Was bedeutet Partizipation in der Kindertagesbetreuung?

Im folgenden Text geht es um die Frage, was Partizipation von Kindern für den pädagogischen Alltag bedeutet. Nach der Klärung von Begriffen werden verschiedene Dimensionen von Partizipation aufgezeigt.

Partizipation im pädagogischen Kontext

Der Begriff der Partizipation ist komplex und wird in verschiedenen Bereichen unterschiedlich definiert. Ursprünglich stammt der Begriff aus politischen Zusammenhängen und beschreibt ein Grundprinzip der Demokratie. Menschen- und Kinderrechte bilden die universelle rechtliche Grundlage von Partizipation (1) : Die Beteiligung von Kindern bei allen sie betreffenden Angelegenheiten ist für Fachkräfte keine freiwillige Aufgabe, sondern wurde international (in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention), national (im Kinder- und Jugendhilfegesetz §8 SGB VIII) und in vielen Kita-Gesetzen der Länder festgeschrieben (2). Übertragen auf den pädagogischen Kontext behandelt Partizipation unterschiedliche Ansätze. Dabei spielen der Schutz vor allen Formen von Gewalt, die Übernahme von Verantwortung, Werte und Überzeugungen der Erwachsenen und Kinder, die Pflege feinfühliger Beziehungen zwischen Erziehenden und Kindern sowie anerkennende Beziehungen der Kinder untereinander eine entscheidende Rolle.

Kontroversen ergeben sich vor allem hinsichtlich unterschiedlicher Verständnisse von Schutz, Bildungsvermittlung, Entscheidungsfreiheit und Lebensformen im Kita-Alltag und anderen Betreu-ungsangeboten. (1)

In Deutschland existieren und entstehen Partizipationsmodelle, die für den Bereich der frühkindlichen Bildung Strukturen und Verfahren aus der Politik adaptieren und z. B. in Form eines Kinderparlaments umsetzen. Diese Modelle sind beispielhaft, stehen jedoch nicht für frühpädagogische Partizipation insgesamt. (1)

Selbst- und Mitbestimmung von Kindern

Das Kinderrecht auf Beteiligung ist ein Recht aller Kinder von Geburt an. Säuglinge und Kleinkinder nutzen eine andere Art der Kommunikation. Für Erzieherinnen und Erzieher stellt das eine besondere Herausforderung dar, denn der partizipative Umgang ist dann oft gekennzeichnet durch einen „wortlosen“ Aushandlungsprozess zwischen den Bedürfnissen des Erwachsenen und denen des Kindes (3). Partizipation beschreibt auch solche Formen der Beteiligung, bei denen Kinder über Sprache informell an Entscheidungen von Erwachsenen mitwirken und bei alltäglichen Fragestellungen mitbestimmen dürfen. So können Kinder zum Beispiel bei der Planung des Wochenplanes für das Mittagessen mitwirken oder selbst entscheiden, an welchen pädagogischen Angeboten sie teilnehmen oder auch nicht teilnehmen möchten.

Für pädagogische Fachkräfte bedeutet das, eine Haltung zu entwickeln, mit der sie im alltäglichen Zusammensein bewusst darauf achten, Kindern verlässlich und kontinuierlich Rechte auf Selbst- und Mitentscheidung einzuräumen. Kinder können sich nur als eigenständige Subjekte und Mitglieder einer Gemeinschaft erleben, wenn sie die Erfahrung machen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst genommen werden und sie auf die Gruppenprozesse Einfluss nehmen können. Das kann den Umgang mit Grundbedürfnissen wie z. B. Essen und/ oder Schlafen oder auch alltägliche Fragen wie beispielsweise die Beteiligung an Spielangeboten, die Raumgestaltung oder die Teilnahme an bestimmten Projekten betreffen.

Selbstwirksamkeit fördern

Kinder erlernen innerhalb dieser demokratischen Prozesse, dass ihre Stimme gehört wird und dass verschiedene Kinder unterschiedliche Bedürfnisse und Meinungen haben dürfen. Bei Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden, ermöglicht Kindern das Erleben von Selbstwirksamkeit und stärkt ihr Selbstbewusstsein.


