Wie werden wir ein Team?

Über Teambildung und Teamentwicklung

Ein Team trägt maßgeblich zur Qualität einer Kita bei. Doch wie kann gute Zusammenarbeit gelingen? Bei einem neu gebildeten Team besteht zunächst die Aufgabe der Teambildung und, wenn diese gefestigt ist, der Teamentwicklung. In diesem Beitrag werden Hintergründe und Übungen vorgestellt, die Teambildung und -entwicklung unterstützen.

Träger Z. hat sich entschlossen in einer Großstadt eine neue Tageseinrichtung für Kinder zu errichten. Ein Haus wird umgebaut und renoviert, es ist hell. In Kürze werden Kinder in ausreichender Anzahl angemeldet. Die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung scheint abgesichert zu sein. Am Eröffnungstag finden sich morgens um 8 Uhr die neue Leiterin, neue Mitarbeiterinnen, neue Eltern und neue Kinder ein. Die Eltern werden begrüßt, die Kinder auf die Gruppen aufgeteilt, die pädagogischen Fachkräfte gehen in ihre jeweiligen Gruppen. Alle wirken etwas unsicher, sie sind einander fremd. Die Erzieherinnen wissen voneinander lediglich, dass sie aus verschiedenen Regionen kommen. Einige sind aufgrund ihrer Einstellung in die Großstadt gezogen. Vielleicht wurde sogar eine zeitweilige Trennung von der eigenen Familie in Kauf genommen. Es bleibt den Erzieherinnen lediglich Zeit, einander die Vornamen mitzuteilen. Dann beginnen sie mit der Arbeit mit den Kindern. Trotz guter Motivation bei allen bleibt über einen längeren Zeitraum das Gefühl des Fremdseins bei den pädagogischen Fachkräften. Die Kinder spüren diese Grundstimmung. Nach drei Monaten kündigt die erste Fachkraft. In den folgenden Monaten kündigen weitere Mitarbeiterinnen und werden immer wieder neue durch Kolleginnen ersetzt.

Dynamik der Gruppenbildung

Die Gründe dieser Kündigungen lassen sich verstehen, wenn man einen Blick auf die Dynamik einer Gruppenbildung wirft. Die Bildung einer Gruppe setzt einen dynamischen Suchprozess voraus, in dessen Verlauf die einzelnen Menschen miteinander in enge soziale Interaktion treten. Diese enge Interaktion muss aufeinander bezogen sein, nicht ausschließlich auf Dritte. Zur Gruppenbildung gehört die Entwicklung gemeinsamer Normen und Ziele sowie ein verlässliches Rollensystem und ein Wir-Gefühl (Wellhöfer 2012, S. 20). Lewin (1963) fasst eine Gruppe als eine dynamische Ganzheit auf, die durch wechselseitige Abhängigkeit ihrer Glieder oder Teilbereiche gekennzeichnet ist.

Das Wir-Gefühl

Das Wir-Gefühl, das Gefühl zueinander zu gehören, lässt sich nur erreichen, wenn der Gruppe Zeit gelassen wird, einander umfassend kennen zu lernen und tragfähige Erfahrungen miteinander zu erleben. So entwickelt sich eine tragfähige Gruppenkohäsion. Das affektive Teilen der eigenen inneren Welt mit anderen und das anschließende Angenommen-Werden scheinen das Allerwichtigste für die Gruppenkohäsion zu sein (Yalom 1989, S. 63). In der Arbeit mit Menschen sind hierbei u. a. ethische Grundhaltungen, die wechselseitige Kenntnis der angewandten Pädagogik, die Entwicklung gegenseitigen Vertrauens, die Bereitschaft, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, die Bereitschaft, einander wahrzunehmen und miteinander zu kooperieren und ein tragendes Verantwortungsgefühl für die Einrichtung notwendig.

