Sprache und sozial-emotionale Entwicklung (Review)

In welchem Zusammenhang steht der Erwerb sprachlich und sozial-emotionaler Kompetenzen in der frühen Kindheit? Dieser Frage sind Elisabeth Rose, Susanne Ebert und Susanne Weinert in einer längsschnittlichen Untersuchung mit Kindern vom vierten bis zum achten Lebensjahr nachgegangen und stellen ihre Ergebnisse in Frühe Bildung 2-216 vor.

Dass soziale Interaktionen einen wesentlichen Einfluss auf die Sprachentwicklung haben liegt auf der Hand und ist unter anderem schon von Tomasello (1992) bestätigt worden. Andersherum ist auch eine Wirkung der sozial-emotionalen Entwicklung auf die Sprache anzunehmen, wurde aber, wie das Autorenteam feststellt, bisher wenig systematisch untersucht. Empirisch zeigten sich sprachliche Einschränkungen in der frühen Kindheit jedoch als „prädiktiv für die Ausbildung emotionaler Störungen und für Verhaltensauffälligkeiten im Grundschulalter (ebd. S. 66).

In ihrer Studie analysierte die Forschergruppe nun die „Wirkzusammenhänge zwischen sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und verschiedenen behavioralen und affektiven Komponenten sozial-emotionaler Entwicklung“ (ebd.). Im Fokus standen bei der sozial-emotionalen Entwicklung der kooperative Umgang mit Anderen, das aggressive Verhalten und die emotionale Selbstregulation.

Die Daten zu der Studie wurden im Rahmen der Längsschnittstudie BikS 3-10 („Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter“) erhoben, Messzeitpunkte waren der Eintritt in den Kindergarten und das Ende der Schulklasse. Daten liegen zu 532 Kindern zu Beginn und zu 492 bzw. 442 Kindern zum Ende der Untersuchung vor.

Im Bereich Sprache wurden der rezeptive Wortschatz und das Grammatikverständnis erfasst. Die oben angeführten drei Aspekte sozial-emotionaler Kompetenzen wurden von Eltern und ErzieherInnen bzw. LehrerInnen anhand eine vierstufigen Skala beurteilt. Kontrollvariablen bildeten der familiäre sozioökonomische und sprachliche Hintergrund, das Geschlecht sowie die non-verbalen kognitiven Fähigkeiten der Kinder.

Frühe Sprachkompetenz wirkt auf sozial-emotionale Entwicklung

Im Ergebniss fand die Forschergruppe heraus, dass „die frühe Sprachkompetenz statistisch bedeutsam für Entwicklungsveränderungen im kooperativen Umgang mit Anderen [...], in der emotionalen Selbstregulation und im aggressiven Verhalten“ (ebd. S. 70) ist. Sie können, so die Schlussfolgerung, sogar „deren Entwicklungsveränderungen, genauer; die Veränderung interindividueller Unterschiede zwischen drei und sieben Jahren vorhersagen“ (ebd.) Umgekehrt aber sind frühe sozial-emotionale Kompetenzen „nicht prädiktiv für die sprachliche Entwicklung der Kinder im Alter zwischen drei und sieben Jahren“ (ebd.).

Ihre Ergebnisse erklären sich die AutorInnen damit, dass ein gutes Sprachverständnis zu weniger Missverständnissen und daraus entstehenden Konflikten führt und dass bessere sprachliche Fähigkeiten den Kontakt mit Gleichaltrigen erleichtern und durch einen positiven Umgang mit Peers die späteren sozial-emotionalen Kompetenzen verbessern. Sprachförderprogramme könnten vor diesem Hintergrund auch „einen wichtigen Ansatzpunkt in der Prävention sozial-emotional unangepassten Verhaltens und in der Förderung des sozialen Miteinanders, beispielsweis im KiTa- oder Klassenkontext, bieten.“ (ebd. S. 71)


Zum Beitrag in Frühe Bildung 2-2016 (kostenpflichtig)




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