Gesundheit und gesundheitliche Belastung von ErzieherInnen

Gesundheitsrelevante Arbeitsbedingungen von ErzieherInnen

Seit den 1990iger Jahren und verstärkt seit dem Jahr 2000 untersuchen Wissenschaftsinstitute die Gesundheit sowie die gesundheitsrelevanten Belastungen in sozialpädagogischen Berufen, insbesondere bei ErzieherInnen. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, Kranken- und Unfallkassen untermauern sie die mehrdimensionalen Gesundheitsrisiken und die optimierbaren Arbeitsbedingungen in KiTas. Überforderung oder krankheitsbedingter Ausfall der pädagogischen Fachkräfte bergen neben der individuellen Gesundheitsgefährdung ein gesellschaftliches, gesamtwirtschaftliches Risiko und verhindern ein attraktives Berufsbild in der Öffentlichkeit. Gerade als Beruf, der sich im Wandel befindet, sollten sich die Akteure auch der wichtigen Rolle der ErzieherInnen bei der Gesundheitserziehung der Kinder bewusst werden.

Neben wissenschaftlichen Einrichtungen erheben zudem Kranken- und Unfallkassen (zum Teil auf Länderbasis) sowie Gesundheitsverbände regelmäßig Daten aus der Praxis. Folgende Studien wurden in diesen Beitrag einbezogen:

  • Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)/Internationales Institut für empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.e Sozialökonomie (INIFES): DGB-Index Gute Arbeit - Arbeitsqualität aus Sicht von Erzieherinnen und Erziehern (2007/2008)
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)/Deutsches Jugendinstitut (DJI)/Universität Dortmund: Wie geht’s im Job? KiTa-Studie der GEW (2007)
  • Thinschmidt, Marleen (Technische Universität Dresden) in: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Ratgeber Betriebliche Gesundheitsförderung in Sozial- und Erziehungsdienst (2010)
  • Rudow, Bernd (Hochschule Merseburg): Belastungen und Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Erzieherinnen - Kurzfassung des Projektberichts (2004)
  • Schad, Martina (Unfallkasse Hessen): Erziehung (k)ein Kinderspiel. Gefährdungen und Belastungen des pädagogischen Personals in Kindertagesstätten. Schriftenreihe Unfallkasse Hessen, Band 7 (2002)
  • Bundesvereinigung der Betriebskrankenkassen (2002)

Was ErzieherInnen zufrieden macht

Grundsätzlich unterscheiden sich ErzieherInnen in den genannten Zufriedenheitsfaktoren bei der Arbeit von anderen Berufen und Branchen. Laut DGB-Index Gute Arbeit (2007/2008) erklärt die Mehrheit der 863 befragten ErzieherInnen folgende als äußerst wichtige Kriterien für „gute Arbeit“ (Auszug der 15 Kriterien):

1. Sicherheit
2. Respektvoller Umgang (andere Berufe als 3. Rang)
3. Klarer und ausreichender Informationsfluss (andere 4.)
4. Raum für Kreativität (andere 10.)
5. Angemessenes Arbeitspensum (andere 7.)
6. Einkommen (andere 2.)

Damit schätzen ErzieherInnen sozialen, kommunikativen Austausch und Wertschätzung sowie Kreativität mehr als monetäre Aspekte. Arbeitsbedingungen, für die sie bereit sind zu kämpfen, sind ihnen wichtiger als Einkommensbedingungen. Die sozialpädagogische Arbeit mit Kindern und Eltern ist ihnen am bedeutsamsten. Der damit verbundenen Bewältigung von Konflikten im und außerhalb des Teams sind sie sich bewusst und messen ihr hohe Bedeutung bei.