Eine Hinwendung zu Dritten (den Kindern in der Kita) ist nur möglich, wenn sich die Mitarbeiterinnen mit sich selber und miteinander im Team sicher fühlen. Ein Team lässt sich dabei als spezielle Gruppe verstehen, bei der die Teilnehmer zusammenarbeiten und ihre Kompetenzen miteinander verbinden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Gellert/Nowak 2004, S. 23). Die Kompetenzen beziehen sich sowohl auf fachliche als auch persönlichkeitsspezifische Aspekte (z. B. mehrere Berufe, Fortbildungen, Musikalität). In manchen Teams wird erst im Verlaufe von teaminternen Fortbildungen bekannt, dass Mitarbeiterinnen mehrere Sprachen beherrschen oder der Beruf aufgrund des frühen Todes eines Bruders ergriffen wurde. Es ist verständlich, dass der Schutz dieser Erfahrung gewahrt sein muss, die Offenbarung freiwillig erfolgen sollte und nicht unter einem wie auch immer gearteten Gruppendruck erzwungen wird und unabsehbare Schädigungen des Vertrauens hervorruft.

Ein Blick unter die Oberfläche

Das Kennenlernen in einem neu gebildeten Kollegium, der Grundstein zu einer konstruktiven Teamentwicklung, kann durch die Verwendung von soziometrischen Übungen angeregt werden. Die Soziometrie zielt darauf ab, die Tiefenstruktur von menschlichen Systemen in einer Momentaufnahme sichtbar zu machen und zu erörtern, welche mitschwingenden Beweggründe, Dynamiken und Lebenserfahrungen in diesen zum Tragen kommen. Der Grundgedanke der Aktionssoziometrie besteht darin, die Beziehungsstrukturen durch Positionierung realer Personen räumlich sichtbar zu machen (Ameln et al. 2009, S. 251). Soziometrische Fragestellungen zielen darauf ab, ein Team unter verschiedenen Aspekten aufzustellen, Neugier zu entfachen und das Team in Kontakt zu bringen.

Übungen: In Kontakt kommen

1. Woher kommst du?

Die Mitarbeiterinnen werden gebeten, sich im Raum zu verteilen und zu zeigen, aus welchen Regionen sie kommen. Die Fragestellung wird bei teaminternen Fortbildungen (Teamtagen) oft spontan ergänzt durch eine Differenzierung: „Ich komme aus dem Ruhrgebiet, wohne aber schon lange in K. und bin wegen dieser Stelle nach N. gezogen.“

Durch diese Ausdifferenzierung lassen sich schnell unterschiedliche Gruppen zusammenstellen. Das Zusammenstehen in Gruppen ruft nicht selten Überraschung hervor und einen ersten Moment der Vertrautheit (wie z. B. „Oh, es kommen aber viele von uns aus dem Ruhrgebiet. Das hätte ich nicht gedacht.“). Durch soziometrische Übungen entstehen spontane Gespräche, entwickelt sich eine forschende Neugier, entstehen den Kontakt fördernde Anschlussfragen.

2. Lebenswege

Fällt bei der Übung „Woher kommst du?“ die Bemerkung, früher einmal in einem Büro gearbeitet zu haben, lässt sich dies sofort in eine Gruppenfrage umwandeln: „Wer von Ihnen hat eine weitere Ausbildung?“ Die Gruppe teilt sich nun auf in Teilnehmerinnen, die von Beginn ihrer Berufskarriere Erzieherinnen sind, und andere, die über eine früher abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Die Frage lässt sich auch vertiefen: „Handelt es sich bei den Berufen um soziale Berufe oder Berufe aus einem ganz anderen Tätigkeitsbereich?“

Der Hinweis auf soziale Berufe kann Vertrautheit hervorrufen. Die Nennung völlig anderer Berufe kann Neugier auf das andere aufkeimen lassen. Wie schauen Menschen aus einem anderen Arbeitsbereich auf die pädagogische Arbeit mit Kindern? Was hat die Kollegin motiviert, ihren früheren Beruf aufzugeben und Erzieherin zu werden?

3. Kompetenzen

Angelehnt an die Frage der Berufsausbildungen kann die Schulbildung erörtert werden. In Teams kann es Erzieherinnen mit unterschiedlichen Schulabschlüssen geben. Eine Leiterin, die erfährt, dass in ihrem neuen Team drei Erzieherinnen über die allgemeine Hochschulreife verfügen, mag aufmerken. Eignen sie sich zur eigenständigen Planung und Durchführung von Projekten? Können sie eigenständig eine thematische Literaturrecherche durchführen, Literatur sichten und neue Ideen und neuestes Fachwissen ins Team einbringen? Neben den Schulabschlüssen können hier auch allgemeine Kompetenzen erfragt werden, z. B. mit welchen Themenbereichen beschäftigt sich der einzelne Mitarbeiter (Musik, Literatur, Sportarten) und was kann davon in der Zusammenarbeit genutzt werden?

