Netz ohne Knoten

Wo die Kita aufhört, fangen Netzwerke an. Doch zufällig entstehen diese wichtigen Kooperationen im Sozialraum nicht. Wer sind die richtigen Partner? Wo findet man sie? Und wie geht man auf sie zu? Sozialpädagogin und Fachberaterin Johanna Nolte kennt die Antworten.

Den Lebenswelten der Familien Raum geben, ihren Sozialraum gemeinsam gestalten – das bedeutet sozialraumorientiertes Arbeiten in der Kita. Die Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder und Familien sollten dabei konsequent zum Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns gemacht werden. Die Unterstützung der Bildungsprozesse der Kinder, eine gelingende Zusammenarbeit mit den Eltern und eine demokratische und partizipative Kita-Kultur sind wesentliche Handlungsfelder im sozialraumorientierten Alltag.

Unzweifelhaft ist, dass die Kita die Bedarfe der Familien nicht aus sich heraus erfüllen kann, muss und soll – weder in den zur Verfügung stehenden Ressourcen noch hinsichtlich ihres originären Auftrags und in spezifischen fachlichen Kompetenzen. Netzwerke sind dann hilfreich, wenn sie mit dem Kita-Auftrag, den Lebenswelten der Kinder und Familien und zum Sozialraum der Kita in Verbindung stehen. Dies wiederum bedeutet, dass gelingende Netzwerke nicht zufällig entstehen. Sie brauchen strategische Überlegungen, gezielte Planung und klare Vereinbarungen. Im Alltag der Kita stehen dafür nur wenige Ressourcen zur Verfügung, die klug eingesetzt werden müssen.

Wer sind wir? Standort und Ziel klären

Netzwerke fangen da an, wo die Kita aufhört. Deswegen ist es wichtig, den eigenen Standort, die eigenen Themen und Möglichkeiten zu kennen. So kann die Kita gezielt nach dem suchen, was sie braucht, und das eingeben, was sie hat. Die Lage und Geschichte der Kita, die Lebenswelt der Elternschaft, bestehende oder fehlende Infrastruktur unterscheiden sich von Kita zu Kita und bestimmen die Vernetzungsaktivitäten.

Mit einer Analyse der eigenen Stärken und Schwächen beginnt die Netzwerkplanung: Hier liegt der Grundstein der Frage, was die Kita in Kooperationen und Netzwerken als Pfund und Angebot für die Partner einbringen kann und was sie haben möchte.

Fragestellungen im Team können sein:

Netzwerkplanung – Analyse eigener Stärken und Schwächen

Stärken
1 Was lauft richtig gut bei uns?
2 Worauf sind wir stolz?
3 Was gibt uns Energie und ist Kraftquelle?
4 Welche Erfolge hatten wir?
5 Mit wem sind wir in tollem Kontakt?

Schwächen
1 Womit sind wir unzufrieden?
2 Wo kommt es immer wieder zu Störungen?
3 Welche Ablaufe sind problematisch?
4 Wo sind Dinge richtig schiefgegangen?
5 Wen hatten wir gebraucht?

Der Blick aus der Kita beinhaltet eine Einschätzung, welche Chancen und Möglichkeiten voraussichtlich offenstehen, welche Entwicklungen sich positiv auswirken können, was Erfolg versprechend ist. Auf der Risikoseite steht, was sich als schwierig erweisen wird, wo es Hürden und Einschränkungen geben könnte.

Ziel der Analyse ist es, Folgendes herauszufinden:

  • Was kann die Kita in Kooperationen und Netzwerken anbieten, was kann sie zum Erreichen des
  • gemeinsamen Ziels beitragen?
  • Was sucht die Kita in Netzwerken und Kooperationen, wo braucht sie Ausgleich und Anschluss?
  • Wie können positive Entwicklungen verstärkt und realisiert und negative Einflüsse gemeinsam abgewendet oder getragen werden?
  • Wen brauchen wir? Welche Partner müssen wir finden und gewinnen?

Mit allen zu kooperieren, ist weder sinnvoll noch effektiv. Viel hilfreicher ist es, sich zu überlegen, welche Partner besonders wichtig sind, um mit den Familien und Kindern passende Angebote zu schaffen. Eine wichtige Netzwerkregel besagt, dass Energie und Ressourcen so genutzt werden müssen, dass der eigene Nutzen groß genug ist. Es braucht nicht viele Kontakte, sehr wohl aber die richtigen! Gibt es beim möglichen Partner Interesse im Sinne einer Übereinstimmung über die Zielrichtung der Arbeit und der Motivation, sich einzubringen und Ergebnisse umzusetzen? Die Kita muss außerdem einschätzen, wer Möglichkeiten und Kompetenzen hat, die den Erfolg befördern oder behindern können. Dabei geht es etwa um Entscheidungskompetenzen und Macht, um Kontakte, um Räumlichkeiten, Personal und Geld.