Arbeitsumfeld und Bedingungen im ErzieherIn-Beruf

Im DGB-Index Gute Arbeit bezeichnen nur acht Prozent der befragten pädagogischen Fachkräfte die Arbeits- und Einkommensbedingungen als „gut“, 63 Prozent als „mittelmäßig“, 29 Prozent bewerten sie als „schlecht": „Insbesondere die häufig fehlende Leistungs- und Bedürfnisgerechtigkeit des Einkommens (36 Punkte) und die mangelnden beruflichen Zukunftsaussichten (45 Punkte) werden von vielen Beschäftigten als belastend empfunden. … Ebenso werden fehlende Aufstiegsmöglichkeiten von den Befragten problematisiert. Ein weiterer Brennpunkt der Arbeitsgestaltung ist … die hohe, oft zu hohe Arbeitsintensität (55 Punkte). Zeit- und Leistungsdruck prägt häuft das Arbeitsgeschehen – nicht selten sind die Beschäftigten dadurch gezwungen, Abstriche bei der Qualität ihrer Betreuungsarbeit zu machen. Ebenfalls verbesserungsbedürftig ist die Gestaltung der körperlichen Anforderungen (57 Punkte). Hier sind es insbesondere Lärm und (seltener) schweres Heben und Tragen, das den Erzieherinnen und Erziehern Probleme bereitet. Auch das Urteil über diese Bereiche der Arbeitsgestaltung fällt überdurchschnittlich schlecht aus. Positiv ist dagegen hervorzuheben, dass sowohl der Sinngehalt der Arbeit als auch die Möglichkeit zur Kreativität und die soziale Miteinander unter den Kolleginnen und Kollegen überdurchschnittlich gut ausfallen und deutlich im Bereich guter Arbeit liegen.“ (DGB-Index)

Belastungen und Anforderungen an ErzieherInnen

Die Grundlagen und Standards für die Arbeit und Gesundheit in KiTas legt das Arbeitsschutzgesetz, das die Bedingungen nach Gefährdungsgruppen in beispielsweise mechanische (Stolpergefahr), physikalische (Lärm, Raum), biologische (Mikroorganismen, Infektion) sowie physische (Muskelarbeit) und psychische Aspekte (soziales Umfeld, Aufgaben, Intensität) unterteilt (Schad, 2002). Laut DGB-Index unterteilen sich die Belastungen in Arbeitsintensität, körperliche und emotionale Anforderungen.

Arbeitsintensität

Der DGB-Index weist vor allem bei Vollzeit-Beschäftigten aus, dass sie unter zu hoher Arbeitsintensität und Leistungsdruck leiden (62 Prozent versus 32 Prozent bei Teilzeit). Andere Studien wie die GEW-Studie (2007) mit 2.000 Befragten bestätigen diese Einschätzung zu psychischen Belastungen. Vor allem die Zeit-Organisation und den Zeitdruck empfinden ErzieherInnen und besonders LeiterInnen als stärkste Belastung (Rudow, 2004):

• Menge der Aufgaben (92 Prozent der Befragten laut Rudow)

• Gleichzeitigkeit von Aufgaben (50 Prozent, Rudow)
• Geringe oder keine Zeit (21 Prozent laut GEW) für Arbeitsvorbereitung und Problem-Besprechung
• Geringe Zeit für störfreie Pausen und Entspannung
• Häufige Unterbrechung der Arbeit (ungeplante Gespräche mit Eltern)

Schad (2002) stellt bei ErzieherInnen zudem eine im Vergleich zu anderen Dienstleistungsberufen höhere gleichzeitige Informationsspeicherung und Konzentrationsanforderung fest.

Als Belastungsfaktoren, die auf den gesetzlichen Rahmenbedingungen der sozialpädagogischen Arbeit in der KiTa beruhen, nennen die befragten Fachkräfte:

• Zu hohe Gruppenstärke (80 Prozent der Befragten laut Rudow)
• Zu geringe individuelle Fördermöglichkeit (70 Prozent laut Rudow)
• Personalmangel (über 50 Prozent laut Rudow)

Die gestiegenen Anforderungen durch die Umsetzung der Bildungspläne auf Länderbasis stellen nach Meinung der ErzieherInnen zudem eine Belastung dar.

Laut GEW-Studie leiden ältere Beschäftigte stärker unter allen genannten Aspekten der Arbeitsintensität. Zusammenfassend nennen mehr als 66 Prozent der pädagogischen Fachkräfte in KiTas mehr Personal und Zeit als dringendste Veränderungsmaßnahme.

Emotionale Anforderungen

Professionalität heißt im ErzieherIn-Beruf, sich auf die soziale Situation der Kinder einzulassen und sie in ihrer Situation zu unterstützen – und dabei die eigenen Gefühle kontrollieren und sich vor herablassenden, wenig wertschätzenden Konfrontationen zu schützen. Das bedeutet für einige Fachkräfte eine Zusatz-Belastung. Laut DGB-Studie berichtet „ … rund ein Viertel aller Erzieherinnen und Erzieher von subjektiven Belastungen durch emotionale Anforderungen. Allerdings ist gerade für Vollzeitkräfte festzustellen, dass diese mit 33 Prozent deutlich häufiger von emotionalen Anforderungen berichten. Besonders belastend ist für Erzieherinnen und Erzieher, dass sie bei der Arbeit ihre Gefühle verbergen müssen.“

