kuhlsolo 250Mit einem Festakt in der Schlossaula der Universität Osnabrück ist jetzt Prof. Dr. Julius Kuhl in den universitären Ruhestand verabschiedet worden. Die Ko-Leitung der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung wird er allerdings noch bis zum Jahresende weiter führen. Prof. Dr. Julius Kuhl gilt als international renommierter Pionier der Persönlichkeitspsychologie und hat insbesondere zur „Motivation" und „Selbststeuerung" bzw. „Selbstkompetenz" geforscht. Seine Ergebnisse kumulierten in der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI), einer integrativen und einer der derzeit wohl umfassendsten Persönlichkeitstheorien weltweit. Mit ihr zeigte der Persönlichkeitspsychologe auch die Entwicklung von Selbstkompetenzen wie Selbstmotivation und Frustrationstolerenz als Grundlage des Lernens und damit auch als Grundlage einer gelungenen frühkindlichen Bildung und Entwicklung auf.

Lebenslauf

härtling kühnbergerProf. Dr.Joachim Härtling und Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger würdigten das LebenswerkUniversitäts-Vizepräsident Prof. Dr. Joachim Härtling und der Prodekan des Fachbereichs Humanwissenschaften, Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger, würdigten in ihren Grußworten das beeindruckende wissenschaftliche Werk des international renommierten Persönlichkeits-Psychologen. Seine akademische Laufbahn begann Prof. Dr. Julius Kuhl 1967 mit einem Studium der Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum und am LaSalle-College in Philadelphia. An die Diplomprüfung 1972 schloss sich 1976 die Promotion und 1982 die Habilitation über "Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle" an. Es folgten Tätigkeiten als Leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München und als Fellow am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford / Kalifornien. 1986 übernahm Prof. Dr. Julius Kuhl schließlich den Lehrstuhl für Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung an der Universität Osnabrück sowie ab 2007 zusätzlich die Ko-Leitung der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung. 2012 wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Seine „unbestreitbare Exzellenz", so Kühnberger, schlug sich auch als Verfasser bzw. Herausgeber von 17 Büchern, als Autor von rund 100 Buchkapiteln sowie 100 Beiträgen in internationalen Journals nieder. Besonders am Herzen gelegen hätten Kuhl dabei die „großen Fragen und Zusammenhänge" sowie „die Verbindung von Theorie und Praxis".


Das Selbst als die Quelle der Selbst-Motivation

kuhl panorama 550Mit Charme und Witz führte Prof. Dr. Julius Kuhl in das Herz seines DenkensMit Charme und Witz nahm Prof. Dr. Julius Kuhl die zahlreichen ZuhörerInnen in seiner Abschiedsvorlesung über „Motivation und Persönlichkeit" dann mit auf eine spannende Reise, die über seine wissenschaftlichen Stationen und Weggefährten in das Herz seines Denkens führte. Hier steht die Unterscheidung von „Ich" und „Selbst" und die Frage, wie der Mensch vom Vorsatz zum Tun kommt, wie Frust und Anstrengung mit Freude und Lust in produktive Interaktion treten können. Das System des Selbst beschrieb Kuhl dabei als „implizite Repräsentation eigener Präferenzen, Eigenschaften und persönlich relevanter Erfahrungen". Im Gegensatz zum planenden, analytisch-rationalen Ich zeichne sich das Selbst durch ganzheitlich-integrative Kraft und eine intuitive Verhaltenssteuerung aus. „Das Selbst", so Kuhl, „ist die Quelle der Selbst-Motivation" und könne seine ganze Kraft insbesondere in „guten Beziehungen" entfalten. Daher könne Lernen auch nicht in einem Klima der Angst und des übersteigerten Leistungsdrucks gelingen. „Angst blockiert und verhindert den Selbstzugang" pointierte er. Daher komme es auf eine „Emotionale Dialektik an", auf einen Wechsel zwischen Frustrationstoleranz und Ermutigung, aus Fordern und Fördern.


Würdigung von WegbegleiterInnen für einen „Starkstromdenker"

weggefährten panoramaLangjährige WegbegleiterInnen unternahmen Streifzüge durch Leben und Werk von Prof. Dr. Julius Kuhl: Dr. Miguel Kazén, Prof. Dr. Nicola Baumann, Prof. Dr. Sander Koole, Dipl. Psych. Frank Aufhammer, Prof. Dr. Claudia SolzbacherUnter dem sprechenden Programmpunkt „Kuhl and the Gang" unternahmen in der Folge langjährige WegbegleiterInnen wie Dr. Miguel Kazén, Prof. Dr. Nicola Baumann und Prof. Dr. Sander Koole ganz persönlich gefärbte und durch amüsante Fotos aufgelockerte Streifzüge durch das Leben und das Werk von Prof. Dr. Julius Kuhl. Sander Koole beschrieb seine Forschungen dabei als „Romantische Wissenschaft", die darauf abziele, auf seine Gefühle und Bedürfnisse zu hören und sie mit dem Denken zu kombinieren: „You won't get smart, if you don't listen to your heart" schloss er. Eine originelle literarisch-philosophische Annäherung an Julius Kuhl gelang Frank Aufhammer aus dem Kreise der Promovierenden. Er charakterisierte seinen Doktorvater als „Starkstromdenker", der einen „offenen Denkraum" geschaffen habe, in dem er unabhängig vom Mainstream eine Vielzahl von Stimmen und Disziplinen vereine und immer wieder Grenzen überschreite.

Weitreichende Implikationen für die Praxis der Pädagogik


Die Implikationen der PSI-Theorie für die Praxis der Pädagogik nahm Prof. Dr. Claudia Solzbacher, die zusammen mit Prof. Dr. Julius Kuhl die nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung leitet, in den Fokus. Die PSI-Theorie habe zahlreiche neue Zugänge zu pädagogischen Themen eröffnet, so beispielsweise im Hinblick auf eine professionelle pädagogische Haltung. Mit der PSI-Theorie sei man gemeinsam den Veränderungsmöglichkeiten und der Lehrbarkeit von Haltung auf die Spur gekommen. Grundsätzlich sei in der Zusammenarbeit mit Julius Kuhl die Förderung von Selbstkompetenzen von Kindern - wie z.B. Selbstmotivation oder Frustrationstoleranz - als „Basiskompetenz von Lernen" und als Voraussetzung zur Umsetzung von Begabung in Leistung deutlich geworden. Jenseits von wissenschaftlichen Moden hätte sie in der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung interdisziplinär zusammen arbeiten können, um der Praxis auch durch ganz konkrete Fort- und Weiterbildungen Perspektiven und Handlungspotenziale aufzuzeigen. „Das war Transferforschung im besten Sinne" resümierte sie und kritisierte zugleich den zunehmenden Trend an Universitäten, den Praxisbezug aus den Augen zu verlieren und sich stattdessen auf „Drittmittel, Peer Review und Impact-Faktor" zu konzentrieren. Wie ihre VorrednerInnen hoffte Claudia Solzbacher trotz des universitären Ruhestands noch viele weitere Jahre mit dem „Ermöglicher" Julius Kuhl zusammen arbeiten zu können.


abschied 250Moderatorin Prof. Dr. Rosa Maria Puca verabschiedet Prof. Dr. Juluus Kuhl von der universitären BühneMit einem guten Rotwein und einem Strauß Blumen wurde Prof. Dr. Julius Kuhl schließlich von der universitären Bühne verabschiedet.

Gemeinsam mit seinen vielen aus dem In- und Ausland nach Osnabrück angereisten wissenschaftlichen und persönlichen WeggefährtInnen ließ er den Abend bei einem geselligen Imbiss ausklingen.