Bewegung als Baustein der Gesundheitsförderung in Kitas

Auch für pädagogische Fachkräfte?!!

Co-Autorinnen:

Wenn es um Bewegung und Gesundheit in Kitas geht, stehen zumeist die Kinder im Mittelpunkt. Pädagogische Fach- und Leitungskräfte werden bei der bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Kitas bislang wenig berücksichtigt.

Dabei ist die Bedeutung von Bewegung als Möglichkeit zur Gesundheitsförderung unumstritten und wissenschaftlich vielfach belegt (vgl. Finger, Mensink, Lange & Manz, 2017; Völker, 2012). Die Kita-Tätigkeit bringt – im Vergleich zu vielen anderen Berufen – zahlreiche Möglichkeiten mit sich, im Arbeitsalltag körperlich aktiv zu sein. Trotzdem sind die strukturellen Rahmenbedingungen für einen bewegungsfreundlichen Arbeitsalltag häufig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit bewegungsbezogenen Ressourcen und Belastungen pädagogischer Fachkräfte im Kita-Alltag und zeigt Ansatzpunkte für eine bewegungsförderliche Gestaltung des Arbeitsplatzes Kita im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf.

(Inter)nationale Bewegungsempfehlungen für Erwachsene
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, möglichst 150 bis 300 Minuten ausdauernden Aktivitäten im moderaten Bereich oder aber 75 Minuten bei höherer Intensität (1) pro Woche nachzugehen. Dazu sollte zudem mindestens zweimal wöchentlich ein Training zur Kräftigung der Muskulatur durchgeführt werden (WHO, 2020). Diese Richtwerte werden auch in den „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“ (2016) aufgegriffen, wobei hier „jede zusätzliche Bewegung“ und jeder „noch so kleine Schritt weg vom Bewegungsmangel“ mit einem gesundheitlichen Nutzen verbunden werden kann (Rütten & Pfeifer, 2016, S. 32f.).

Nicht nur der Sport in der Freizeit, sondern auch die körperliche Aktivität am Arbeitsplatz kann förderlich für die Gesundheit der Beschäftigten sein (Abu-Omar & Rütten, 2008). Im Gegensatz dazu stellt sedentäres Verhalten, wie beispielsweise langes, ununterbrochenes Sitzen, ein Gesundheitsrisiko dar, weshalb das Einschränken langen Sitzens sowie Bewegung mit moderater Intensität empfohlen werden (vgl. Banzer & Füzéki, 2011). Für Deutschland zeigt sich nach der Studie zur Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA 2014/2015-EHIS) des Robert Koch-Instituts, dass etwas weniger als die Hälfte der Frauen (44%) und Männer (45%) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten körperlich aktiv sind. 48% der Frauen sowie 47 % der Männer üben ihre Arbeit hingegen vorwiegend im Sitzen oder Stehen aus (Finger et al., 2017). Dabei sitzen nach der aktuellen GEDA-Studie (2019/2020) 16,7% der Frauen und 22,3% der Männer mindestens acht Stunden am Tag (Manz et al. 2022).

Bewegung im Kita-Alltag

Mit Blick auf bewegungsbezogene Tätigkeiten pädagogischer Fachkräfte fällt auf, dass sich gesundheitsförderliche und belastende Aktivitäten gegenüberstehen. Auf der einen Seite sind Fachkräfte häufig über viele Stunden gesundheitsförderlich in Bewegung, indem sie unentwegt sowohl im Innen- als auch Außengelände der Einrichtung aktiv sind, die Kinder begleiten, mit ihnen toben und Bewegungsspiele spielen. Auf der anderen Seite stehen körperlich eher anstrengende und die Gesundheit langfristig belastende Aktivitäten, die nicht zuletzt durch die Ergonomie des Arbeitsplatzes hervorgerufen werden. Dazu zählen unter anderem das Arbeiten auf niedrigen, auf die Größe der Kleinkinder ausgelegten Arbeitshöhen, und das Sitzen auf Kinderstühlen. Aber auch das Heben und Tragen der Kinder sowie des Mobiliars und die Arbeit auf dem Fußboden können als Folge muskuloskelettale Beschwerden auslösen und eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bedingen (Albrecht & Thinschmidt, 2009; Sinn-Behrendt et al., 2015)

Für den Kita-Alltag hat die STEGE-Studie (Viernickel, Voss & Mauz 2017) gezeigt, dass auf der einen Seite körperliche Belastungen minimiert und auf der anderen Seite Bewegung am Arbeitsplatz gefördert werden sollten. Unterstützend dazu scheint sich auch die freizeitorientierte sportliche Aktivität positiv auf das Verhältnis von Arbeitsanforderungen und individuellen Ressourcen niederzuschlagen. Im Folgenden werden Ansatzpunkte für die Gestaltung eines bewegungsförderlichen Arbeitsplatzes in Kitas skizziert (Schumann, Mauz & Voss, 2019).

