Käte Heintze (1889-1973)

1Käte Heintze (Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze) Die ausgebildete Kindergärtnerin und Jugendleiterin Käte Heintze gehört zu den vergessenen Frauen innerhalb der Historiographie des Kindergartenwesens, obwohl sie die Kindergarten- und Fröbelpädagogik in ihrer theoretischen und praktischen Ausrichtung über mehrere Jahrzehnte hinweg beeinflusst und befördert hat. Der „Neo-Fröbelianerin“ (Franke-Meyer 2011, S. 220) besonderes Interesse galt dem Dorfkindergarten und der Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Leiterinnen für vorschulische Einrichtungen auf dem Lande.

Biographische Eckdaten

Katharina Agnes Edith, von frühester Kindheit an Kät(h)e genannt, wurde am 2. Oktober 1889 in Ratibor (heute Racibórz) geboren. Sie war das dritte von vier Kindern des Obergerichtsrats Karl Ernst Julius Heintze und dessen Ehefrau Pauline Therese Hermine, geb. Selle. Nach der damals üblichen Ausbildung für Mädchen ihres Standes – Privatunterricht, Höhere Töchterschule, Mädchenpensionat - führte sie das Leben einer „Haustochter“, das zuweilen begleitet war von einem Gefühl der Öde und des Unbefriedigtseins. Im Alter von 20 Jahren konnte sie die Eltern von ihrem Berufswunsch mit Kindern arbeiten zu wollen überzeugen und absolvierte von 1910 bis 1911 eine Ausbildung zur Kindergärtnerin in Arnstadt/Thüringen. Anschließend arbeitete die junge Kindergärtnerin in „Vor- und Elementarklassen“ im renommierten „Pestalozzi-Fröbel-Haus“ (PFH) in Berlin, gefolgt von der einjährigen Ausbildung zur Jugendleiterin am PFH. Von 1913 bis 1916 unterrichtete sie Kindergarten- und Fröbelpädagogik an der in Braunschweig ansässigen „Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen“, geleitet von Fräulein Lili Heyde. Zudem zeichnete sie für die praktische Ausbildung der zukünftigen Kindergärtnerinnen verantwortlich. Folgend übernahm sie die Leitung eines großen Kriegskindertagheimes der in Jena ansässigen Firma Carl Zeiss und leitete anschließend ein Jahr lang die „Auskunftsstelle für Kleinkinderfürsorge“ am „Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht“ in Berlin. Es folgte im Sommer 1920 ein praktischer Kurs im Gärtnereibetrieb des Guts- und Pensionshauses „Immenhof“ bei Hützel (Lüneburger Heide). Anschließend kehrte Käte Heintze nach Jena zurück, diesmal zum Auf- und Ausbau von Kinderbewahranstalten, Kindergärten und Kinderheimen. Inzwischen hatte sie als Praktikerin und Theoretikerin der Kindergarten- und Fröbelpädagogik weit über Jena einen guten Ruf. Demzufolge erhielt sie das Angebot, die Leitung des „Friedrich Fröbel-Hauses“ im thüringischen Schweina zu übernehmen, „das sich in den Jahren seit 1925 aus einem bescheidenen Dorfkindergarten entwickelt hatte und seit 1926 auch eine Ausbildungsstätte für Fröbelsche Erzieherinnen und Leiterinnen ländlicher Kindergärten besaß“ (Heintze 1964, S. 525).