4. Interkulturelle Kompetenz

Die Frage nach Mehrsprachigkeit („Wer von Ihnen spricht zwei oder mehrere Sprachen?“) kann überraschende Ressourcen und Lebenshintergründe offenbaren („Ich spreche Deutsch und Spanisch, habe in Frankreich gelebt und mein Mann kommt aus Belgien.“) und Hinweise auf gelebte kulturelle Offenheit geben („Unsere Kinder lernen Deutsch und Französisch und wir fahren regelmäßig zu den Großeltern nach Spanien. Sie können sich mit ihren Großeltern recht gut verständigen.“). Die zögerliche Frage, ob Dialekte als eigene Sprache genannt werden dürfen, kann als Wunsch verstanden werden, dass die eigene sprachliche Identität geachtet werden möge („Wenn ich hier die einzige bin, die Fränkisch redet, bin ich dann bei den vielen Leuten aus dem Ruhrgebiet eine Fremde? Muss ich mich hier auf eine Außenseiterrolle gefasst machen?“).


Der Zauberladen
Beim Zauberladen werden keine materiellen Gegenstände, sondern spezielle Fähigkeiten, wie z. B. Geschicklichkeit, Zielstrebigkeit, Nachdenklichkeit, Talente, Gefühle und soziale Fähigkeiten, wie z. B. Mut, etwas offen anzusprechen oder Zurückhaltung im richtigen Moment, getauscht.
Zunächst erhält jede der Mitarbeiterinnen die Gelegenheit, sich persönlich unter Zuhilfenahme von Symbolen vorzustellen. Die Symbole signalisieren die speziellen und sozialen Fähigkeiten und werden auf einem kleinen Tisch ausgelegt. Die Tische können in einem Raum stehen, aber auch auf die gesamte Kita verteilt sein. Die gesamte Gruppe wandert von einem Tisch zum anderen. Jede/r der Mitarbeiter/innen erklärt ihre/seine Symbole und deren Bedeutung. Was offenbart wird und was erst einmal für sich behalten wird, bestimmt jeder für sich selber.
So kann z. B. ein Terminkalender für Termindruck stehen, ein Baum für neue pädagogische Ideen oder Projekte, verschiedene Figuren für die Herkunftsfamilie, wenn diese für den Beruf wichtig ist, und eine kleine Hängematte für die Fähigkeit, zu entspannen. Unter einem Tuch können sich Fähigkeiten verstecken, die im Beruf noch nicht zum Tragen kamen. Die Selbstwahrnehmung der Teilnehmer kann durch die Fremdwahrnehmung der anderen ergänzt werden. Diese sind berechtigt, fehlende Fähigkeiten zu ergänzen (z. B. ein Symbol für schnelle Auffassungsgabe oder ein Symbol für ein Projekt).
Im Anschluss an die Vorstellung können Fähigkeiten miteinander ausgetauscht werden. So kann eine Mitarbeiterin, die oft ein wenig zu schnell handelt, einen Teil ihrer schnellen Auffassungsgabe gegen einen Teil Gemächlichkeit bei einer anderen Mitarbeiterin eintauschen. Das Aushandeln kann den vertrauensvollen Kontakt untereinander fördern. Zur Vertiefung können die Kolleginnen miteinander kleinere gemeinsame Projekte erarbeiten, bei denen sie die neue Verteilung der Fähigkeiten umsetzen (z. B. gemeinsames Elterngespräch).


