Gut besuchte Fachtagung mit Berliner Buchautorin ManuEla Ritz in Leer
LEER - Wissen ist Macht. Das gilt auch für die Sprache. Sie ist ein machtvolles Instrument, weiß ManuEla Ritz. Und zwar nicht allein aus der Theorie, sondern die Dipl.-Sozialpädagogin hat bereits als Kind sprachliche Diskriminierungen über sich ergehen lassen müssen. Heute als Erwachsene möchte sie pädagogische Fachkräfte auf gesellschaftlich strukturierte Diskriminierungsformen aufmerksam machen und ihnen Handlungsmöglichkeiten eröffnen, diese zu neu überdenken und aufzubrechen.
Auch in Leer fand sie kürzlich in der dortigen Jugendherberge rund 90 aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer, zumeist Erzieher/-innen aus Kindertagesstätten. Der Fachtag stand unter dem Motto "Ein Indianer kennt keinen Schmerz!?" – Eine Redewendung von Erwachsenen, die sicherlich viele Kinder, insbesondere Jungen, schon einmal gehört haben. In dieser Metapher stecken jedoch viele verschiedene Zuschreibungen, z.B.: "Stell dich nicht so an", "Das ist doch nicht so schlimm", etc. Zudem geht das Wort "Indianer" auf den Irrtum Kolumbus' zurück, in Indien gelandet zu sein. Die Bezeichnung gaben die "weißen" Europäer all denen, die für sie in der Gesellschaft untergeordnet waren. Das hatte allein den Zweck die Menschen gesellschaftlich herabzustufen. Auf dieser bekannten Redewendung baute Ritz ihren Hauptvortrag "Sprache.Macht.Verhältnisse" auf. Unterstützt wurde sie dabei von Schauspieler Samuel Nuñez. Zusammen mit ihm entwickelte ManuEla Ritz eine Aufführung speziell für die von der Bildungsregion Ostfriesland der Ostfriesischen Landschaft in Kooperation mit der Volkshochschule Leer, dem Europahaus in Aurich, dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) sowie "Kitas für Demokratie" und "Kindergarten und Grundschule unter einem Dach" ausgerichtete Fachtagung.
Die Anti-Rassismus-Trainerin berichtete von schmerzhaften, aber auch beglückenden Erfahrungen, die sie persönlich erlebt hat und verarbeiten musste. Dabei wurde deutlich, wie vielschichtig die Macht der Sprache im Alltag ist. Auch Kinder werden häufig unbewusst, systematisch von Erwachsenen diskriminiert. Ritz versteht sich in diesem Fall als Anwältin der Kinder. Sie will Kindern eine Stimme geben und fragt danach was Kinder wirklich wollen. "Da gibt es oft unerwartete Antworten", meint sie, "denn Kinder werden selten ernsthaft nach ihrer echten Meinung gefragt, ohne dass sich danach mit Labeln wie ‚ach wie süß, nein wie niedlich’ über sie lustig gemacht wird".
Durch Sprache lasse sich Macht über Kinder ausspielen – mit, aber auch ohne erhobenen Zeigefinger. Genau hinzuhören, die Sprache auf mögliche Vorurteile und Herabsetzungen hin reflektieren - dafür möchte ManuEla Ritz ihre Zuhörer sensibilisieren. "Eine Veränderung der Sprache erfolgt durch die Veränderung der Einstellung", ist ihre Erfahrung. Anhand von Alltagssituationen schilderte sie das Machtungleichgewicht zwischen Kindern und Erwachsenen. Im Workshop "Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Sendepause!?" fragte sie ihr Publikum: "Welches Bild vom "Kind" tragen Sie in sich, und wie prägt dieses Menschenbild Ihre Sprache mit Kindern?"
Ritz' unmissverständliche Botschaft: Kinder ernst nehmen! "Sprechen Sie mit Kindern auf Augenhöhe."
Weitere Workshops der Fachtagung befassten sich mit der Darstellung von Vielfalt in Kinderbüchern, mit der Wertschätzung von unterschiedlichen Familiensprachen in KiTas und Grundschulen sowie der Frage "Typisch Junge – typisch Mädchen!?"