Bereits seit ca. 1924 kam es im Heimatland Friedrich Fröbels, der 1840 im thüringischen (seit 1911 Bad) Blankenburg den Kindergarten stiftete, zu einer „Fröbel-Renaissance“ unter „der Schirmherrschaft der Abteilung Wohlfahrt des Thüringischen Innenministeriums. Sie lenkte von neuem die Augen der Fröbelfreunde rings in der Welt auf den größten Pädagogen aus dem Thüringer Lande, und es kamen Besucher in Scharen, um echte Fröbel-Kindergärten, vor allem das in Schweina unter der meisterlichen Leitung Käthe Heintzes begründete Landkindergarten-Seminar kennenzulernen“ (Petersen 1940, S. XXIX f). Maßgeblich war die „Neo-Fröbelianerin“ an den Gedächtnisfeierlichkeiten zum 75. Todestag des Kindergartenbegründers beteiligt, die vom 3. bis 5. Juli 1927 in der Wartburgstadt Eisenach, in der Schweinaer „Landkinderpflegerinnen-Schule“, in Mariental und im Schloß Altenstein durchgeführt wurden. Zusammen mit Helene L. Klostermann hielt sie am 5. Juli d. J. im großen Saal des „Fürstenhofs“ einen Vortrag (mit Lichtbildern) zum Thema „Fröbels Idee des Kindergartens. Ihre Verbreitung und Ausgestaltung in Fröbels Heimatland in der Gegenwart“. Am letzten Tag der Gedächtnisfeier erfolgte durch Käte Heintze und Seminaristinnen der „Landkinderpflegerinnen-Schule“ die feierliche Kranzniederlegung am Grabdenkmal des „Kindergartenvaters“ auf dem Bergfriedhof in Schweina.

2(Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Eng arbeitete die Pädagogin mit Peter Petersen, Ordinarius für Erziehungswissenschaften an der „Friedrich-Schiller-Universität“ in Jena, zusammen. Sie hielt bspw. im Wintersemester 1934/35 Vorlesungen vor Lehramtsstudenten der „Erziehungswissenschaftlichen Anstalt Jena“ (EA). Ein mehrtägiger Gegenbesuch der Studierenden im „Friedrich Fröbel-Haus“ schloss die Veranstaltung ab, der noch mehrere folgen sollten (vgl. Westermann 1943, S. 167; Heintze 1964, S. 525). Am 1. April 1939 kündigte sie ihre Stelle als Leiterin der „Landkinderpflegerinnen-Schule“, da sie einer Übernahme der Einrichtung durch die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) und vor allem durch deren führende Funktionäre im Gau entgehen wollte, obwohl sie seit 1. Mai 1937 der NSDAP angehörte und systemkonforme Beiträge zur Kindergarten- und Fröbelpädagogik veröffentlichte. Für ihre Verdienste auf dem Gebiet der Volkswohlfahrt erhielt sie das von Adolf Hitler am 1. Mai 1939 per Verordnung gestiftete „Ehrenzeichen für deutsche Volkspflege“ verliehen.

3Käte Heintze im Kreise der „Vermittlungsgruppe“ (Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Käte Heintze ging nach Jena und besuchte als Gasthörerin Vorlesungen und Seminare an der dortigen Universität. Prof. Petersen übertrug ihr im September 1939 die Leitung des Jenaer Universitätskindergartens, der bald aus Anlass des Krieges zu einem Tagesheim für Kinder erwerbstätiger Mütter umfunktioniert wurde. Die Einrichtung war der EA als Übungsstätte für die Lehramtsstudenten angeschlossen und unterstand der „wissenschaftlichen Aufsicht“ Petersens. Im Sommer 1941 wurde die Einrichtung auf der von Friedrich Fröbel aufgezeigten Grundlage um eine sog. „Vermittlungsgruppe“ erweitert, welche vor der Einschulung stehende Kinder aus dem Tagesheim täglich am Vormittag für zweieinhalb Stunden in einer Gruppe zur schulvorbereitenden Förderung zusammenführte. Durch die „sehr sorgfältige[.] Protokollation durch Fräulein Käte Heintze, Assistentin in der Erziehungswissenschaftlichen Anstalt Jena“ (Junge 1943, S. 6) entstand eine 76 Seiten umfassende Promotionsschrift (vgl. Junge 1943), bisher „die einzige Dissertation zur Pädagogischen Tatsachenforschung über Kinder einer Vermittlungsgruppe“ (Retter 2007, S. 419 f). Im Frühjahr 1942 wurde innerhalb der EA eine neue Forschungsabteilung, die „Kleinkindstelle“ für „wissenschaftliche Erziehungsberatung und pädagogische Therapie“ eingerichtet. Diese rege frequentierte und von der „Carl-Zeiss-Stiftung“ finanziell unterstützte Institution stand unter Leitung von Käte Heintze.

Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur bekam sie aufgrund ihrer NSDAP-Zugehörigkeit keine Anstellung mehr an der Jenaer Universität, trotz mehrerer Bescheinigungen bedeutender Persönlichkeiten über die „antinazistische Haltung des Frl. Heintze“.


4Schreiben Peter Petersens über Frl. Heintzes antinazistische Haltung (Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Im Jahre 1948 übernahm sie die Geschäftsführung des neu gegründeten „Pestalozzi-Fröbel-Verbandes e. V.“ (PFV), vormals „Deutscher Fröbel-Verband“, dessen Büro seinerzeit in der „Warburgvilla“ auf dem Kösterberg in Hamburg-Blankenese untergebracht war. In ihrer neuen Funktion war sie vor allem mit dem Auf- und Ausbau des PFV’s und seinen Zweigvereinen, der Ausarbeitung von Richtlinien, Statuten und Arbeitsprogrammen für Kindergärten und soziale Ausbildungsstätten, Eingaben an Länderregierungen, den Zuwachs an Einzel- und kooperativen Mitgliedern, Fortbildungsveranstaltungen etc. befasst. 1955 gab sie ihr Amt aus Altersgründen ab, blieb aber weiterhin dem Interessenverband verbunden. Einige Jahre später übersiedelte Käthe Heintze nach Waldkraiburg/Ldkr. München, wo sie ihren Lebensabend im „Adalbert-Stifter-Heim“ verbrachte. Sie starb am 7. Oktober 1973 - wenige Tage nach ihrem 84. Geburtstag in Waldkraiburg (vgl. Berger 1995, S. 85 ff.).

Selbsttätigkeit im Kindergarten

Seinerzeit brachte „das Anstaltsleben die Kinder um zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten für Körper, Willen, Intellekt und Gemüt“ (Heintze 1920, S. 127). Durch das häufige „Antreten, Waschen, Kämmen, Austreten, sich Versammeln zu den Mahlzeiten“ und vor allem der Festlegung der „Spiel- und Beschäftigungszeiten“, verbunden mit geschickter Suggestion der Kindergärtnerin die Kinder für die von ihr ausersehenen Beschäftigungen zu gewinnen, fanden die kleinen Mädchen und Jungen kaum „Gelegenheit zur Betätigung der eigenen Neigungen, zum Ausführen des eignen Entschlusses und zum Auswirken dessen, was die Gedankenwelt des Kindes unwillkürlich ausfüllt“ (ebd.). Das Bestreben des Kindergartens sollte vielmehr darin liegen, die „Selbsttätigkeit“ der Kinder zu unterstützen, bspw. durch freie Wahl der Beschäftigungsmittel:

„Zunächst glaubten wir, den Kindern zu größerer Selbsttätigkeit zu verhelfen und uns eine bessere Kenntnis dessen, was die Kinder wirklich wollen und was sie fördert, zu verschaffen, indem wir mindestens einmal in der Woche ‚Beschäftigung nach freier Wahl der Kinder‘ ansetzten. Alle Beschäftigungsmittel standen dann auf einem Tisch, und die Kinder holten sich, was sie brauchten. Bald aber sahen wir, daß dieses eine Mal durchaus nicht genügte, um die Kinder zur Selbsttätigkeit zu erziehen. Dr. M. Montessori… wies uns dann noch eindringlicher den Weg mit ihrem Buch ‚Selbsttätige Erziehung‘. Zwar besaßen wir nicht das eigentliche Montessori-Material, doch kam es uns auch weniger auf das Material als auf den Grundgedanken an, und wir fanden, dass dieser auch mittels des Fröbelschen Materials durchzuführen war. Später hätten wir es allerdings gern durch eigenes Montessori-Material ergänzt“ (ebd., S. 127 f).

