Persönlichkeit und Selbstkompetenzen bei angehenden ErzieherInnen und ihre Wirkung auf die fachliche Beziehungskompetenz

Projektbeschreibung:

 

Dissertationsprojekt von Dipl. Psych. Thomas Künne



Projektbeschreibung

Die Anforderungen an Jugendliche und junge Erwachsene werden größer: Die späteren Arbeitgeber erwarten höhere Qualifikationen und Fähigkeiten. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die so genannten Soft-Skills, die „weichen Fähigkeiten“, wie die Fähigkeit sich aus eigener Kraft motivieren zu können, mit anderen in Gruppen zusammen arbeiten zu können, mit Stress und Druck umgehen zu können und die eigenen Emotionen regulieren zu können etc. genannt (vgl. Kuhl et al., 2010).

 

In vielen Berufsfeldern konnte mittlerweile die berufliche Relevanz von soft-skills auch in Bezug auf pädagogischen Trainingserfolg wissenschaftlich nachgewiesen werden (z. B. Diefendorff, 2004; Kehr, 2003; Kehr, Bles & von Rosenstiel, 1999). Bei pädagogischen Fachkräften gibt es allerdings so gut wie keine wissenschaftliche Informationen darüber, inwieweit diese persönlichen Fähigkeiten, im pädagogischen Feld auch Selbstkompetenzen genannt, die berufliche Qualifikation mit beeinflussen. Obwohl viele AusbilderInnen diesen Zusammenhang benennen, gerade auch in Bezug auf Reflexionsfähigkeiten, und einige dieser Kompetenzen als wichtiger Bestandteil des Berufsbildes gesehen werden (Jaszus et al., 2004).

 

In ersten Publikationen und laufenden Transferprojekten des nifbe (vgl. Sauerhering & Behrensen, 2010 und Transferprojekt „selbst sicher lernen“) wird individuelle Förderung und die Entwicklung von Selbstkompetenzen bei Kindern in engem Zusammenhang mit der Haltung einer pädagogischen Fachkraft gesehen. Das heißt, dass bereits an dieser Stelle die Persönlichkeit der ErzieherInnen eine besondere Rolle spielt; nimmt sie doch großen Einfluss darauf, welche pädagogische Haltung eine Fachkraft einnimmt, bzw. wie flexibel sie mit ihrem Verständnis von Haltung umgehen und die Bedürfnislage von Kindern berücksichtigen kann. Diese Flexibilität mit den eigenen Werthaltungen, Gefühlen und Handlungsstilen beschreibt die PSI-Theorie (Kuhl, 2001) als wechselseitiges Zusammenspiel psychischer Systeme. Diese psychischen Systeme und ihre adäquate Abstimmung sind wichtige Voraussetzungen für Empathie, Feinfühligkeit, Intersubjektivität (Biebrich & Kuhl, 2009), für das „Sich-Einlassen“ auf die kindliche Bedürftigkeit und ein positiv förderliches Klima, welche als wichtige Bestandteile einer günstigen ErzieherIn-Kind-Beziehung gelten (vgl. auch Remsperger, 2008).

 

Der Zusammenhang zwischen der Person der ErzieherIn und einer gelungen Beziehungsgestaltung zum Kind wird bisher weitgehend in der wissenschaftlichen und praxisrelevanten Diskussion vernachlässigt, gewinnt aber zusehends an Bedeutung. Einige Autoren stellen Bezüge zur Bindung her und vergleichen die Eltern-Kind-Bindung mit der zwischen Fachkraft und Kind (vgl. Ahnert, Pinquart & Lamb, 2006 in einer Übersichtsarbeit). Allerdings bezieht sich diese Form der Arbeiten hauptsächlich auf das Kind bzw. die Interaktion zwischen Kind und ErzieherIn (s. auch Burchinal, Howes, Pianta et al., 2008). Der direkte Fokus auf die Person der ErzieherIn findet sich nur selten in der pädagogisch-psychologischen Literatur wieder. In Ausnahmefällen wird die Person der ErzieherIn z. B. bei der Wirksamkeit von Präventionsprogrammen berücksichtigt (Brandes, 2006) oder gar als wichtigstes Werkzeug der pädagogischen Arbeit gesehen (Hebenstreit, 1998). Unter dem Begriff „Lehrergesundheit“ finden sich auch Forschungsansätze und Aufsätze, in denen Zusammenhänge zwischen Gesundheit und persönlichen Faktoren vermutet werden (vgl. Storch, Küttel & Stüssi, 2005).

