Innere Haltung als Kompass im Berufsalltag

Das Thema Haltung ist in der pädagogischen Landschaft sehr präsent. Was bestimmt eine Haltung? Was unterstützt oder behindert sie? Gibt es die eine richtige Haltung? Und ist Haltung erlernbar? In diesem Artikel wird dem Gedanken nachgegangen, dass unterschiedliche Haltungen bestimmte Auswirkungen auf das professionelle Verhalten und auf die Bewertung und Gestaltung von Alltagssituationen in der Kita und auch auf die Form der Alltagsbewältigung haben. Aufgehängt wird dies am Thema Selbstfürsorge von pädagogischen Fachkräften.

Selbstfürsorge ist gesund

An dieser Stelle wird die Selbstfürsorge bezogen auf die eigene Haltung thematisiert, weil Studien zeigen, wie gefährdet die psychische Gesundheit von pädagogischen Fachkräften ist: Überforderung und Stress, können bei pädagogischen Fachkräften durch erhöhte psychonervale und vielfältige sozialkommunikative Anforderungen ausgelöst werden. Diese können psychosomatisch bedingte Beschwerden wie Rücken- und Nackenschmerzen, Stimmprobleme, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit verursachen. Darüber hinaus fühlen PädagogInnen sich in so einem gestressten Zustand nicht in der Lage, auf die emotionalen Anforderungen in der täglichen Arbeit, besonders mit den Kindern, angemessen reagieren zu können. Untersuchungen zu Bewältigungsmustern bei Kita-Personal zeigten, dass 40 % der Befragten bereits eine Schonhaltung gegenüber Arbeitstätigkeiten einnehmen bzw. für die Gesundheit ungünstige Emotionsausdrucksformen aufweisen. Bei Interventionen ist es daher notwendig, einen entsprechenden Identitäts- und Emotionsausdruck zu ermöglichen bzw. eigene Talente und Stärken in die Arbeitstätigkeit einbringen zu können (vgl. SMS 2009). Dieser beschriebene authentische Identitäts- und Emotionsausdruck ist eng mit einer selbstfürsorglichen Haltung verbunden, die beinhaltet, dass eine pädagogische Fachkraft dann gut für Andere präsent und unterstützend sein kann, wenn sie besonders für sich selbst Fürsorge und Verantwortung übernimmt. Die Professionalität des eigenen Handelns ist also stark durch die persönliche Verfassung bestimmt. Wenn sich Anforderungen und erhöhter Stress negativ äußern, wirkt sich dieses möglicherweise in Form von Handlungsunsicherheit, gestörter Empathie, schablonenhafter Entscheidungsfindung und mangelnder Flexibilität im Berufsalltag aus. Die eigene Haltung mit den dazugehörigen persönlichen Werten und Überzeugungen steuert dabei die individuelle Wahrnehmung und den Umgang mit Situationen.

Selbstbestimmte Ausgestaltung von Handlungsspielräumen

Für eine selbstfürsorgliche Haltung bedeutet es, dass das Bewusstsein über die eigene Haltung dazu beitragen kann, das Berufsalltagsleben so zu gestalten, dass es zumindest in Teilen bestimmt ist durch Gefühle von Selbstwirksamkeit und Wahlfreiheiten. Das Gegenteil wäre, sich fremdbestimmt zu fühlen und lediglich Aufträge zu erfüllen, die mit der eigenen Haltung und den zugehörigen Werten und Überzeugungen nicht übereinstimmen. Eine Haltung die selbstkongruent ist, kann es möglich machen, den Arbeitsalltag so einzurichten, dass er zu der eigenen Persönlichkeit passt. Dabei können schwierige Umstände verändert werden oder auch Einstellungen zu Situationen überprüft und gegebenenfalls gewandelt werden.