Die Selbsttätigkeit der „kleinen Wildfänge“ kann insbesondere durch häusliche Beschäftigungen gefördert werden:

„Das tüchtige Sichausarbeiten beim Scheuern von Stühlchen und Tischplatten, das Beobachten des Blankwerdens an den Türklinken, das Füttern der Kaninchen, erweckte in ihnen Freude an der Arbeit, und schließlich erschien es auch ihnen reizvoll, sich z. B. ein Kaninchen aus Ton zu formen und einen Kaninchenstall dafür zu bauen. Nun hieß es, ihnen Mut machen, damit das kleine Flämmchen von Interesse angefacht wurde und erhalten blieb und sie gewonnen wurden für stetige Arbeit. Das alles ging bald sehr viel ruhiger zu, als es früher der Fall war, denn die Kinder lernten sich selbst helfen ohne nach der Tante rufen zu müssen, wie sie sich überhaupt viel einfacher und selbstverständlicher in das Ganze fügten. So kam, einfach durch die Gemeinschaft, eine gewisse Gleichmäßigkeit des Interesses für die Beschäftigungen zustande. Unser Einfluß bestand nur darin, daß wir ihnen zu dem Erleben verhalfen, das sich in dem Stoff der Beschäftigungsmittel auswirken sollte. Und dieses Erleben ergab sich wiederum aus der Gemeinschaft, es waren kleine Feste, die wir zusammen feierten, die Freuden und Pflichten, die unser gemeinsamer Haushalt mit sich brachte, vor allem aber natürlich die Wunder der Natur, mit denen unser herrlicher Garten in reicher Fülle uns immer neu beschenkte“ (ebd., S. 128 f).

Der Kindergarten auf dem Lande

Käte Heintze setzte sich für die Errichtung von Kindergärten auf dem Lande ein, da die Landkinder, genauso wie die Großstadtkinder, in Gefahr sind, „körperlich und seelisch zu verwahrlosen“ (Heintze 1931, Sp. 57), wobei die Gründe der Notlage auf dem Lande nicht die gleichen sind wie in der Großstadt. Die materiell eingestellten Landeltern wissen nur die Arbeitskraft ihrer Kleinkinder zu schätzen, ihnen geht „Viehpflege“ vor „Menschenpflege“ (ebd., Sp. 58). Diesbezüglich zitiert die Pädagogin eine kreisärztliche Untersuchung des Landkreises Gotha, die feststellte, „daß unter den gesundheitlich nicht vollwertigen Kindern 42,9% Kinder von Landwirten, 48,6% von Handwerkern waren“ (ebd.). Und das, obwohl der Boden „indem das Landkind wurzelt, der rechte, der beste den wir uns denken können[ist; M. B.], denn es hat eine Heimat. Es lebt in einer Welt, die nahe, übersichtlich, vertraut ist, in der die Eltern und die ganze Familie wurzeln… Es lebt mit Pflanze und Tier und hat Wald, Feld, Wiese, Busch und Bach, Garten und Hof als seine große Kinderstube, und Freiheit, Licht und Luft in verschwenderischer Fülle“ (ebd.). In diesem Reichtum stehen jedoch die Landkinder „führerlos darinnen“ (ebd.). Darum bedarf es verstärkt der Errichtung von Kindergärten auf dem Lande, die helfend und ergänzend neben der Familie stehen, als „Führer zu gesundem, schönem Landkinderleben“ (ebd.). Der Kindergarten muss den dörflichen Gegebenheiten entsprechen, er muss „selber ein Stück Dorfheimat sein“ (ebd.):

