Ida Seele (1825-1901)


Ida SeeleIda Seele (Quelle: Ida Seele-Archiv)Am 20. April 1825 erblickte Johanne Friederike Ida als siebtes von acht Kindern ihrer Eltern in Nordhausen das Licht der Welt. Ihre Kindheit verlief ziemlich freudlos, zumal sie unter einer gravierenden Sehbehinderung litt. Deswegen wurde das Mädchen von den Kindern der Nachbarschaft gemieden und gehänselt. Hinzu kam, dass ihre Mutter sehr früh starb und der Vater, der den Tod seiner Frau nicht überwinden konnte, in schwere Depressionen und dem Alkohol verfiel. Im Alter von acht Jahren wurde Ida außer Haus zu einer Tante gegeben, die das Mädchen liebevoll erzog. 1843 entschied sich Ida Seele für eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Diese absolvierte sie in einem sechs Monate dauernden Kurs, den Friedrich Fröbel durchführte. Folgend übertrug ihr der „Kindergartenstifter“ während seiner Abwesenheit die Leitung seines 1840 in Blankenburg (heute Bad) ins Leben gerufenen Kindergartens. Ausführlich berichtete die Kindergärtnerin über den pädagogischen Alltag im ersten Kindergarten der Welt:
 
Der Kindergarten in Blankenburg wurde […] nicht mit Gebet, nicht mit Gesang begonnen; auch stellten sich die Kinder zum Beginn der Stunden nicht in einen Kreis und sangen auch kein Anfangslied. Sie setzten sich, wie sie kamen, auf ihre Plätze, doch nicht auf bestimmte, und dann wurde ihnen sofort eine Spielgabe gereicht, damit sie nicht einen Augenblick untätig sein möchten. In den meisten Fällen bekamen alle Kinder ein und dasselbe Beschäftigungsmittel, also entweder die dritte Gabe, die vierte Gabe usw. Ausgestochen, gefaltet, geflochten wurden morgens selten, ausgenäht gar nicht. Zusätzlich beschäftigten sich die Kinder beim Bauen, nachdem ihnen die Kästchen abgenommen worden waren, ganz nach ihrem eigenen Belieben. Sie erfanden kleine neue Bauformen, die Fröbel betrachtete, und wenn eine ihm besonders gelungen schien, ließ er diese von sämtlichen Kindern nachbauen, damit der kleine Erfinder an seiner Erfindung Freude haben möchte, und die anderen an dieser Freude teilnähmen. Dann wurde ein anderes Mal eine bestimmte Aufgabe gegeben z. B. „Baut ein Haus, eine Treppe, einen Turm!“ usw., und nun ging es mit regem Eifer an Werk, und jeder suchte den aufgegebenen Gegenstand zu bauen. Fröbel schloß an die bestimmten hervortretenden Bauformen gern ein „Bauliedchen“ (zit. n. Hoof 1977, S. 144 f

Mitarbeit an den "Mutter- und Koseliedern"


Bisher noch ziemlich unbekannt ist geblieben, dass Ida Seele auch an der Entstehung der „Mutter- und Koselieder“, Friedrich Fröbels letztem großen Werk, mitgewirkt hatte. Dabei war sie für die Vertonung bestimmter Lieder, die von Robert Kohl (1813-1881) vorgenommen wurde, von großem Nutzen, zumal sie eine „Stimme wie eine Nachtigall“ hatte. Die Kindergärtnerin hatte „fast jedes einzelne Lied gesungen, ehe es feststehend niedergeschrieben wurde“ (Seele 1886, S. 37).

Da der Blankenburger Kindergarten bald nach seiner Eröffnung geschlossen werden musste, ging die Kindergärtnerin durch Fröbels Vermittlung nach Darmstadt, um dort die Leitung einer „Christlichen Kleinkinderschule für ärmere Stände“ zu übernehmen und das Fröbel’sche System einzuführen. Nach 14 Jahren legte Ida Seele ihre Arbeit nieder, da u. a. die angestammte Geistlichkeit ihren Einsatz für die Pädagogik Fröbels nicht akzeptierte. Ein weiterer Gegner ihres pädagogischen Einsatzes war der hoch geachtete Pädagoge Johannes Fölsing (1816-1882). Er lehnte vor allem die nicht kindgemäßen Beschäftigungen ab, die Fröbel von den Kindern mit den Baukästen verlangte. Aber auch „Fröbels starker Panentheismus und die verkünstelte Form seiner Gedichte und Lieder haben Fölsing missfallen“ (Wasmuth 2011, S. 144).

Ida Seele übersiedelte Anfang des Jahres 1860 nach Landsberg an der Warthe. Hier übernahm sie die Leitung einer „Höheren Mädchenschule“, der jedoch die Pädagogin nur wenige Monate vorstand. Als „nur“ Kindergärtnerin erhielt sie nicht die nötige Unterstützung seitens der Kollegen und der verantwortlichen Schuladministration. Daraufhin ging sie nach Berlin. Dort leitete sie mehrere Kindergärten und unterrichtete zusätzlich zukünftige Kindergärtnerinnen u .a. in den Fächern „Fröbel’sche Beschäftigungen für den Kindergarten und „Erzählstunden mit kleinen Kindern“. Daneben publizierte Ida Seele noch einige Schriften und Aufsätze, überwiegend die Fröbelpädagogik sowie „Erzählungen, Gedichte, Gebete, Märchen, Koserein und kleine Plaudereien für Kinder von zwei bis sieben Jahren“ betreffend. Ihre Publikationen „Erzählungen für Kinder von zwei bis sieben Jahren. Zum Gebrauch im Hause, im Kindergarten und in der Kleinschule“ (Leipzig 1862) und „Gedichte für das erste Kindesalter zum Gebrauch im Hause, für den Kindergarten und die Kleinschule“ (Leipzig 1864) erlebten mehrere Auflagen.

Im Alter von 40 Jahren heiratete Ida Seele den Schulvorsteher Wilhelm Vogeler, mit dem sie einen „Volkskindergarten für unbemittelte Stände“ ins Leben rief. Diese „revolutionäre“ Einrichtung wurde bald als „gefährlich sozialdemokratisch“ verleumdet und musste darum seinen Betrieb einstellen. Daraufhin zog sich Ida Seele enttäuscht aus der pädagogischen Arbeit zurück und übersiedelte 1879 mit ihrem Mann nach Nordhausen. Dort engagierte sie sich bis zu ihrem Tod für die Fröbelpädagogik und den Kindergarten.

Die Pädagogin starb am 15. Oktober 1901 in Nordhausen. In ihren Grabstein ritzte man die Worte: „Hier ruht die erste Kindergärtnerin der Welt – genannt Fröbels Ida“.

 

 

Literatur:


  • Berger, Manfred, Frauen in der Geschichte des Kindergartens, Frankfurt/Main 1995, S. 173-178

  • Ders: Seele (-Vogeler), Johanne Friederike Ida, in: Marwinski, Felicitas (Hrsg.): Lebenswege in Thüringen. Vierte Sammlung, Jena 2011, S. 315-321

  • Hoof, Dieter: Handbuch der Spieltheorie Fröbel’s. Untersuchungen und Materialien zum vorschulischen Lernen, Braunschweig 1977

  • Seele, Ida: Meine Erinnerungen an Friedrich Fröbel, in: Kinder-Garten Bewahr-Anstalt und Elementar-Klasse (27)1886, S. 36-41

  • Wasmuth, Helge: Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen. Zur Bedeutung von Bildung und Erziehung in der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland bis 1945, Bad Heilbrunn 2011


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