Dagegen lässt sich stellen, dass Vieles nicht in der eigenen Macht liegt und äußere Bedingungen verhindern, der eigenen Haltung entsprechend arbeiten und handeln zu können. An dieser Stelle kann der Frage nachgegangen werden inwieweit es überhaupt möglich ist, selbst für die eigene (berufliche) Situation Verantwortung zu übernehmen, etwas zu verändern und an sich selbst zu arbeiten. Der Gegenpol zur Selbstverantwortung ist es, Opfer eines Systems oder Opfer von Umständen zu sein – frei von der Möglichkeit etwas zu beeinflussen. So zeichnet sich eine Opferhaltung dadurch aus, dass es leichter ist, sich oder anderen Schuld für Situationen und Bedingungen zuzuweisen und sich der – vielleicht schmerzhaften – Auseinandersetzung mit den eigenen Anteilen nicht zu stellen. Durch die negative Brille könnte es dann so aussehen, dass die Welt um einen herum Schuld an der persönlichen Situation hat. Dass keine Hilfe gespendet wird und die Person am Ende auch noch selbst die Schuld dafür tragen soll, weil sie eigentlich die Verantwortung dafür hat etwas zu verändern. Mit einer Opferhaltung kann ein solcher Verweis auf die Eigenverantwortung als Spott empfunden werden. Diskutieren lässt sich hier, inwieweit die Schuldfrage der betroffenen Person weiterhilft, außer zur Selbstberuhigung beizutragen. Sie ändert zumindest nichts zum Positiven. Das Geld wird nicht mehr. Der BetreuungsschlüsselBetreuungsschlüssel||||| Der Betreuungsschlüssel gibt an wieviele Personen, für die Betreuung anderer Personen zur Verfügung stehen. Es wird meist in dem Format angegen 1:n, um zu verdeutlichen, dass eine Persone für eine bestimmte Anzahl n Personen zuständig ist. Der Betreuungsschlüssel wird auch als Personalschlüssel angegeben, oder im Bereich der Schule, als Klassengröße. Bei Vorgaben zu Betreuungsschlüssel spielen auch die Qualifikationen der betreuuenden Personen  eine Rolle. nicht optimaler. Die Kinder und Eltern nicht einfacher. Temporär ist es sehr menschlich sich als Opfer zu fühlen. Allerdings hilft es zur Bewältigung von herausfordernden Situationen diesen Status irgendwann zu verlassen und sich klar zu machen, dass vor allem eine selbstverantwortliche Haltung zur Verbesserung einer Situation betragen kann. Die Alternative zur dauerhaften Übernahme der Opferrolle ist die Auslotung der Anteile eigener Verantwortung und der eigenen Spielräume zur Veränderung der Situation. Dabei dient die eigene Haltung als innerer Kompass, der hilft die richtigen Entscheidungen zu treffen. In einem Fall kann es beispielsweise bedeuten, Handlungspläne zu entwerfen. In einer anderen Situation kann es aber auch notwendig sein, Bedingungen als gegeben hinzunehmen, um sich nicht immerfort daran zu reiben. Dieses schafft negative Energie und führt letztlich dazu, dass man sich zermürbt. Gesund wäre eine selbstfürsorgliche Haltung, die mit der Akzeptanz verbunden ist, dass zwar momentan keine Lösung in Sicht ist, aber zumindest eine Lösung gesucht wird. Es können schrittweise die passenden Ressourcen dafür aktiviert werden. So liegt im Modus der Selbstfürsorge die Verantwortung darauf, dass es mir in meinem Arbeitsalltag gut oder zumindest besser geht. Dieses wirkt sich auf die professionelle Beziehungsfähigkeit durch die Herstellung der eigenen Balance positiv aus. (Kuhl 2001)

Selbstfürsorge und Selbstreflexion

Folgende Fragen können dazu beitragen eine aktuelle Bestandsaufnahme zur selbstfürsorglichen Haltung zu machen:
  • Wie viel Ruhe, Entspannung, Erholung schafft zurzeit Ausgleich im eigenen Leben?
  • Wie viel Druck wird aktuell im (Berufs-)Leben empfunden?
  • Wie selbstbestimmt lässt sich das (Berufs-)Leben aktuell gestalten?
  • Wie sehr können die eigenen Grundbedürfnisse derzeit berücksichtigt werden (genügend Schlaf, ausgewogenes, regelmäßiges Essen und Trinken)?
  • Wie viel Ausgleich in Form von Abwechslung und neuen Impulsen lässt sich zurzeit erleben?
  • Wie viele Nähe, Gemeinsamkeit, Austausch und Miteinander lässt sich zurzeit leben, die als hilfreiche Unterstützung dient?

