Krippen-Qualität und sprachliche Entwicklung

Teilauswertung der NUBBEK-Studie veröffentlicht

Im Unterschied zu anderen, insbesondere angelsächsischen Ländern, gab es in Deutschland lange Zeit keine breite empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.e Untersuchung zur Qualität der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertagesstätten. Mit der von 2010 bis 2012 durchgeführten NUBBEK-Studie liegt die erste bundesweite Erhebung vor, die die Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindergärten und Krippen sowie in altersgemischten Gruppen, in Tagespflegestellen und Familien systematisch analysiert – und zwar auch im Vergleich zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden in acht Bundesländern zwei- und vierjährige Kinder, ihre Familien und ihre Betreuungseinrichtungen in die Untersuchung einbezogen. Dabei besuchten die Forscher rund 2000 Kinder und ihre Familien und begutachteten die pädagogische Arbeit in annähernd 600 Betreuungseinrichtungen. Neben mehrstündigen Beobachtungen wurden Tests mit Kindern und ausführliche Interviews mit Eltern und Fachpersonal durchgeführt sowie der Bildungs- und Entwicklungsstand der betreuten Kinder erfasst. Für die institutionelle Betreuung für unter dreijährige zeichnet die Studie dabei ein ernüchterndes Bild: Weniger als 5% aller Einrichtungen liegen in einem sehr guten Bereich und rund 10% sogar im Bereich unzureichender Qualität.

Aus den gewonnenen empirischen Daten heraus nahmen  Kathrin Beckh, Daniela Mayer, Julia Berkic und Fabienne Becker-Stoll nun den Einfluss der Einrichtungsqualität auf die sprachliche und sozial-emotionale Entwicklung von zweijährigen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in den Blick (vgl. Frühe Bildung, 3(2), S. 73 -81). Es wird dabei unterschieden zwischen Kindern, die ausschließlich oder fast ausschließlich familiär betreut werden und Kindern, die mehr als 15 Stunden pro Woche eine Krippe oder altersgemischte Kindereinrichtung besuchten.

Kompensationseffekt der Krippe?

Aus vorangegangenen internationalen Studien wie der NICHD resümieren die Autorinnen, dass bei ausgezeichneter institutioneller Betreuungsqualität eine nicht ideale Betreuungsqualität in der Familie kompensiert werden könne. Andersherum könne sich aber eine niedrige institutionelle Betreuungsqualität zusätzlich negativ auswirken. Grundsätzlich scheinen Kinder mit Migrationshintergrund stärker durch die Qualität außerfamiliärer Betreuung beeinflusst zu werden.

Mit verschiedenen Skalen, Tests, Assesments und Checklisten (vgl. ebd. S. 76) wurden für die deutsche Studie nun folgende Aspekte erhoben:

  • Pädagogische Qualität in den Krippengruppen
  • Rezeptiver Wortschatz in Deutsch
  • Sozial-emotionale Entwicklung
  • Problemverhalten der Kinder
 

Sprachbad alleine reicht nicht

In Analogie zu den internationalen Studien zeigte sich auch mit der NUBBEK-Studie, dass Kinder mit Migrationshintergrund stärker durch die Betreuungsform und –qualität beeinflusst werden als solche ohne, bei denen der familiäre Einfluss ausschlaggebend ist. Kindertageseinrichtungen mit sehr hoher Qualität wirken sich so über den Einfluss der Familie hinaus positiv auf die sprachliche Entwicklung von Kindern mit Migrationshintergrund aus. Keine Effekte in dieser Hinsicht konnten jedoch bei KiTas mit niedriger oder mittlerer Qualität verzeichnet werden. „Dies bedeutet“, so die Autorinnen, „dass alleine der tägliche mehrstündige Kontakt mit der deutschen Sprache alleine noch nicht ausreichend ist, Kinder in ihrer deutsch-sprachlichen Entwicklung schon früh zu fördern.“ (Ebd., S. 79) Zentral komme es hier auf die Fähigkeit der Pädagogischen Fachkraft an, diese Kinder zu motivieren: „Dies erfordert neben dem Bewusstsein für die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Migrationshintergrund auch ein hohes Maß an Feinfühligkeit […], um diese Kinder in angemessener Form zu fördern, in die Gruppe zu integrieren und aktiv in die sprachliche Interaktion und Kommunikation einzubeziehen.“ (Ebd.)

Während sich bei der sozial-emotionalen Entwicklung ein ähnliches Bild ergab wie bei der sprachlichen Entwicklung, konnte beim Problemverhalten der Kinder mit oder ohne Migrationshintergrund keine Effekte der Betreuungsform und –qualität nachgewiesen werden.
 

Interaktionsqualität gezielt fördern

Als Schlussfolgerung aus den Ergebnissen plädieren die AutorInnen für Maßnahmen, die speziell auf die Verbesserung der Betreuungsqualität für Kinder mit Migrationshintergrund abzielen. Hierzu zählten insbesondere auch die interkulturelle Kompetenz der ErzieherInnen und grundsätzlich  „eine Verbesserung der Interaktionsqualität zwischen Erzieherin und Kind“ (Ebd., S. 80). Im Hinblick auf eine sehr gute Betreuungsqualität heben sie so auch die „herausragende Bedeutung  einer verlässlichen, feinfühligen und konstanten Erzieherin-Kind-Beziehung“ hervor -  und damit zusammenhängend auch ein Interaktionsklima, das sowohl den emotionalen Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes gerecht wird als auch genügend Raum für Exploration und selbstbestimmtes Lernen lässt. Eine spannende Frage wäre an dieser Stelle auch, inwieweit schon in dieser Altersstufe das Potenzial von Peer-Interaktionen gezielt zu nutzen und zu fördern wäre.

 

Literatur:

  • Kathrin Beckh, Daniela Mayer, Julia Berkic und Fabienne Becker-Stoll (2014): Der Einfluss der Einrichtungsqualität auf die sprachliche und sozial-emotionale Entwicklung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. In: Frühe Bildung, 3 (2), Hogrefe-Verlag.

 



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