Ansatzpunkte für die Gestaltung eines bewegungsförderlichen Arbeitsplatzes in Kitas

An einem gesundheitsförderlichen Arbeitsplatz sollten die verschiedenen Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. des betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht nebeneinander nach dem Gießkannenprinzip angeboten, sondern in ein Gesamtkonzept der guten gesunden Kita integriert werden. Neben einem zielgruppenspezifischen Vorgehen wird die Kita im Sinne des Setting-Ansatzes als ein Ort verstanden, in dem Gesundheit „(…) von den Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben“ (WHO, 1986). In diesem Sinne kann bei der Gestaltung eines bewegungsförderlichen Arbeitsplatzes auf verschiedenen Interventionsebenen angesetzt werden: Neben den pädagogischen Fach- und Leitungskräften sollten auch andere mit dem Setting in Verbindung stehende Akteur_innen oder Institutionen, wie etwa die Leitung und Träger sowie Politik und Gesellschaft, Berücksichtigung finden und in die Verantwortung genommen werden.

Ein dauerhafter Veränderungsprozess im Sinne einer lernenden Organisation kann mit dem Public-Health-Action-Cycle umgesetzt werden, der die zentralen Elemente gesundheitsbezogener Interventionsplanung beinhaltet. So stehen vor dem Schritt der Durchführung zunächst die Problemabschätzung und die Politik- bzw. Maßnahmenformulierung. Von besonderer Bedeutung ist zudem die begleitende oder auch sich anschließende Evaluation (Rosenbrock, 2004).

Mit dem Ziel, bewegungsbezogene Ressourcen zu fördern und bewegungsbezogene Belastungen von päd. Fachkräften in Kitas zu minimieren, müssten auf der übergeordneten Ebene der Politik und Gesellschaft z.B.
  • gesetzliche Arbeitsschutzbestimmungen umgesetzt und
    • sowohl verhältnis- als auch verhaltensergonomisch Muskel-Skelett-Belastungen reduziert werden (vgl. Sinn-Behrendt et al., 2015), etwa durch die Bereitstellung finanzieller Mittel, u.a. für Mobiliar oder die bauliche Gestaltung (z.B. Auflösung der Doppelnutzung von Räumen, weil es dadurch zur Handhabung von Lasten kommt)
    • die Gruppenräume mit erwachsenengerechtem Mobiliar (z.B. Stühle, Tische), ausgestattet werden, um Zwangshaltungen zu reduzieren,
  • Bewegung als integraler Bestandteil in die Aus- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte integriert werden,
  • partizipative ergonomische Interventionsansätze zur Reduzierung arbeitsbezogener Belastungsfaktoren implementiert werden.
Auf der organisationalen Ebene der Träger und der Kitaleitung geht es darum,
  • einen Überblick über die bestehenden bewegungsbezogenen Belastungen und Ressourcen der Mitarbeiter_innen zu gewinnen (z.B. über eine klassische Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes) und sie nach Ideen bzw. Wünschen in Bezug auf die Verbesserung ihres Arbeitsplatzes zu befragen,
  • Verhältnisse zu schaffen, in denen ein bewegungsförderliches Arbeiten für die pädagogischen Fachkräfte möglich ist, z.B. durch
    • ein langfristig angelegtes einrichtungsübergreifendes Bewegungskonzept. Dieses kann den Einrichtungen als Handlungsleitfaden dienen und bei der Gestaltung der Maßnahmen in der eigenen Kita unterstützen,
    • sozialräumliche Kooperationen mit verschiedenen Anbietern (z.B. Sportvereine, Fitnessstudios, Physiotherapeut_innen oder auch Krankenkassen).
Aufgaben der Kitaleitung sind z.B.
  • die pädagogischen Fachkräfte für das Thema der Bewegung zu sensibilisieren bzw. zu motivieren und ggf. emotionale oder auch kognitive Barrieren abzubauen,
  • partizipativ und gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften eine Auswahl an niedrigschwelligen Angeboten zu treffen, die den Bedürfnissen und dem Bedarf der Fachkräfte gerecht werden,
  • ergonomisches Mobiliar anzuschaffen,
  • bewegungsförderliche Angebote zu organisieren,
  • die Teilnahme an den Maßnahmen zu ermöglichen, etwa mit Blick auf die zeitlichen Ressourcen durch eine adäquate Dienst- und Pausenplangestaltung Arbeitsbedingungen in Bezug auf Bewegungsmöglichkeiten und Ergonomie zu analysieren.

Auf der individuellen Ebene der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte gilt es,
  • ein Bewusstsein für ein gesundes Bewegungsverhalten zu entwickeln,
  • regelmäßige und vielfältige körperliche Aktivität in Beruf und Freizeit einzubauen, etwa durch die Teilnahme an bewegungsfördernden Angeboten (z.B. Rückenkurse oder Yoga), die Umsetzung aktiver Bewegungspausen oder die Planung gemeinsamer Bewegungsaktivitäten mit den Kindern und ggf. auch Eltern (z.B. Lauftreff, Bewegungsparcours),
  • bereitgestellte Hilfsmittel oder auch das ergonomische Mobiliar zu nutzen und Angebote zur Wissensvermittlung zum Thema Bewegung (z.B. Workshops und Seminare) wahrzunehmen.

