Theorie-Praxis Bezug als sozialdidaktische Aufgabe

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Einleitung
  2. 2. Bestandsaufnahme
  3. 3. Dekonstruktion der Lernfelder
  4. 4. Theorie-Praxis-Bezug
  5. Konklusion
  6. Fazit

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4.    Theorie-Praxis-Bezug: Welche Theorie? Welche Praxis?

Sowohl der Theorie-Praxis-Bezug der Lernfelder als auch die (sozial-) didaktische Forderung nach einem (Doppelten) Theorie-Praxis-Bezug wirkt vertraut und fast selbstverständlich. Jedoch bleibt offen, um welche Theorie und um welche Praxis es sich handelt.

Wissenschaftstheoretisch bzw. soziologisch kann Theorie – stark verkürzt - mit „Schau“, „Betrachtung“ (Thiel 1996:260) oder als „empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. überprüfbare Aussage“ (Sahner 2002: 609) beschrieben werden. Eine umfassendere Definition könnte sein:

„[…] in der neuzeitlichen Grundbedeutung Bezeichnung für ein (im allgemeinen hochkomplexes) sprachliches Gebilde, das in propositionaler oder begrifflicher Form die Phänomene eines Sachbereiches ordnet und die wesentlichen Eigenschaften der ihm zugehörigen Gegenstände und deren Beziehungen untereinander zu beschreiben, allgemeine Gesetze für sie herzuleiten sowie Prognosen über das Auftreten bestimmter Phänomene innerhalb des Bereiches aufzustellen ermöglicht.“ (Thiel 1996:260)

Letztere Definition ermöglicht eine sozialdidaktische Handhabung, da sie sowohl Gegenstände und deren Beziehungen zueinander beschreibt, als auch Gesetzmäßigkeiten bzw. Prognosen beinhaltet, die produktiv für die Arbeit nutzbar sind.

Ausgewählte wissenschaftliche Definitionen von Praxis weisen ähnliche Merkmale auf: beschreibt Sahner (2002:413) Praxis als „Gesamtheit der menschlichen Handlungen“, oder Demmerling (1995:336) diese als „tätige Auseinandersetzung des Menschen mit der ihn umgebenden Wirklichkeit“ so ist dies zwar nicht falsch aber relativ abstrakt für die Diskussion um die ErzieherInnenausbildung. Es handelt sich bei der ErzieherInnenausbildung, anders als bei den neueren Kindheitspädagogischen Studiengängen, um eine Breitbandausbildung, die für das gesamte Feld und punktuell auch für andere Bereiche z.B. den „Tourismus“ qualifizieren soll (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2002: 12).

Innerhalb der niedersächsischen Lernfelder, die curricular/didaktisch diese Qualifizierung realisieren helfen sollen, sind verschiedene Theoriefragmente integriert, z.B. der Lebensweltbezug bzw. die -orientierung, Sprachaneignung, Entwicklungspsychologie, etc. Neben der Tatsache, dass die Theoriefragmente auf der Grundlage der Arbeit der Kommissionsmitglieder entstanden, was bedeutet, dass es eine Subjektivität innerhalb der Konstruktionsprozesses der Lernfelder gab, musste zusätzlich auf aktuelle (berufspolitische) Themen eingegangen bzw. diese integriert werden (z.B. Sprachförderung). So ist die Theorienauswahl, die durch die Addition innerhalb der Lernfelder einen Kanon-Charakter aufweist, bewusst für ein breites Feld, getroffen worden.

Die Ergebnisse des oben genannten Projektes zeigen u.a., dass die interviewten LehrerInnen mit dem Arbeiten in und mit den Lernfeldern an sich zufrieden sind:

 „Ja, die eindeutige Stärke ist ja, die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, im Lernfeldkonzept, die dadurch stärker eingefordert wird durch die Lernsituationen, die von denen man ausgeht. Das denke ich, ist die für mich stärkste Stärke.“ (LK 1, Z. 126-130)

Jedoch wird auch der Theorieverlust durch den (ständigen) Bezug zu Lernsituationen konstatiert:

„(…) uns fehlt die Theorie. Also wir finden es schwieriger jetzt die ganzen Grundlagen auch zu unterrichten, weil es immer so sehr auf die Lernsituationen ausgerichtet ist, was eben immer wieder die Frage aufwirft ja und was habe ich jetzt davon und was mache ich jetzt? (…) Also ne Auseinandersetzung mit Theorien fällt unsern Schülern deutlich schwerer (…)“ (LK 1, Z. 231-237)

Die Aussage, die zwar nur exemplarische Reichweite aufweist, deutet auf eine Schwierigkeit hin, die das didaktische Handeln, hin auf Lernsituationen, mit sich bringen kann. Die Theorie wird exemplarisch so verkürzt, dass sie im „Schatten“ der praktischen Anwendungssituation steht.