„Der Kreislauf des Jahres bestimmt die Arbeit im Landkindergarten, wie er das Arbeitsleben des Dorfes überhaupt bestimmt. Die Gartenarbeit ist deshalb die erste aller Beschäftigungen. Kein Landkindergarten sollte die Möglichkeit entbehren, wenigstens einige kleine Beete anzulegen. Selbst wenn die Kinder daheim einen Garten haben, ist die Gartenpflege im Kindergarten nicht überflüssig, sondern zum Verständnis ihres heimatlichen Gartens unbedingt notwendig. Das Gleiche gilt von der Tierpflege. Einige Kleintiere, Hühner oder Tauben sollten den Kindergartenhof beleben, um durch ihr da-sein, ihre Schutz- und Hilfsbedürftigkeit und ihre Lebensäußerungen bei Kindern Miterzieher zu werden… Auch Ernte gehört in den Kindergarten, sei es auch nur Obsternte, das Einbringen von Möhren, Radieschen, Kürbis und dergleichen… Diese Pflichten erfüllen die Kinder mit Freude und erwecken in ihnen das Gefühl, daß ihre Kräfte gebraucht werden zum Wohle des Ganzen“ (Heintze 1935a, S. 57 f).

Bereits Anfang der 1920er hatte das Thüringische Ministerium des Inneren den Auf-und Ausbau einer Landkinderpflegerinnenschule, in welcher junge Mädchen und Frauen aus Thüringen für die volkserzieherischen Aufgaben in einem Landkindergarten ausgebildet werden sollten in Erwägung gezogen.

Beruf: Landkinderpflegerin

5Garten- und Tierpflege im Dorfkindergarten(Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Am 10. Januar 1926 wurde die erste Ausbildungsstätte für Landkindpflegerinnen ins Leben gerufen, mit „Sitz an dem Ort, der Friedrich Fröbels letzte Wirkungsstätte war und seine letzte Ruhestätte birgt, Schweina in Thüringen. Damit wurde sie zugleich zu einem lebendigen Denkmal für Fröbel, der selber ein Landkind war und der ‚Landerziehung‘ so hohe Werte anerkannte. Am Rande des Thüringer Waldes und nahe der Rhön gelegen, als größere industrialisierte Landgemeinde, bildet Schweina den geeigneten Boden für eine derartige Bildungsanstalt, stellt sie doch schon während der Ausbildungszeit die Schülerinnen hinein in die Lebensverhältnisse, unter denen unsere thüringer Landkinder aufwachsen und zeigt ihnen so die Möglichkeiten der Erziehungsarbeit auf dem Lande“ (Heintze 1932, S. 194 f). Die Bezeichnung Landkindpflegerin besagt, dass dieser Beruf „dem Kinde dienen solle, und zwar dem Landkinde. Er gehört also zu der großen Gruppe von erzieherisch-pflegerischen Berufen“ (Heintze 1930, S. 8).


6Einweihung des „Friedrich-Fröbel-Hauses“ (Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Die Bildungsinstitution, welche zwei Seminarkindergärten als Praxisstätten und ein Schülerinnenwohnheim beherbergte, wurde nach Friedrich Fröbel benannt und Käte Heintze die Gesamtleitung übertragen. Aufgenommen wurden „Landmädchen und Kleinstädterinnen“ aus Thüringen, die mindestens 16 Jahre alt sein sowie über „eine gute Allgemeinbildung“ verfügen sollten, welche „auch in der gut geleiteten, neuzeitlich arbeitenden Dorfschule, ja sogar in der einklassigen Schule erworben und ergänzt durch den Eifer und Regelmäßigkeit besuchten Unterricht der ländlichen Berufsschule“ (Heintze 1932, S. 195). Die zweijährige Ausbildung zur ländlichen Erziehungsarbeit vermittelte den jugendlichen Schülerinnen vor allem Fertigkeiten in den „alleralltäglichsten Dingen wie Kochen, Reinigungsarbeiten, Nähen, Flicken und Stricken, Garten- und Kleintierpflege“ (Heintze 1935a, S. 62). Dazu konstatierte die Schulleiterin näher:

