Flüchtlingskinder in Kindertagesbetreuung

Ergebnisse der DJI-Kita-Befragung „Flüchtlingskinder“ zu Rahmenbedingungen und Praxis im Frühjahr 2016

Unter der großen Zahl der 2015 und in den Vorjahren neuzugewanderten Menschen waren auch viele Kinder im Vorschulalter. Ihnen wurde in der öffentlichen Debatte vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit zuteil. In der fachwissenschaftlichen und fachpolitischen Debatte zur Kindertagesbetreuung wurde das Thema Flüchtlingskinder hingegen spätestens seit dem Frühjahr 2015 intensiv aufgegriffen. Die Anforderung der Integration einer hohen Zahl von Flüchtlingskindern hat auf Seiten der Einrichtungen und Träger viel Engagement, aber auch erhebliche Sorge ausgelöst – zumal das Thema nicht nur die „migrationserprobten“ Großstädte betraf, sondern auch Regionen und Gemeinden, für die es bislang ungewohnt war, Kinder mit Flucht- oder Migrationshintergrund aufzunehmen. Viele Kommunen, Träger und Fachkräfte sahen eine Herausforderung auf sich zukommen, die sich zu diesem Zeitpunkt weder im Umfang noch in der Intensität einschätzen ließ.

Momentaufnahme in unüberschaubarer Situation

Das Deutsche Jugendinstitut nahm im Rahmen der Nationalen Bildungsberichterstattung die unüberschaubare Situation Ende 2015/Anfang 2016 zum Anlass, zwischen Januar und März 2016 eine bundesweite Befragung unter mehr als 3.600 Kindertageseinrichtungen durchzuführen. Sie sollte eine erste Orientierung geben, ob und in welchem Umfang Flüchtlingskinder bereits in den Kitas angekommen waren und welche Erfahrungen im Zuge ihrer Aufnahme und Betreuung gemacht wurden. Unter anderem wurde gefragt, wie sich der Zugang von geflüchteten Kindern in die Kitas gestaltet, wie sich die Kitas auf Flüchtlingskinder einstellen und auf welche Unterstützung sie dabei zählen können. Bis zum heutigen Zeitpunkt liegen zu diesen Fragen lediglich punktuelle Informationen vor. Es versteht sich von selbst, dass angesichts der Dynamik der Flüchtlingsbewegung die in diesem Bericht präsentierten Ergebnisse eine Momentaufnahme darstellen und die Entwicklung seither weiter vorangeschritten ist. Dennoch kann und will der Bericht Hinweise geben, wie förderliche Rahmenbedingungen für ein gutes Ankommen und eine gelingende Integration geflüchteter Kinder in den Kitas gestaltet werden können.


Die Ergebnisse im Überblick

  • Flüchtlingskinder kommen in der Kita an: Mehr als ein Drittel der befragten Kitas betreuen im Frühjahr 2016 Flüchtlingskinder.
  • Mehrheitlich werden in diesen Kitas ein bis zwei Kinder betreut. Viele Einrichtungen haben dabei erst seit kurzer Zeit Erfahrung mit Flüchtlingskindern.
  • Als häufigsten Grund dafür, dass (noch) keine Flüchtlingskinder in der Einrichtung betreut werden, geben Kitas eine bisher fehlende Nachfrage vor Ort, aber auch einen Mangel an Plätzen an.
  • Geflüchtete Familien finden selten ohne Unterstützung den Weg in die Kita. Häufig sind bei der Aufnahme der Kinder neben den Eltern noch dritte Personen beteiligt. Wichtige Akteure sind hier Ehrenamtliche, aber auch Kommunen bzw. Jugendämter sowie die Flüchtlingssozialarbeit.
  • Die Kitas werden nicht automatisch von Jugendamt oder Träger zur Aufnahme verpflichtet: Die Hälfte der Kitas hat eigenständig und ohne externe Vorgaben ein bzw. mehrere Flüchtlingskinder aufgenommen.
  • Unflexible Aufnahmeregelungen können Zugangsbarrieren für geflüchtete Familien darstellen.
  • Kitas erleben eine hohe Planungsunsicherheit, was die (weitere) Aufnahme von Flüchtlingskindern betrifft.
  • Die Aufnahme von Flüchtlingskindern erfolgt – in Abhängigkeit der jeweiligen Landesregelung – meist unter „normalen“ Rahmenbedingungen. Die Kitas stoßen jedoch in ihren Personalressourcen auch an Grenzen: Nicht immer kann der Personalschlüssel eingehalten werden.
  • In den meisten Einrichtungen arbeitet das vorhandene Personal mit den Flüchtlingskindern. Eine Minderheit hat zusätzliches Personal zur Verfügung.
  • Die Mehrheit der Kitas hat Kontakt zu den Eltern der betreuten Flüchtlingskinder.
  • Mehr als die Hälfte der Kitas berichtet von Hürden in der Zusammenarbeit mit den Eltern. Neben Sprachbarrieren sind dies vor allem Unsicherheiten auf Seite der Eltern, aber auch auf Seite des Kita-Personals.
  • Als hilfreich für die Elternarbeit erweist sich neben entsprechender sprachlicher Unterstützung auch der Einbezug von Vertrauenspersonen der Eltern.
  • Das Feld hat rasch reagiert: ein Großteil der Kitas erfährt Unterstützung für die Betreuung von Flüchtlingskindern. Sie erfolgt am häufigsten auf sprachlicher Ebene, aber auch durch Fortbildungen sowie durch die Bereitstellung von Informationen und durch klare Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen.
  • Jedoch bedarf es weiterer Unterstützung, vor allem durch zusätzliches Personal, durch mehr Dolmetscherpersonal, aber auch durch verbesserte Information. Auch in pädagogischen Fragen wünscht sich manche Kita noch Unterstützung.
  • Eine wichtige Unterstützungsquelle sind neben den regulären Strukturen der Träger und Kommunen ehrenamtlich Engagierte.
  • Zwar kommt auch ein Teil der Kitas mit Flüchtlingskindern gut mit den verfügbaren Ressourcen zurecht. Gleichzeitig nimmt allerdings der Unterstützungsbedarf der Kitas mit zunehmender Zahl an zu betreuen-den Kindern zu.
  • Etwas weniger als die Hälfte der Kitas mit Flüchtlingskindern kooperiert mit externen Partnern.
  • Am häufigsten arbeiten Kitas dabei mit ehrenamtlichen Initiativen zusammen, auch mit der hauptamtlichen Asylsozialarbeit, aber nur wenig mit Fachkräften der Psychotherapie.
  • Rund ein Viertel der Kitas beteiligt sich an lokalen Netzwerken, die in der Flüchtlingsarbeit entstanden sind.


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