Teamrollen beweglich halten

Eine bewusste Wahrnehmung der Anderen und eine bewusste Selbstreflektion („Wie wirke ich auf dich, dass du dich zeigst, wie du dich zeigst?“) sorgen dafür, dass Menschen in ihren Rollen im Team beweglich und lebendig bleiben und dies im Umgang des Teams untereinander und im Kontakt mit den Kindern sichtbar wird. Teamrollen können aber auch erstarren und die ihnen innewohnende Lebendigkeit verlieren. Eine neue Leiterin, die viel Kraft darauf verwendete, zum Wohle des Teams die Leitungsrolle schnell kompetent auszufüllen, verzichtete auf das ihr wohl vertraute Musikspiel mit den Kindern, das ihr bislang viel Kraft und Lebensfreude spendete. Teamrollen können durch eine bewusste Entscheidung geformt werden: „In diesem Team bin ich die zögernd nachdenkende Kollegin.“ Andere Teamrollen sind z. B. „die Kämpferin“, „die Spontane“, „das Teamgedächtnis“. Das Team kann eine eigene Rollenzuschreibung, die unstimmig erscheint, sanft korrigieren.

Während die Kollegin ihr spontanes Handeln, eine Vielzahl fachlicher Ideen, die blitzschnell in ihr auftauchten und aus ihrer Sicht mühsam geordnet werden mussten, als anstrengend erlebte, wurde sie im Team als „Wahrerin einer hohen Qualität“ wahrgenommen und erhielt die neue Bezeichnung „die schnelle Denkerin“. Diese Umdeutung war für die pädagogische Fachkraft überraschend, emotional bewegend und stärkte ihr persönliches Empfinden für die Zugehörigkeit zum Team.

Eine Veränderung der Teamrolle gelingt nur, wenn eine persönliche Motivation einer pädagogischen Fachkraft besteht und dies vom Team auch mitgetragen wird. Außenseiterrollen werden eher selten über einen längeren Zeitraum hinweg als wohltuend angesehen. So wird es z. B. eine eher rationale Leiterin in einem Team schwerhaben, das über Jahrzehnte hinweg von einer mütterlich nährenden Leiterin verwöhnt wurde, die das Team in einer liebevollen Abhängigkeit hielt.

Leitfragen für eine Rollenreflexion und Rollenentwicklung könnten u. a. sein:
  • Welches Verhalten ist typisch für mich?
  • Welche typischen Verhaltensweisen biete ich an?
  • Bei welchen Verhaltensweisen anderer reagiere ich auf eine eingefahrene Art und Weise?
  • Mit welchen Verhaltensweisen kann ich meine Rolle positiv verändern?
  • Wie halten Teammitglieder einander in ihren typischen Rollen fest?
  • Wie reagiert das Team auf leichte Verhaltensänderungen?
  • Wie können Rollen nicht starr festgeschrieben, sondern verändert werden?

Selbstsorge und Teamentwicklung

Teamentwicklung zielt darauf ab, die Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit in Teams zu verbessern. Hierzu gehören u. a. die Verbesserung der Rollen im Team, die Stärkung der gegenseitigen Unterstützung und die Verbesserung der Kommunikation. Kleine Veränderungen können dabei Wellen längerfristiger Umgestaltungen in Bewegung bringen, wenn sie im Team auf Resonanz stoßen. Wenn eine Leiterin beginnt, achtsam und sorgsam mit sich umzugehen, bedarf sie der Unterstützung durch das Team. Eine Leiterin, die sorgsam mit sich umgeht, setzt neue Maßstäbe und wirkt als erlaubendes Modell für Selbstsorge. In längerfristigen Prozessen der Teamentwicklung lässt sich sehr schön beobachten, wie einzelne pädagogische Fachkräfte die Idee der Selbstsorge aufgreifen und in ihrem Wirkungsbereich schöpferisch umsetzen. Bisweilen entsteht in Teams eine belebende „positive Konkurrenz“, Selbstsorge im beruflichen Alltag einzupflegen und das neu erworbene Wissen miteinander zu teilen.

Literatur

  • Ameln von, Falko/Gerstmann, Ruth/ Kramer, Josef: Psychodrama. Springer Verlag, 2009
  • Gellert, Manfred/ Nowak, Claus: Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung: Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams. Christa Limmer Verlag, 2004
  • Lewin, Kurt: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Huber Verlag, 1963
  • Wellenhöfer, Peter R.: Gruppendynamik und soziales Lernen. Theorie und Praxis der Arbeit mit Gruppen. UVK Verlag, 2012
  • Yalom, Irvin D.: Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie. Ein Lehrbuch. Leben lernen. Band 66. Pfeiffer Verlag, 1989

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus klein&groß 11-2016, S. 8-11


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