„Da die erzieherische Arbeit in einem Landkindergarten später von der Landkinderpflegerin die Gestaltung eines kleinen ländlichen Haushalts erfordern wird, muß die Ausbildungsstätte ihr hierfür zunächst die Kenntnisse geben. Haushaltspflege bildet deshalb die Grundlage, füllt das ganze erste Ausbildungsjahr aus. So vorbereitet und erprobt im Umgang mit den toten Dingen, tritt die Schülerin im 2. Ausbildungsjahr gefestigter und sicherer vor die Kinder des Kindergartens, um nun im täglichen Zusammenleben mit ihnen langsam aber stetig in die Aufgaben hineinzuwachsen, die die verständnisvolle Betreuung und Führung des Landkindes, verbunden mit körperlicher Pflege der Kinder und der Verwaltung ihres ‚Heimes‘ erfordern. Ergänzt wird diese ‚Landkinderpflege‘ durch Übungen am Krankenbett, die ein kleines Krankenhaus vermittelt und durch die Mitarbeit in der Erholungsfürsorge im geschlossenen Erholungsheim und in der ‚Sommerpflege‘ des Landkindergartens. In den Wintermonaten tritt noch eine besondere Aufgabe hinzu: die Führung sogenannter ‚Schulanfängergruppen‘, die von nahezu sämtlichen Schulanfängern Schweinas in den letzten Monaten vor der Einschulung in Anspruch genommen werden“ (1932, S. 195).

Wir wachsen ins Volk

Währen der Zeit der Nazi-Diktatur passte Käte Heintze sich dem neuen Zeitgeist an. Die Ausbildung an dem unter ihrer Leitung stehenden Fröbelhauses in Schweina umfasste neben Heimatgeschichte, Gemeinschafts- und Volkskunde nunmehr auch „Rassenkunde“ (vgl. Heintze 1935b, S 68). Sie interpretierte die von Friedrich Fröbel christlich-metaphysisch gerechtfertigte hohe Bedeutung der Einheit von Mutter und Kind entsprechend den „Worten des Führers, der in der Mutter das Unterpfand für die Ewigkeit eines Volkes sieht und die herrliche Parole ‚Mutter und Kind‘ ausgab“ (Heintze 1935a, S. 54 f).

Rechtzeitig vor dem 150. Geburtstag des Kindergartens veröffentlichte die „Neo-Fröbelianerin“ die reichbebilderte Publikation „Wir wachsen ins Volk. Bilder aus einem deutschen Kindergarten“. Die dem „kleinen Bilderbuch“ beigefügten Fotos entstammen dem Kindergarten des „Friedrich-Fröbel-Hauses“, ihrer einstigen Wirkungsstätte. Ganz im Sinne des Zeitgeistes schrieb sie:

„Der Kindergarten ist heute in Deutschland wahrhaft Volksgut geworden. Bis in die entlegensten Dörfer kennt und schätzt man ihn als Inbegriff von Geborgenheit und froher Kindergemeinschaft. Dem Dritten Reich ist der Kindergarten mehr: unentbehrliches Glied in seinem Hilfswerk für Mutter und Kind… und darüber hinaus die wichtigste Grundstufe im organischen Aufbau des großen Erziehungs- und Gesundungswerkes unseres Führers“ (Heintze 1939, S. 5).


