Lernen, Gedächtnis und Informationsverarbeitung im 1. Lebensjahr
Projektbeschreibung:
Kooperation zwischen einem Drittmittel-finanzierten (DFG) Forschungsprojekt der Abteilung Entwicklung & Kultur, Universität Osnabrück und der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des nifbe
Projektleitung:
Projektmitarbeiter:
- Dr. Bettina Lamm
- Dipl.-Psych. Helene Gudi
Kooperationspartner:
- Prof. Dr. M. Knopf (Universität Frankfurt am Main),
- Prof. Dr. A. Lohaus (Universität Bielefeld)
- Prof. Dr. G. Schwarzer (Universität Giessen)
Hintergrund und Fragestellung
Die Fragestellung der Entwicklung von Lernen, Gedächtnis und Informationsverarbeitung wird in einer multizentrischen, vier Arbeitsgruppen umfassenden entwicklungspsychologischen Längsschnittstudie untersucht. Lern- und Gedächtnisprozesse bei Säuglingen werden mit 3, 6 und 9 Lebensmonaten simultan in ihrem Zusammenwirken sowie in ihrer Entwicklung untersucht. Dazu werden die wichtigsten Paradigmen zur Analyse von visuellem Lernen und Gedächtnis in diesem Altersbereich, nämlich Habituation/Dishabituation, Assoziationslernen, Kontingenzlernen sowie verzögerte Imitation, eingesetzt. Neben dem Nebeneinander verschiedener Lernparadigmen wird zusätzlich das Stimulusmaterial kontrolliert bzw. variiert. Dabei wird sowohl bedeutungshaltiges Material als Reizvorlage verwendet, nämlich weiße und schwarze Gesichter, wie auch eher bedeutungslose Reizmuster, sog. greebles. Mit Hilfe dieses multizentrischen Forschungsprojekts sollen sowohl theoretische wie methodische Fragestellungen zur frühen Entwicklung von Lernen und Gedächtnis bearbeitet werden. Aus theoretischer Perspektive neuartig sind Erkenntnisse über das Zusammenspiel unterschiedlicher Lern- und Gedächtnisprozesse in der frühen menschlichen Entwicklung, vor allem bei Vorgabe von kontrolliertem und variiertem Lernmaterial. Die Erkenntnisse über frühe Lern- und Gedächtnisleistungen bei den drei Stimulusklassen sind vor allem in der Verschränkung mit der Frage der kulturübergreifenden Analyse des umfänglichen Entwicklungsprozesses von großer theoretischer Bedeutung. Das Projekt liefert neben mittleren, typischen Entwicklungsverläufen in den genannten Lern- und Gedächtnisprozessen und deren Zusammenwirken auch Befunde zur Stabilität und Variabilität der frühen Entwicklung von Lernen und Gedächtnis. Methodisch innovativ ist dieses multizentrische Forschungsvorhaben vor allem deswegen, weil eine größere Zahl von 240 Säuglingen untersucht werden soll und damit eine größere Repräsentativität der Befunde als bislang vorhanden erreicht werden kann.
Um die Repräsentativität sowie kulturübergreifende Bedeutung des Entwicklungsverlaufs erkennen zu können, wird die Studie in drei Universitätsstädten in Deutschland sowie bei Nso-Babys in Kamerun realisiert. Unsere Aufgabe bestand darin, in Kamerun ein experimentelles Labor aufzubauen und dort die Babys von Nso Bauern zu untersuchen. Unser Labor wird in Kooperation mit dem Romkong Health Center des BBH (Banso Baptist Hospital) in Kikaikelaki betrieben. Es handelt sich hierbei um die erste systematische längsschnittliche Untersuchung der frühen Wahrnehmungs- und Gedächtnisentwicklung in traditionellen Bauernfamilien. Die Datenerhebungen in Kamerun wurden im November 2009 abgeschlossen. In den deutschen Standorten laufen die letzten Erhebungen des dritten Erhebungszeitpunktes noch bis März 2010. Die Auswertungen und Datenanalysen laufen in allen Standorten.
Erste Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede des Lernens in Abhängigkeit von der Stimulusklasse (siehe Abbildung 2 und Abbildung 3).
Abbildung 2 – Untersuchungssituation bei der verzögerten Imitation
In einer Voruntersuchung mit 38 6-monatigen Babys aus kamerunischen Nso-Dörfern konnten wir zeigen, dass kamerunische Babys in ihren Lernleistungen im Paradigma der verzögerten Imitation deutlich besser abschneiden, wenn der Stimulus ein schwarzes Gesicht ist, im Vergleich zu einem weißen Gesicht.
Abbildung 3 – Lernleistung bei der verzögerten Imitation
in Abhängigkeit von der Stimulusklasse
Zur Kontrolle des Entwicklungstandes wird der Bayley III – der wohl meistverbreitete Entwicklungstest für Kinder im Alter von 0 bis 3,5 Jahre durchgeführt. Bei den bisherigen Erhebungen ergaben sich eklatante Unterschiede in der Abfolge, insbesondere der motorischen Entwicklung. Nso-Babys können fast ohne jede Unterstützung mit 3 Monaten sitzen, während deutsche Kinder das in diesem Alter in der Regel noch nicht können. Deutsche Babys können sich dagegen mit ca. vier Monaten leicht vom Rücken auf den Bauch drehen und umgekehrt, während Nso-Babys das selbst mit 6 Monaten noch nicht können.
Implikationen für die Praxis
Die Ergebnisse des Projektes werden grundlegende Erkenntnisse über kulturelle Unterschiede des Lernens und seiner Bedingungen, sowie allgemeinen Entwicklungsprozessen liefern und damit von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Förderung von Lern – und Bildungsprozessen sein.
Im Rahmen des Projektes besteht die Möglichkeit eines Auslandspraktikums für deutsche Studierende. Kristina Zyla, Universität Gießen und Johanna Teiser, Universität Osnabrück wurden hierbei vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziell gefördert.
Veröffentlichungen
Erste Ergebnisses wurden in LEGES Symposien auf der Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP) im März 2009 in Jena sowie auf der 19. Tagung der Fachgruppe Entwicklungspsychologie DGP’s im September 2009 in Hildesheim vorgestellt.
Projektdetails
Projektart: | Forschungsprojekt |
Träger: | nifbe-Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur |
Straße: | Artilleriestraße 34 |
Ort: | 49069 Osnabrück |