Zwar kann dass Lernen und das Kombinieren und Reflektieren von Theorie auf eine beschriebene Praxissituation hin, eine Hilfe sein, die verlangte Handlungskompetenz zu imaginieren und theoretisch zu reflektieren, jedoch bleibt es ein künstliches Theorien-Anwenden.

Dies vor dem Hintergrund, dass Krüger&Dittrich bereits deutlich machen, dass es nicht die eine Theorie für die Sozialpädagogik gibt/ geben kann und stattdessen die Theorien mit Praxiseindrücken reflektiert werden sollen (vgl. Krüger& Dittrich 1982: 328-329).

Um diese Theorie-Praxis-Verzahnung zu realisieren sind in die ErzieherInnenausbildung Praxiselemente vorgesehen, damit die ErzieherInnen in Ausbildung sich die Praxis aktiv erschließen:

  •  Praxis wird anhand von Beispielen konstruiert/ imaginiert
  • Aufgaben werden z.B. in den Praktika in der Praxis erprobt und in der Schule reflektiert (z.B. Beobachtung& Videografie)
  • Es werden Exkursionen in Praxiseinrichtungen bzw. angrenzenden Feldern/ Institutionen gemacht
  • Personen aus der Praxis werden in den Unterricht eingeladen

Diese Theorie-Praxis-verbindenden Elemente sind zwar ein bereits konstatierter Fortschritt, jedoch bleibt es größtenteils bei einer theoretischen „Besprechung“ der Praxis.

Was die direkte Ausbildung in den Praxiseinrichtungen angeht, gibt es einige Punkte, die genauer zu berücksichtigen sind, da sie inhaltliche Unbestimmtheiten aufweisen. So ist nicht einheitlich geklärt, wer mit welchen Qualifikationen und Kompetenzen in der Praxis anleitet, welche Aufgaben zu bearbeiten sind, wie die Bewältigung der Praxis reflektiert wird, und was mit dem so erlangten Wissen gemacht wird.

Generell ist in dieser Diskussion wichtig, dass Praxis sich selbst als Ausbildungsort versteht und auch von außen dafür wertgeschätzt wird (vgl. Müller 2011), da sie anleitend, orientierungsgebend und berufssozialisierend wirkt (vgl. Karsten 2003:361) und damit Einfluss auf die weitere persönliche und pädagogische Entwicklung der Fachkräfte nimmt. In diesem Kontext sind die Qualitätsmerkmale der Obersten Landesjugendbehörden zu berücksichtigen, die sowohl die enge Kooperation zwischen den Lernorten Schule und Praxis bzgl. der Ausbildung von SchülerInnen fordern, und auch von den Trägern der Einrichtungen erwarten, dass der Zusammenhang von Qualitätssicherung und der Nachwuchsförderung ausgestaltet wird, sowie darüber hinaus auch u.a. durch Fort- und Weiterbildung und Fachberatung die MentorInnen für Ihre anleitende Tätigkeit qualifiziert (vgl. JMK 2001: 5-6).

Zukunftsweisend und nötig wäre eine Anerkennung der Qualifizierung zur Anleiterin, dadurch dass zum Beispiel Credit Points vergeben werden, die für ein mögliches (evtl. berufsbegleitendes) Studium der Frühkindlichen Bildung oder der Sozialpädagogik o.ä. angerechnet werden können und so zu einer direkteren Durchlässigkeit im Feld führt. Nachdem die zukünftigen Anforderungen an die Praxis beschrieben wurden, wird nun aufgezeigt, wie Theorien auf Praxis bezogen erlernt und reflektiert werden können.

 



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