7Schutzumschlag und Klappentext (Quelle: Ida-Seele-Archiv, Akte: Käte Heintze)Schon das kleine Kind kann von den Forderungen des „Vierjahresplanes“, ein von Adolf Hitler 1936 in Auftrag gegebenes Wirtschaftsprogramm, in welchem in binnen von vier Jahren die wirtschaftliche und militärische Kriegsfähigkeit Deutschlands erreicht sein sollte, berührt werden:
„Es kann mitsammeln, -sparen und Werte pflegen; die Herzensbindung, die es von früher Kindheit an zu der Persönlichkeit des Führers hat, hilft ihm, mit einer staunenswerten Reife hinausgehenden Ausdauer Forderungen zu erfüllen, weil ‚Adolf Hitler das so will‘“ (ebd.,S. 14).

Die in der Publikation „ansonsten beschaulich-verträumten Schilderungen kindlichen Lebens waren eher militärischen Zuständen gewichen“ (Döpp 2003, S. 206), wenn das „einzelne Kind“ mit seinen „Kameraden… Hand in Hand gefaßt, im großen Kreis zum gemeinsamen Spiel und Lied, mit ihnen lauscht im Kreise sitzend auf die Klänge der Flöte, oder auf den uralten Mythen unseres Volkes, unserer unvergleichlichen Volksmärchen. Mit ihnen wandert es zusammen hinaus in die weite Natur, mit ihnen marschiert es auch schon im Takt und Glied einer geordneten Einheit“ (Heintze 1939, S. 15). Den Kindergarten betrachtete sie als „zukunftsträchtiges, hoffnungsreiches Land voll gesunden, kraftvollen Mutterboden eines neuen deutschen Volkslebens“ (ebd.). Für die Redaktion der „Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde“ war „Wir wachsen ins Volk!“ ein Beispiel für „lebensvolle Kindergartengestaltung, die ausgerichtet ist im Geiste der nationalsozialistischen Gemeinschafts- und Volkserziehung“ (zit. n. Döpp 2003, S. 207).

Nach 1945: Ein Garten für Kinder

Nach dem Zusammenbruch der Hitlerdiktatur verfasste Käte Heintze überwiegend Beiträge über die Fröbel-Bewegung und Fröbelstätten in Thüringen, dabei nicht erwähnend die jüngste braune Vergangenheit (vgl. Heintze 1952, S. 47 ff.; 1964, S. 520 ff.). In ihrem Beitrag „Peter Petersen und die Thüringer Fröbel-Bewegung“ schrieb sie über das von ihr veröffentlichte Werk „Wir wachsen ins Volk. Bilder aus einem deutschen Kindergarten“ beschönigend verzerrend, dass „dieses kleine Bändchen besonders im befreundeten Ausland Anklang und Zustimmung fand, was für uns der beglückende Beweis dafür [war; M. B.], daß wir dort verstanden wurden in unserem Bemühen, das ewig Gültige zu wahren und uns frei zu halten vom Geist der Zeit [Hervorh. M. B.], der dem Kindergarten wesensfremde Aufgaben zuwies“ (Heintze 1964, S. 527).
Käte Heintze bedauerte, dass im Nachkriegsdeutschland die Idee des Kindergartens verloren ging und forderte eine stärkere Besinnung auf die Fröbel‘sche Idee:

„In unserer heutigen Zeit der Betriebsamkeit, der Überfülle an Reizen und Belehrung, sollten wir das stille Bildungsgeschehen stärker betrachten, das von der eigenen zähen, sorgsamen und geduldigen Gartenbestellung genährt, den ganzen Menschen erfasst. Über Körperbewegung und Körperübung, über Sinnesreize, erste Gemeinschaftserlebnisse, echte Gemütsbewegung und staunendes Ergriffensein schenkt es bleibende Eindrücke und Erkenntnisse. Fröbel sagt: ‚Wichtig, ganz besonders wichtig ist in diesem Alter das Bearbeiten von Gärten..., denn der Mensch sieht da zuerst auf einem organischen, geistig gesetzmäßigen, notwendig bedingten Wege Früchte aus seinem Tun, aus seinem Handeln hervorgehen, Früchte, die vielseitig, obgleich den inneren Gesetzen der Naturkraft unterworfen, doch auch von seiner Tätigkeit abhängen.‘ Sollten wir nicht allen Widerständen zum Trotz den Kindern unserer Heime in Großstadt und Kleinstadt, ja auch auf dem Lande, einen ‚Garten der Kinder‘ als Eigentum, als naturgegebenen Wachstumsboden, als ein Stück seelischer Heimat zu sichern suchen?“ (Heintze 1953, S. 37).