Körperliche Anforderungen

Laut DGB-Index wird dieser Aspekt der Belastung bei ErzieherInnen häufig vernachlässigt. Jedoch bewerten 43 Prozent der befragten Fachkräfte diesen – im Gegensatz zum emotionalen Aspekt – als große Belastung. Darunter fallen neben einseitiger Belastung (Heben), die schnellere Ermüdung und Konzentrationsprobleme nach sich zieht, sowie meistgenannt physikalische Gegebenheiten in KiTas wie die Lärmbelastung (23 Prozent in sehr hohem Maße, 42 Prozent in hohem Maße betroffen), zu wenig oder keine Räumlichkeiten für Kleingruppen oder Pause sowie ein nicht erwachsengerechtes Mobiliar.

Auswirkungen und Erkrankungen

Belastung und Gefährdung wirken sich je nach Einrichtung, nach Team und Person unterschiedlich aus. Vergleichsstudien (Rudow 2004, Thinschmidt 2010) belegen jedoch, dass ErzieherInnen mehr als andere Berufsgruppen – und über alle Bundesländer hinweg – unter Kopfschmerzen, Ermüdung und Schmerzen der Rückenmuskulatur leiden.

Maßgeblich wirken sich die Belastungen bei ErzieherInnen aus durch verminderte Leistung und Engagement, Arbeitsunzufriedenheit (DGB-Index), funktionelle Gesundheitsstörungen sowie körperliche und/oder psychische Erkrankungen. Forschungsergebnisse konstatieren ErzieherInnen und besonders LeiterInnen ein definiertes Burnout-Risiko: Rudow (2004) spricht von "emotionaler Erschöpfung" und "reduzierter Leistungsfähigkeit" (8 Prozent) sowie von "Problemen in der Emotionsarbeit" (17 Prozent), die bei LeiterInnen jeweils häufiger auftreten. Thinschmidt (2010) stellt bei 12,5 bis 15,5 Prozent der untersuchten ErzieherInnen-Gruppen Burnout-Symptome fest. Die Häufigkeiten steigen mit den Erhebungen seit dem Jahr 2000 kontinuierlich an.

Laut DGB-Index geben "... nur 13% der Erzieherinnen und Erzieher ... an, während beziehungsweise unmittelbar nach der Arbeit keine gesundheitlichen Beschwerden zu empfinden.  ... Innerhalb der Dienstleistungsberufe, die im Mittel zu 54 Prozent glauben, dass sie das Rentenalter erreichen werden, liegt die Berufsgruppe der ErzieherInnen damit am unteren Ende. Nur 26 Prozent der Befragten glauben daran, gesund das Rentenalter zu erreichen."


Stressbewältigung und Gesundheitsförderung

Die Möglichkeiten zur Bewältigung der Belastungen sind in jeder Person, Organisation (Führungskraft) sowie in der Struktur (Träger, Kommune) in verschiedener Weise vorhanden, ausgeprägt oder etabliert  - jeweils in Abhängigkeit von Fähigkeiten, Selbstvertrauen, Konstitution, Alter, Unterstützungssystemen, Erfahrung, Übung sowie weiterer Ressourcen (Thinschmidt 2010).

Bezüglich der emotionalen Anforderungen greifen einige KiTa-Teams auf regelmäßige Supervision oder Coaching zurück, deren Sitzungen die Fachkräfte in Veränderungs- und Anpassungsprozessen unterstützen und stabilisieren. Was die körperlichen Anforderungen angeht, vor allem die Lärmbelastung, können zwar Akustikdecken und –böden Einhalt gebieten, jedoch reduzieren langfristig nur verkleinerte Gruppen diese Gefährdung. Die Arbeitsqualitäten und –organisation kann durch Gespräche mit Leitung, Träger und Unterstützern (Coaching und andere) optimiert werden. Die Beschäftigten sollten grundsätzlich die Konzeption und das Angebot der KiTa mit der personellen und zeitlichen Ausstattung in Bezug setzen. 

Zudem zählt ein von den Gewerkschaften geforderter Gesundheitstarifvertrag für die Beschäftigten, der 2009 scheiterte, zu den gesundheitsfördernden Maßnahmen.

Weitere Maßnahmen zur Gesundheitsförderung finden Sie im "GEW Ratgeber Betriebliche Gesundheitsförderung" im Download.


Zum Weiterlesen:

Begriffserklärung der Konzepte Prävention / Gesundheitsförderung

Integriertes Gesundheits-Management für KiTas