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann die Selbstreflexion in Stresssituationen unterstützen. Die Ergebnisse können zeigen, wie gut der eigene Selbstzugang gegenwärtig ist. Er ermöglicht, die eigenen Ressourcen in Form von intuitivem Erfahrungswissen zu nutzen, um eher nach Lösungen zu suchen, statt Probleme zu fokussieren. Möglicherweise werden die eigenen zu vertretenden Grenzen sichtbar. Oder es ist beispielsweise spürbar, dass im Berufsalltag dauerhaft gegen die eigenen Überzeugungen und das eigene Erfahrungswissen gehandelt wird. Selbstreflexion unterstützt kreative zwischenmenschliche Prozesse besonders, wenn sie auch die eigene emotionale Verfassung zum Gegenstand hat. Dann ermöglicht sie es, eine bewusst-willentliche Selbstbeeinflussung auszuüben und damit Einfluss auf die eigene selbstfürsorgliche Haltung zu nehmen. Gemeint ist hier nicht nur die Selbstkontrolle von negativen Gefühlsausdruck, wie Wut und Enttäuschung, sondern darüber hinaus die Ausübung von Selbstberuhigung. Dies ermöglicht einen innerlich gelassenen Zustand beizubehalten oder ihn wieder herzustellen, wenn er verloren gegangen ist. Gelassenheit ist notwendig, um auf die Möglichkeit der eigenen Selbststeuerung zurückgreifen zu können, die für kreative Konfliktlösungen gebraucht wird. Sie kann dazu beitragen eigene Reaktionsweisen und Handlungen einzuschätzen und dieses Erfahrungswissen als Ressource zu nutzen. Die Voraussetzung eine gelassene Stimmung zu erzeugen, kann dadurch erschwert werden, dass man Momente und auch Zeiten der Entspannung auf den ersten Blick als verlorene Zeiten ansehen mag, weil sie nicht produktiv erscheinen und nicht direkt hilfreiche Strategien für herausfordernden Situationen bieten. Wenn man sich jedoch bewusst macht, wie Entspannung die eigene Kreativität und Problemlösefähigkeit unmittelbar erhöht, kommt man hier leicht zu dem Schluss, dass es eine Abwechslung von Anspannung und Entspannung braucht. Außerdem mag es einem viel klarer werden, dass diese Selbstfürsorge notwendig ist, um gesund zu bleiben, und dass sie dabei unterstützt wieder distanzierter und damit unbelasteter die Herausforderungen des Berufsalltags zu bewältigen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Haltung an verschiedenen Konzepten und Grundgedanken festmacht. Diese sind beeinflusst durch gesellschaftliche Faktoren wie Kultur, Glaube und Wissenschaft und prägen sich individuell und einrichtungsspezifisch sehr unterschiedlich aus. Eine professionelle Haltung entwickelt und festigt sich vor allem durch systematisch und methodisch fundierte Reflexion der eigenen (Berufs-)Biographie und Praxis (Robert-Bosch-Stiftung 2011, 43ff). So fällt der Selbstreflexion und der damit einhergehenden Bewusstmachung der eigenen Haltung mit ihren zugehörigen Werten und Überzeugungen eine hohe Bedeutung zu. Demnach gilt es, das biografisch angehäufte Wissen und das angeeignete Fachwissen, mit methodischen Kenntnissen und der Fähigkeit Emotionen in herausfordernden Situationen regulieren zu können, geschickt in Beziehung zu setzen, um es angemessen nutzen zu können.


Literatur

  • Balluseck, H. von, (2008). ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   der Frühpädagogik: Perspek¬tiven, Entwicklung, Herausforderungen. Opladen.
  • Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit. Interaktion psychischer Systeme. Göttingen: Hofgrefe.
  • Robert-Bosch-Stiftung (2011). Qualitätsprofile in den Arbeitsfeldern der Päda¬gogik der Kindheit – Ausbildungswege im Überblick. Stuttgart.
  • Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz. Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. (Hrsg.) (2009) Erzieherinnengesundheit. Handbuch für Kita-Träger und Kita-Leiterinnen. Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Gesundheitsförderung von Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen. Dresden

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus Kita aktuell 3-2017, S. 66-68


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