Professionelle pädagogische Haltung

Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff

Projektbeschreibung:


Projektleitung:



 

Forschungsmitarbeit:





„Professionelle Haltungen“ von Erzieherinnen, Erziehern und Lehrkräften in (früh-) pädagogischen Bildungseinrichtungen spielen in der aktuellen Diskussion um pädagogisches Handeln und individuelle Förderung eine große Rolle. Allerdings ist es aus heutiger Sicht empirisch noch weitgehend ungeklärt, ob und wie „Haltungen“ von Erzieherinnen, Erziehern und Lehrkräften die pädagogische Qualität in den Kindertageseinrichtungen und Schulen tatsächlich beeinflussen und wie sie sich auf das Lernen sowie die Begabungs- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern auswirkt. Festzustellen war auch, dass „Haltung“ in der Pädagogik kaum definiert wurde und das obwohl die Forderung nach einer „richtigen“ Haltung in der erziehungswissenschaftlichen Literatur Tradition hat.
Im Projekt wurden einige historische und vor allem aktuelle theoretische Zugänge aus der Pädagogik, der Philosophie und der Psychologie zum Konzept „Haltung“ ausgewertet mit dem Ziel, Schlussfolgerungen für eine heute mögliche Charakterisierung bzw. Explikation von „Haltung“ herzuleiten und eine Definition anzubieten. Auf weitere zentrale Fragen konnten im Projektverlauf ebenfalls einige Antworten gefunden werden: Z.B., ob und unter welchen Bedingungen „Haltung“ operationalisierbar und lehr- und erlernbar ist. Letzteres ist eine wichtige Frage, denn Haltung, so heißt es häufig, solle verändert werden, damit aktuelle Reformen (wie Inklusion z.B.) gelingen können.
Zunächst wurde im Projekt die heutige Relevanz des Themas „professionelle Haltung“, seine Wurzeln in der Geschichte der Pädagogik sowie einige mit einer „richtigen“ Haltung verknüpften ethischen Postulate herausgearbeitet (Fiegert & Solzbacher 2014). Da zu Beginn unserer Arbeiten festzustellen war, dass zu „Haltungen“ von pädagogischen Fachkräften kein eindeutig abzusteckender Forschungsstand rezipiert werden kann, da der Begriff nicht eindeutig und sehr facettenreich ist, haben wir uns dem Verständnis von Haltung zudem über verwandte Begriffe (wie Stance, Habitus, berufliches Ethos und professionelles Selbst ) sowie über empirische Forschungsbefunde zuberufsbezogenen Überzeugungen, Subjektiven Theorien und professionellen Kompetenzen angenähert (Schwer, Solzbacher & Behrensen 2014). Desweiteren haben wir versucht, in Anlehnung an eine Persönlichkeits- und Motivationstheorie (der PSI-Theorie von Julius Kuhl 2001) dem Phänomen „Haltung“ weiter auf die Spur zu kommen mit dem Ziel, einige persönlichkeits- und motivationspsychologische Funktionsprinzipien von „Haltung“ herauszuarbeiten (Kuhl, Schwer & Solzbacher 2014a) und auch, um eine theoretische Grundlage für eine sinnvolle und für die Empirie taugliche Definition von Haltung (Kuhl, Schwer & Solzbacher 2014b) zu erhalten, nicht zuletzt mit dem Ziel, den Veränderungsmöglichkeiten und der Lehrbarkeit von Haltung näher zu kommen.
Zudem war es uns wichtig, zu erörtern, mit welchen verschiedenen Bedeutungen „professionelle Haltungen“ heute verbunden werden gerade mit Blick auf gegenwärtige Anforderungen an Pädagoginnen und Pädagogen, die sich beispielsweise darin zeigen, dass Gerechtigkeit (Behrensen 2014) Ressourcenorientierung (Kiso & Lotze 2014), individuelle Förderung, Inklusion und Begabungsförderung (Lotze & Kiso 2014) gesellschaftlich erwünscht sind. Hauptlinien dieser aktuellen Diskurse, die in der Wissenschaft und unter pädagogischen Fachkräften derzeit zum Thema „Haltungen“ geführt werden, konnten im Projekt herausgearbeitet werden.
Besonders in diesen aktuellen Diskursen wird deutlich, dass Erzieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte ein hohes Maß an Reflexivität, souveränen Routinen, Kontextsensibilität und vor allem an integrativer Kompetenz benötigen. Hier zeigt sich, dass es sinnvoll ist, den Begriff Haltung als integrativ zu verstehen und als theoretisches Fundament Annahmen und Forschungen aus der PSI-Theorie von J. Kuhl zugrunde zu legen, denn in Anlehnung an die PSI-Theorie zeichnet sich eine „professionelle pädagogische Haltung“ durch viele verschiedene objektiv messbare (Selbst-) Kompetenzen aus und vor allem auch durch ein „integrationsstarkes Selbst“, das als Voraussetzung dafür angesehen werden kann, dass Pädagoginnen und Pädagogen z.B. trotz vieler konträrer Anforderungen und veränderlicher Kontextbedingungen flexibel und selbstkongruent denken und handeln können. Das im Projektverlauf erarbeitete Verständnis von Haltung (Kuhl et al. 2014 a; b) hat zweifellos einige Konsequenzen für die Professionalisierungsdebatte (vgl. Schwer & Solzbacher 2014).


Literatur:

Behrensen (2014): Gerechtigkeit und die professionelle pädagogische Haltung von Lehrkräften. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 123-118.

Fiegert, M.; Solzbacher, C. (2014): „Bescheidenheit und Festigkeit des Charakters…“ Das Konstrukt Lehrerhaltung aus historisch-systematischer Perspektive. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 17-45.

Kiso, C.; Lotze, M. (2014): Ressourcenorientierung als Grundhaltung? Mögliche Konsequenzen pädagogischer Diskurse für die Kooperation verschiedener Professionen. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 137-153.

Lotze, M.; Kiso, C. (2014): Von der Aufgabe, eine Haltung zu entwickeln – Zwischen ideellen und strukturellen Anforderungen innerhalb der Diskurse um individuelle Förderung, Inklusion und Begabungsförderung. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 155-167.

Kuhl, J. (2001): Motivation und Persönlichkeit. Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.

Kuhl, J.; Schwer, C.; Solzbacher, C. (2014a): Professionelle pädagogische Haltung: Persönlichkeitspsychologische Grundlagen. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 79-107.

Kuhl, J.; Schwer, C.; Solzbacher, C. (2014b): Professionelle pädagogische Haltung: Versuch einer Definition des Begriffes und ausgewählte Konsequenzen für Haltung. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 107-120.

Schwer, C.; Solzbacher, C.; Behrensen, B. (2014): Annäherung an das Konzept „Professionelle pädagogische Haltung“: Ausgewählte theoretische und empirische Zugänge. In: Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.): Professionelle pädagogische Haltung. Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 47-77.

Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hg.) (2014): Professionelle pädagogische Haltung: Historische, theoretische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

 

Ergebnisse des Projektes sind im Frühjahr 2014 in folgender Publikation erschienen: 

Haltung Herausgeberband

Schwer, C.; Solzbacher, C. (Hrsg.) Professionelle pädagogische Haltung. Theoretische, historische und empirische Zugänge zu einem viel strapazierten Begriff.

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Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Laufzeit:01.01.2013 - 31.12.2015
Träger:nifbe-Forschungstelle Begabungsförderung
Straße:Heger-Tor-Wall 19
Ort:49078 Osnabrück