Literatur

  • Berger, Manfred: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt/Main 1995
  • Döpp, Robert: Jenaplan-Pädagogik im Nationalsozialismus, Hamburg/London 2003
  • Franke-Meyer, Diana: Kleinkindererziehung und Kindergarten im historischen Prozess. Ihre Rolle im Spannungsfeld zwischen Bildungspolitik, Familie und Schule, Bad Heilbrunn 2011
  • Heintze, Käte: Selbsttätigkeit im Kindergarten. In: Kindergarten 1920, S. 127-129
  • Dies.: Friedrich-Fröbel-Stätten in Schweina-Liebenstein, Weimar 1927
  • Dies.: Die Landkindpflegerin, Neu-Finkenkrug [1930]
  • Dies.: Der Kindergarten auf dem Lande. In: Soziale Praxis. Zentralblatt für Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege, 1931, Sp. 57-60
  • Dies.: Die Landkinderpflegerin, in: Kindergarten 1932, S. 194-196
  • Dies.: Landheimat im Dorfkindergarten. In: Döpel, Waldemar (Hrsg.): Der Dorfkindergarten als Erziehungsstätte. Weimar [1935a], S. 53-63
  • Dies.: Das Friedrich-Fröbel-Haus in Schweina und seine Landkinderpflegerinnen-Schule. In: Waldemar Döpel (Hrsg.): Der Dorfkindergarten als Erziehungsstätte. Weimar [1935b], S. 64–69
  • Dies.: Wir wachsen ins Volk. Bilder aus einem deutschen Kindergarten, Berlin 1939
  • Dies.: Fröbelstätten in Thüringen als lebendige Denkmäler. Eine Rückschau auf die Jahre 1923-1933. In: Blätter des PestalozziPestalozzi||||| Johann Heinrich Pestalozzi`s (1746 - 1827) pädagogisches Ziel war es eine ganzheitliche Volksbildung zu erreichen, und die Menschen in ihrem selbstständigen und kooperativen Wirken in einem demokratischen Gemeinwesen zu stärken. Er legte Wert auf eine harmonische und ganzheitliche Förderung von Kindern in Bezug auf intellektulle, sittlich-religiöse und handwerkliche Fähigkeiten. Grundidee ist dabei, ähnlich wie in der Montessori-Pädagogik, dass die Menschen die Fähigkeit entwickeln, sich selbst zu helfen.   -Fröbel-Verbandes. Festschrift zum Fröbel-Gedenkjahr 1952, S. 47-55
  • Dies.: Der Kindergarten - Ein Garten für Kinder. In: Blätter des Pestalozzi-Fröbel-Verbandes 1953, S. 37
  • Dies.: Peter Petersen und die Thüringer Fröbelbewegung. In: Pädagogische Rundschau 1964 S. 520-534
  • Junge, Erna: Vom Kleinkind zum Schulkind. Aus Beobachtungen einer „Vermittlungsgruppe“ in der Erziehungswissenschaftlichen Anstalt der Universität Jean im Sommer 1941“, Jena 1943
  • Petersen, Peter: Von der „Vermittlungsschule“ zur Deutschen Fröbel-Schule, Weimar 1940
  • Retter, Hein: Reformpädagogik und Protestantismus im Übergang zur Demokratie. Studien zur Pädagogik Peter Petersens. Frankfurt/Main 2007
  • Westermann, Renate: Die Fröbel-Renaissance in Thüringen, Berlin 1943


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