einzelfallberaterinnen haben einen sozialpädagogischen oder psychologischen beruflichen Hintergrund und begleiten das pädagogische Personal in einer Kita intensiv und im Idealfall so lange, bis eine Lösung gefunden wird.

Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ formuliert als Bedingung die Vorhaltung einer Fachberatung und beschreibt zudem relativ detailliert die Eingruppierung, die Aufgaben sowie die Relation zwischen der Anzahl an Kitas und der Anzahl an Stunden für die Fachberatung.

Was sind die größten Probleme in der Fachberatung?

Zu den Entwicklungen, die die Struktur der Fachberatung direkt betreffen, gibt es weitere, die sich auf die Gestaltung von Fachberatung beziehen.

  • Die Relationen stimmen ganz und gar nicht
Der Anstieg der Geburten, der Krippenausbau, der gesetzlich geregelte Anspruch der Eltern auf einen Betreuungsplatz für ihr Kind und die höhere Berufstätigkeit beider Eltern führen zu einem steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen. Es werden auch in Niedersachsen neue Kindertageseinrichtungen gebaut und bestehende erweitert. Dies führt zwingend zu einem Anstieg der Anzahl der pädagogischen Mitarbeitenden in einer Kindertagesstätte, die besonders auf fachliche Unterstützung durch die Fachberatung angewiesen sind. Die Teamstrukturen verändern sich massiv und schnell, der Alltag in der Kita wird komplexer. Abläufe und das Konzept müssen angepasst und reflektiert werden. Trotz der Zunahme der Einstellung von Fachberaterinnen bleibt die Anzahl der Stunden für die Fachberatung in Relation zur Anzahl der Kitas und der Fachkräfte oft unverändert. Damit verschlechtert sich die von Christa Preissing, Direktorin des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung, empfohlene Relation: eine volle Stelle Fachberatung für zwanzig Kindertageseinrichtungen.

  • Warum ist keine Zeit für Fortbildung?
Wenn Fachberatende nach Herausforderungen gefragt werden, erwähnen viele die zahlreichen Informationen, Programme und Entwicklungen und die vergleichbar knappe Zeit, um alles zu verarbeiten. Auch die Zeit für Fortbildungen und Vernetzung wird geringer. Schlussfolgernd kann die Fachberatung ihre Funktion beim Transfer von Wissen, also ihre Funktion als Übersetzerin, Vermittlerin und Anlaufstelle für Programme und Forschung im Kita-Bereich, mit immer weniger Ressourcen ausführen.

Was lässt sich daraus alles ableiten?

Ich schließe mich Elke Alsago an, die sagt, dass erst durch die Vernetzung und den Austausch mit anderen Fachberatenden eine gemeinsame Diskussion, Reflexion und Verständigung über die eigene Profession und Entwicklungen möglich sind. Dadurch ist eine Erarbeitung einer gemeinsamen Position gegenüber Politik, Verwaltung und Trägern zu realisieren und damit eine Veränderung erreichbar. Um Veränderungen rund um Fachberatung zu erzielen, bedarf es unter anderem nicht nur viel Wissen, sondern auch Kraft, Ausdauer und der Unterstützung der anderen.
In Gesprächen mit niedersächsischen Fachberaterinnen ist zu hören, dass sie den Dialog mit ihren Kolleginnen sehr schätzen, weil sie sich dadurch auf Dauer gezielte kollegiale Beratung organisieren, weil sie die eigenen Erfahrungen in Bezug zu anderen stellen und Rückschlüsse daraus ziehen können und weil sie für Momente der Entlastung sorgen. Dies ist gerade dann für eine Fachberaterin wichtig, wenn sie zum ersten Mal diese Tätigkeit ausübt, als Einzelkämpferin unterwegs ist oder durch den eigenen Träger kaum eine Unterstützung erfährt.

Ich empfehle daher die langfristige Weiterführung von Aktivitäten wie Veranstaltungen für Fachberatende, Gründung von Netzwerken für und von Fachberatenden, da sie die Vernetzung auf verschiedenen Ebenen (trägerintern und -übergreifend, auf Landkreisebene, regional, landes- oder bundesweit) und eine Positionierung der Fachberaterinnen und Fachberater voranbringen können.

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 2-2020, S. 33-35


Zu den Aktivitäten des nifbe rund um die Fachberatung siehe auch hier:

Unterstützung und Begleitung der Fachberatung


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