Emm(i)y Bergmann (1887-1972)
Doris von Hatzfeld konstatiert treffend: "Während Clara Grunwald in der gegenwärtigen Literatur zur Geschichte der Montessori-PädagogikMontessori-Pädagogik|||||Montessoripädagogik wurde von Maria Montessori ab 1907 als pädagogisches Bildungskonzept vom Kleinkind bis zum jungen Heranwachsenden entwickelt. Leitspruch der Pädagogik ist "Hilf mir es selbst zu tun" und arbeitet mit offenem Unterricht und freien Verfügungsphasen, in dem der Lehrende dazu angehalten ist die Lernprozesse angemessen anzuregen. große Beachtung findet, ist demgegenüber ihre um zehn Jahre jüngere Schwester Emmy Bergmann noch völlig vergessen. Dabei hatte sie durchaus beachtenswerte Leistungen erbracht, die seinerzeit die Montessori-Pädagogik in Deutschland voranbrachten und innovativ bereicherten" (Hatzfeld 2000, S. 5).Leben und Wirken

Mit Beginn der Nazi-Diktatur war Emmy Bergmann wegen ihrer "jüdischen Versippung" vielfältigen Diffamierungen ausgesetzt. Die Einwohner Freiburgs wurden aufgerufen, "die nette Erziehungsstätte für die Kinder vornehmster exklusiver Freiburger Gesellschaftskreise, die 'Privatschule Dr. Bergmann' zu boykottieren" (Hatzfeld 2000, S. 78). 1934 wurde sie schließlich vom neuen Bürgermeister Franz Kerber gänzlich verboten. Daraufhin verließ Emmy Bergmann die Stadt und zog zu ihrer Schwester Clara Grunwald nach Berlin. Wenige Monate später "emigrierte sie nach Palästina, wo sie in Jerusalem als Lehrerin und Erzieherin, ganz im Sinne der Montessori-Pädagogik, tätig war" (ebd., S. 80). Nach ihrer Pensionierung lebte sie in einem Kibbutz und kümmerte sich um die medizinische Versorgung der Kinder, die sie auch unterrichtete und wenn nötig, heilpädagogisch / therapeutisch betreute (vgl. ebd., S. 81). Emmy Bergmann starb am 24. April 1972 in Hasorea / Israel.
Einsatz für "schulunreife" Kinder und Montessori-Pädagogik
Die Ärztin und Montessori-Pädagogin betreute in Freiburg/Brsg. mehrere "schulunreife" bzw. von der Schule zurückgestellte Kinder mit dem Ziel, diese "auf den Stand der Normalschule zu bringen" (zit. n. ebd., S. 34). Damit erfüllte ihre Einrichtung die Funktion eines Schulkindergartens, der Kinder aufnahm, "die wegen ihrer 'körperlichen Beschaffenheit', 'geistigen Veranlagung' oder 'Entwicklungshemmung' als 'schulunreif' diagnostiziert und darum zu ihr (von staatlichen und städtischen Behörden; M. B.) geschickt" (zit. n. ebd.) wurden. Für diese Kinder erachtete sie das Montessori-Material als besonders wirkungsvoll, bedingt durch
- die Fehlerkontrolle, ohne dass die Montessori-Lehrerin eingreifen muss;
- die Isolierung der einzelnen Eigenschaften wie: Breite, Länge, Farbe, Gewicht, Form,
- die Variationsbreite des Materials, das verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten zu verschiedenen Altersstufen zulässt;
- die Heilfaktoren des Materials (zit. n. ebd., S. 53).
Emmy Bergmann hatte sich in ihren Publikationen mehr mit der Montessori-Pädagogik in Schulen auseinandergesetzt. Demgegenüber äußerte sie sich in unzähligen Vorträgen und Referaten u. a. in Freiburg, Lörrach, Ulm, Karlsruhe, Stuttgart, Heidelberg etc. über die Bedeutung der Montessori-Pädagogik in vorschulischen Einrichtungen. In einem Vortrag zur "Achtung der seelischen Freiheit" (1930) im ehemaligen "Evangelischen Fröbelseminar" in Ulm-Söflingen, zitierte sie Maria Montessori mit folgenden Worten:
"Wie die geistige Erziehung auf der Basis der Sinne ruht, so muß die moralische Erziehung, will sie die Kinder nicht auf den Weg der Täuschungen, der falschen Begriffe oder der Finsternis führen, sich auf die Grundlage des Gefühls stützen und auf ihr aufbauen: die Erziehung der Sinne und die Freiheit des Geistes, sich nach eigenen Gesetzen zu entwickeln, auf der einen Seite, die Erziehung des Gefühls und die Freiheit der Seele, sich zu erheben, auf der anderen Seite; das sind zwei ähnliche Begriffe und zwei gleichlaufende Wege.
Welches ist unsere Stellung den Kindern gegenüber? Wir sind ihre 'Anreize', durch die sie das Gefühl üben müssen, das ihrer zarten Seele entkeimt.
Für den Verstand finden sie viele Gegenstände bereit: die Farben, die Formen usw.; aber für die Seele sind wir selbst da. Von uns müssen sich die reinen Seelen der Kinder nähren; sie müssen ihre Herzen auf uns richten, wie sie ihre Aufmerksamkeit auf einen selbstgewählten Sinnenreiz richten, und durch die Liebe zu uns muß sich ihr innerstes Seelenleben zum Licht entwickeln" (zit. n. ebd., S. 131 f).
Literatur
- Bergmann, E.: Über die Erziehung und Unterricht in der Montessori-Schule, in: Die neue Erziehung, 1925/H. 3, s. 155-168
- Hatzfeld, D. v.: Clara Grunwald und Emmy Bergmann. Zwei Schwestern im Einsatz (1919-1933) für die Montessori-Pädagogik. ein Beitrag zur Geschichte der Montessori-Pädagogik in Deutschland, Augsburg 2000 (unveröffentl. Diplomarbeit)
- Kleinau, E./Opitz, C. (Hrsg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Band 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart, Frankfurt/New York 1996
- Zuletzt bearbeitet am: Mittwoch, 12. Februar 2014 09:13 by Karsten Herrmann