Hypermnesie in Deutschland und Mexico

Projektbeschreibung:


Projektleitung:

Prof. Dr. Julius Kuhl


Projektteam:

Dipl.-Psych. Thomas Künne, nifbe

Dr. Miguel Kazén, Universität Osnabrück

Dr. Victor Solís-Macías, Universidad Autónoma de Méxica (UNAM)

Theresa Geisemann, B.A. Psychologin, Universität Osnabrück

 
Kooperation:

Universidad Autónoma de Méxica (UNAM)

 
Ausganglage und Vorarbeiten

Vielen Menschen ist der Begriff der „Amnesie“ bekannt, welcher für Erinnerungslosigkeit oder Gedächtnisschwund (vgl. Duden Band 5, 2006) steht.

Das Gegenteil von Amnesie, die Hypermnesie, ist hingegen den meisten Menschen nicht geläufig. Bei der Hypermnesie handelt es sich grundsätzlich um eine gesteigerte Gedächtnisleistung.

Genauer gesagt handelt es sich bei dem Hypermnesieeffekt um eine Verbesserung der Erinnerungs- oder Wiedererkennensleistung nach dem anfänglichen Lernen bestimmter Inhalte (Kazén & Solís-Macías, 1999).

Diese Lerninhalte werden den Versuchspersonen im weiteren Verlauf einer Hypermnesie-Studie zumeist nicht noch einmal erneut präsentiert. Das bedeutet: Die Menge an Wissen vergrößert sich, ohne dass die Probanden sich die Inhalte erneut unmittelbar aneignen können.

Den Ausgangspunkt Projekts bildet eine erste Pilotuntersuchung mit N = 13 Vorschulkindern aus dem Jahr 2010 (vgl. Jahresbericht 2010 der Forschungsstelle Begabungsförderung). Hier gelang es zwei verschiedene Varianten von Wissensverarbeitung in ein Paradigma zur Überprüfung des Hypermnesie-Effektes zu integrieren. Die eine Variante bezieht sich auf das rationale, logische und analytische Lernen, welches beispielsweise beim reinen Auswendiglernen eine große Rolle spielt. Die andere Variante hingegen bezieht sich auf das ganzheitliche, holistische Lernen, welches auch unbewusst ablaufen kann und somit alle Wissensquellen integriert (vgl. nifbe-Jahresbericht, 2010; vgl. Kuhl, 2001)

Auf dieser Grundlage wurde ein Testablauf zur Feststellung des Hypermnesieeffekts bei Vorschulkindern entwickelt, welcher durch unterschiedliche Zwischenaufgaben genau die beiden oben erwähnten Verarbeitungsmodi (analytisch versus holistisch) anregen sollte.

Es zeigte sich, dass Zwischenaufgaben, die durch freies Ausmalen einen ganzheitlich-holistischen Verarbeitungsmodus anregten, deutlich dazu beitrugen, dass bei den getesteten Vorschulkindern der Hypermnesieeffekt auftrat, während Aufgaben, die zu einer analytisch-logischen Denkweise beitrugen und somit auch diesen rational geprägten Verarbeitungsmodus bahnten, den Hypermnesieeffekt nicht nur abschwächten, sondern sogar verhinderten. (vgl. nifbe-Jahresbericht, 2010)

In einer Studie des nifbe aus dem Jahr 2012 (Bachelorarbeit von Theresa Geisemann) wurde eine Replikation dieser Ergebnisse angestrebt. Darüber hinaus wurde allerdings noch untersucht, ob nicht nur die Art der Zwischenaufgaben, sondern auch deren Inhalt eine Rolle bei der Begünstigung des Hypermnesieeffektes spielen könnte. Dabei wurde zwischen beziehungsthematischen und sachbezogenen Inhalten unterschieden.

Die Ergebnisse konnten die Hypothesen der vorherigen Studie erneut belegen, und es gelang somit eine Replikation der Resultate der Untersuchung aus dem Jahr 2010.

Mit anderen Worten: Es konnte erneut gezeigt werden, dass ein analytischer Verarbeitungsmodus das Auftreten von Erinnerungszuwächsen hemmt, während ein holistischer Verarbeitungsmodus den Hypermnesieeffekt begünstigt!

Ferner konnte gezeigt werden, dass es im Hinblick auf die Zwischenaufgaben auch tendenzielle Vorteile für ein Auftreten des Erinnerungszuwachses bei den beziehungsorientierten Inhalten gab. Dieses Ergebnis ist insofern interessant, als dass es auch Anregungen für die pädagogische Vermittlung von Lerninhalten in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen bietet: Eine gute Beziehungsgrundlage fördert offenbar auch gutes und effektives Lernen!

Aktuell

In enger Zusammenarbeit mit Victor Solís-Macías und seinen MitarbeiterInnen wurde das hier entwickelte Paradigma an zwei Stichproben von Vorschulkindern in Mexico angewendet. Erste Analyse zeigen, dass zunächst einmal der Hypermnesie-Effekt auch in Mexico verlässlich auftritt. In weiteren Analysen sollen nun weitere Fragen geklärt werden:

-  Wie wirken sich die beiden Verarbeitungsstile bei Vorschulkindern in Mexico aus?

-  Gibt es hier ähnliche Effekte wie in Deutschland oder gibt es kulturelle Unterschiede?

-  Wie lassen sich ggf. Unterschiede erklären?

Angedachte Projektergebnisse

Derzeit ist eine Publikation in einer anerkannten psychologischen Fachzeitschrift (peer reviewed) in Arbeit.

Zudem erhofft sich das Projektteam weiterführende Erkenntnisse über Lernprozesse von Kindern und Hinweise auf mögliche Interventionen und pädagogische Handlungsempfehlungen, die gerade den hollistischen Lernmodus unterstützen.

Literatur:

Geisemann, T. (2012). Hypermnesie im Vorschulalter – Hemmt ein analytischer Verarbeitungsmodus das Auftreten von Erinnerungszuwächsen?. Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Universität Osnabrück.

Kazén, M. & Solís-Macías, V. (1999). Recognition hypermnesia with repeated trials: Initial evidence for the alternative retrieval pathways hypothesis. British Journal of Psychology, 90, 405-424. 






Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Laufzeit:01.01.2008 - 31.12.2015
Straße:Heger-Tor-Wall 19
Ort:49078 Osnabrück