Prinzipien der Partizipation

In der Praxis können folgende Prinzipien für die Partizipation von Kindern berücksichtigt werden (5):
  • Prinzip der Information: Kinder müssen wissen, worum es geht.
  • Prinzip der Transparenz: Kinder müssen wissen, wie sie sich verständlich machen können.
  • Prinzip der Freiwilligkeit: Kinder müssen selbst entscheiden dürfen, wie, ob und in welchem Umfang sie von ihren Rechten Gebrauch machen.
  • Prinzip der Verlässlichkeit: Kinder müssen sich auf die Erwachsenen verlassen können.
  • Prinzip der individuellen Begleitung: Kinder müssen von den Erwachsenen individuell begleitet und unterstützt werden.

Reflexion von Macht

Wer Kindern Partizipation ermöglichen will, kommt um eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Macht im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern – aber auch von Kindern untereinander – nicht herum. Auch die Frage der Verteilung von Macht ist in diesem Zusammenhang elementar, z. B. die Frage, wer in Kindertageseinrichtungen die Macht hat (oder haben soll), bestimmte Entscheidungen zu treffen. Nur wenn pädagogische Fachkräfte Bereitschaft zeigen, auf einen Teil ihrer Entscheidungsmacht zu verzichten, wird es möglich, den Kindern Mitbestimmungs- oder Selbstbestimmungsrechte einzuräumen. (5)
Strukturelle Verankerung

Institutionalisierte und strukturell verankerte Beteiligungsformen verlangen eine gemeinsame Positionierung im Team und eine intensive Auseinander-setzung miteinander. Nur Erzieherinnen und Erzieher, die eine Chance haben, ihre eigene Meinung zu vertreten, die sich in das pädagogische Alltags-geschehen einbringen können und sich von den Führungskräften wahrgenommen fühlen, können dies Kindern glaubwürdig vermitteln.




Denkanstoß
Bei Abstimmungsverfahren können Kinder ihre „Stimme“ abgeben und Partizipationserfahrungen machen. Es sind aber ebenso Erfahrungen von Ohn-macht möglich, wenn z. B. die Meinung anderer Kinder mehr Befürwortung findet. Dann ist es wichtig, dass Fachkräfte auch dieses Erleben aufgreifen und besprechen.
Erstrebenswert ist es, mit Kindern einen Konsens zu erarbeiten. Dieser setzt eine kindgerechte Diskussion voraus, in der alle Meinungen und Sichtweisen gehört werden, um dann zu einer gemeinsamen Entscheidung zu finden. (4)





Anmerkungen

(1) Prengel, A. (2016). Bildungsteilhabe und Partizipation in Kindertageseinrichtungen. WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern. Expertise Band 47. München: DJI. https://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/WiFF_Exp_47_Prengel_web.pdf

(2) Knauer, R. & Hansen, R. (2018). Partizipation und Qualität. In V. Pannier & S. Karwinkel (Hrsg.), Was Kinder wollen und warum wir darauf hören sollten. Argumente und Anregungen für eine kindorientierte frühe Bildung. Weimar: das netz.

(3) Regner, M. & Schubert-Suffrian, F. (2018). Partizipation in der Kita. Freiburg: Herder.

(4) Franz, M. (2010). Hauptsache Wertebildung. Mit Kindern Werte erleben und entwickeln. München: Don Bosco.

(5) Hansen, R., Knauer, R. & Sturzenhecker, B. (2015). Partizipation in Kindertageseinrichtungen. So gelingt Demokratiebildung mit Kindern! Weimar: das netz.



Hinweis:

Dieser Text ist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Programms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ durch das nifbe entstanden. Er ist ein Teil des digitalen Sammelordners "Kita-Einstieg Wissen kompakt" mit knappen prägnanten Texten zu diesem Themenbereich und einer Einführung zum Hintergrund.

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