 

Im Bereich des Mentoring gewinnt die Berücksichtigung von persönlichen Kompetenzen auf die Beziehungsqualität zwischen Mentor und Mentee mehr und mehr Aufmerksamkeit (vgl. nifbe-Forschungsprojekt: Auswirkungen des Mentoren-Programms „Balu und Du“ auf die körperliche Stressregulation unter besonderer Berücksichtigung persönlicher Mentor-Kompetenzen oder Rhodes, 2008) Weitere Ansätze die Persönlichkeit bzw. persönliche Voraussetzungen zu berücksichtigen, finden sich ansonsten eher im Bereich der psychotherapeutischen Beziehungsgestaltung (vgl. Hermer & Röhrle, 2008) und häufig in wirtschaftlich-orientierten Praxisfeldern (z. B. Kuhl et al., 2010). Den FachschullehrerInnen ist auf der praktischen Seite ebenfalls deutlich bewusst, dass es persönliche Kompetenzen gibt, die eine gute Erzieherin, einen guten Erzieher ausmachen bzw. förderlich für die Entwicklung als professionelle pädagogische Fachkraft sind. Jedoch bleiben politische Argumentationshilfen in Form von wissenschaftlichen Ergebnissen derzeit noch aus, die auch Einfluss auf die Gestaltung von Fortbildungen und des Ausbildungscuricullums nehmen können. Die aktuellen Diskussionen und positiven Strebungen, angeregt durch das nifbe, können den mit diesem Projekt angestrebten Erkenntnissen einen weiteren Transfer in die Fläche verschaffen.

 

Inhaltliche Grundidee und Bestandteile
 Die Persönlichkeit und die Selbstkompetenzen einer ErzieherIn spielen eine besondere Rolle bei der professionellen Beziehungsgestaltung zum Kind, die wiederum essentiell ist für eine gute Entwicklung des Kindes. Einfach ausgedrückt, nur was ich auch selbst habe (i. S. von Selbstkompetenz), kann ich auch weitergeben. Selbstkompetenzen weisen dabei eine enge Verbindung zum beruflichen Erfolg und zur geglückten fachlichen Beziehungsgestaltung zu Kindern auf. Kann die oder der Auszubildende seine Emotionen so regulieren, dass er / sie in der Lage ist, die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse positiv für die Beziehung zum Kind zu nutzen? Dazu braucht es dann auch eine gewisse Fähigkeit und Bereitschaft sich selbst zu reflektieren.

 

Dieses Vorhaben soll dazu dienen, eine erste wissenschaftliche Untersuchung von Selbstkompetenzen bei angehenden ErzieherInnen durchzuführen. Diese mit Einschätzungen seitens der Schule, als Expertenurteil, abzugleichen und zu einer ersten Einschätzung zu gelangen, welche Selbstkompetenzen besonders wichtig sind auf dem Weg, eine gute / ein guter ErzieherIn zu werden. Daneben wird ein besonderes Augenmerk auf die fachliche Beziehungsfähigkeit gelegt und diese ebenfalls mit den Selbstkompetenzen abgeglichen mit der Frage: Welche Selbstkompetenzen sind günstig für eine gute Beziehungsfähigkeit? Zur Abrundung der Fragestellung bearbeiten die Auszubildenden eine PC-Aufgabe, die es möglich machen soll, Beziehungsreaktionen in verschiedenen Erziehungssituationen zu erfassen. Am Ende soll ein umfassendes Bild darüber entstehen, welche Selbstkompetenzen für angehende ErzieherInnen hilfreich sind und welche demnach besonders förderungswürdig sind.

 

Als Ergänzung und Dankeschön für die Teilnahme wird im Anschluss an die Datenerhebung ein freiwilliger Workshop angeboten, in dem die neu gewonnenen Erkenntnisse einfließen: In diesem Workshop setzen sich interessierte Auszubildenden mit ihren eigenen Selbstkompetenzen im Sinne eines Coaching auseinander und erarbeiten neue Handlungsoptionen. In Zusammenarbeit mit den Fachschulen werden mögliche Implikationen für die Ausbildung diskutiert.

 

Im Rahmen dieses Dissertationsprojektes kann die Bedeutung von Selbstkompetenzen für angehende ErzieherInnen und ihrer Beziehungsfähigkeit wissenschaftlich nachgewiesen werden. Dabei spielt die Reflexionsfähigkeit, gerade von Beziehungserfahrungen, eine wichtige Rolle, denn erst Selbstkompetenzen ermöglichen es einem Menschen über sich selbst und seine Beziehungsfähigkeit zu reflektieren, da sie die notwendigen kognitiven und emotionalen Prozesse entsprechend aufeinander abstimmen.

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Laufzeit:01.01.2010 - 31.12.2014
Träger:nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung
Straße:Heger-Tor-Wall 19
Ort:49078 Osnabrück