Fazit

Die Gestaltung eines bewegungsförderlichen Arbeitsplatzes kann ein wesentlicher Bestandteil der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. des betrieblichen Gesundheitsmanagements sein, das in Kitas das Ziel verfolgt, die Strukturen und Prozesse der Organisation so zu steuern und zu entwickeln, dass die Arbeit und ihre Bewältigung ressourcenerhaltend und gesundheitsförderlich gestaltet werden können. Bewegung sollte auf verhaltens- und verhältnisorientierten Interventionsebenen integriert werden und besonders belastete Gruppen, wie z.B. ältere pädagogische Fachkräfte oder solche, die in der U3-Betreuung oder in der Arbeit mit Kindern mit Förderbedarf tätig sind, gezielt ansprechen.

Fußnote
(1) Moderat-intensive körperliche Aktivität umfasst nach den „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“ (Rütten und Pfeifer 2016, S.22) „Bewegung, die als etwas anstrengend empfunden wird, bei der man noch reden, aber nicht mehr singen kann; dabei kommt es zu einem leichten bis mittleren Anstieg der Atemfrequenz. Beispiele sind: schnelles Gehen, langsames Laufen“. Höher-intensive körperliche Aktivität umfasst „Bewegung, die als anstrengend empfunden wird, bei der nicht mehr durchgängig geredet werden kann; dabei kommt es zu einem mittleren bis etwas stärkeren Anstieg der Atemfrequenz. Beispiele sind: Laufen, schnelles Radfahren oder Schwimmen“ (ebd.).

Literatur

  • Abu-Omar, K. & Rütten, A. (2008). Relation of leisure time, occupational, domestic, and commuting physical activity to health indicators in Europe. Preventive Medicine 47(3), S. 319-32
  • Albrecht, R. & Thinschmidt, M. (2009). Rückengerechtes Arbeiten. In Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz (Hrsg.), Erzieherinnengesundheit. Handbuch für Kita-Träger und Kita-Leitungen, Dresden, S. 72-75.
  • Banzer, W. & Füzéki, E. (2011). Körperliche Aktivität, Alltagsaktivitäten und Gesundheit. In Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gesundheit durch Bewegung fördern. Empfehlungen für Wissenschaft und Praxis. Düsseldorf: LIGA.NRW, S. 13-17.
  • Finger, J.D., Mensink, G.B.M., Lange, C. & Manz, K. (2017). Gesundheitsfördernde körperliche Aktivität in der Freizeit bei Erwachsenen in Deutschland. Jorunal of Health Monitoring 2(2). Berlin: Robert Koch-Institut.
  • Manz K, Domanska OM, Kuhnert R, Krug S (2022) Wie viel sitzen Erwachsene? Ergebnisse der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2019/2020-EHIS). J Health Monit 7(3): 32–40. DOI 10.25646/10294
  • Rosenbrock, R. (2004). Evidenzbasierung und Qualitätssicherung in der gesundheitsbezogenen Primärprävention. Zeitschrift für Evaluation,1, S. 71-80.
  • Robert Koch-Institut (2014). Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell 2012«. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut.
  • Rütten, A. & Pfeifer, K. (Hrsg.) (2016). Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Online im Internet: URL: https://www.sport.fau.de/files/2016/05/Nationale-Empfehlungen-für-Bewegung-und-Bewegungsförderung-2016.pdf (Zugriff am 20.7.2022).
  • Schumann, M. Mauz, E. & Voss, A. (2019). Bewegung in Kindertageseinrichtungen – gesundheitliche Ressource oder Belastung für pädagogische Fachkräfte. In A. Voss (Hrsg.), Bewegung und Sport in der Kindheitspädagogik. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. S. 94-106.
  • Sinn-Behrendt, A., Sica, L., Bopp, V., Bruder, R., Brehmen, M., Groneberg, D., Burford, E.-M., Schreiber, P., Weber, B. & Ellegast R. (2015). Projekt ErgoKiTa – Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen (IFA Report 2/2015). Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV): Berlin.
  • Viernickel, S., Voss, A. & Mauz, E. (2017). Arbeitsplatz Kita. Belastungen erkennen, Gesundheit fördern. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Völker, K. (2012). Zusammenhang von körperlicher Aktivität mit physischer und psychischer Gesundheit – eine Einführung. In G. Geuter & A. Hollederer, A.(Hrsg.), Handbuch Bewegungsförderung und Gesundheit. Bern: Verlag Hans Huber, S. 23-32.
  • WHO (1986). Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung. Erste
  • Internationale Konferenz über Gesundheitsförderung, Ottawa, Kanada, 17.–21. November 1986
  • WHO (2020). WHO guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Online im Internet: URL: https://www.who.int/publications/i/item/9789240015128. Zugriff am 10.04.2022.


Verwandte Themen und Schlagworte