Ist ein möglicher Netzwerkpartner interessiert und einflussreich, gehört er zu den Akteuren, mit denen die Kita rechnen und mit denen sie etwas bewegen kann. Hier liegen die Kernzelle des eigenen Netzwerks und die Verbündeten, die auch Entwicklungsphasen mitgestalten. Mit diesen Menschen oder Einrichtungen bekommt die Kita den Raum, um Ideen umzusetzen, jede Energie in die Vernetzung mit diesen Einrichtungen zahlt sich aus. Akteure, die nicht interessiert, aber einflussreich sind, könnten die eigene Arbeit behindern oder befördern. Diese müssen auch im Blickfeld bleiben. Wo kann man diesen Akteuren begegnen? Wie kann die Kita wichtige Entwicklungen mitverfolgen? Wie kann sie Interesse wecken und damit Fürsprecher bekommen?

Geben und Nehmen ist Netzwerk-Währung

Netzwerken funktioniert dann, wenn das Aufwand-Nutzen-Verhältnis für alle positiv ist. Es geht um das Herstellen von fairen Tauschgeschäften, in denen die jeweiligen Stärken zur Verfügung gestellt werden und eigene Schwächen damit kompensiert oder die eigene Arbeit qualitativ verbessert werden können.

Dafür stehen das gegenseitige Kennenlernen und ein Verstehen der jeweils anderen Arbeitslogik. Wie arbeitet ein Jugendamt? Wann ist eine Beratungsstelle erreichbar? Was kann die Kita leisten und was nicht? Nur wenn klar ist, wo Grenzen und Möglichkeiten der einzelnen Systeme liegen, können Schnittstellen identifiziert werden und nutzbar gemacht werden. Die Stichworte Vertrauen und Verlässlichkeit spielen hier eine große Rolle. Handlungen anderer Akteure werden einschätzbar, wenn die Grundlagen deutlich sind. Außerdem werden in diesem Prozess unmögliche Erwartungen aneinander aufgedeckt – oft wissen Systeme sehr gut, was andere Systeme leisten sollten, ohne zu wissen, was diese leisten können!

Weswegen sollten Akteure mit der Kita zusammenarbeiten?
Drei Fragen können neugierig machen und versprechen, Ideen für eine gemeinsame Motivation zur Zusammenarbeit zu bekommen:
  • Was ist der Kernauftrag des anderen?
  • Was tut er hauptsächlich, was gehört zum Arbeitsfeld? Welche gesetzlichen Grundlagen hat er?
  • „Gehe eine Meile in den Mokassins des anderen“: Ein Verstehen der angrenzenden Arbeitsfelder öffnet
  • häufig das Verständnis für Kooperationswillen und -unwillen. Es ist verblüffend zu erleben, wie jedes
  • System und jedes Verhalten sinnvoll sein kann, wenn wir verstehen, wie es funktioniert.
  • Was suchen wir konkret beim anderen? Kann dieser dies tatsachlich geben? Je genauer die Kita formulieren kann, was sie vom anderen erwartet, desto genauer kann dieser antworten. Es braucht einen Abgleich zwischen Nachfrage und Angebot und eine Möglichkeit, sich gegenseitig zu verstehen und zu reagieren.
  • Was können wir anbieten, was für ihn hilfreich ist? Was wollen wir tauschen? Einfach zu beantworten ist meistens, was die Kita nicht einbringen kann: zum Beispiel Personal und Zeit für Aktivitäten außerhalb des Kita-Auftrags. Räumliche Ressourcen und Lage, Wissen um die Familien, pädagogische Blickwinkel und Prozesse, Aktionen für Kinder und von Kindern, bestehende Kooperationen oder multiprofessionelle Teams sind dagegen Aspekte, die für andere attraktiv sein können.

Die Aufgabe lautet: Netze knüpfen

In erster Linie sind es Gremien und organisierte Netzwerke, in denen die handelnden Personen und Organisationen sich thematisch und fallunabhängig austauschen und entwickeln können. Nicht immer ist der Gewinn der Sitzungen ein konkreter thematischer oder sofort nutzbar. Manche Netzwerke sind wichtig, weil es sie gibt oder weil sie gesetzliche oder strategische Pflicht sind. Sie sind Informationsquelle, dienen der politisch-gesellschaftlichen Sichtbarkeit und zur Positionierung der Kindertagesstätte.

Netzwerke, in denen der Schwerpunkt darauf liegt, sich gegenseitig (auch persönlich) kennenzulernen und Kooperationsmöglichkeiten zu finden, sind als Drehscheibe interessant. Hier geht es darum, die für die Kindertagesstätte wichtigen Partner anzusprechen und mit offenem Ohr mögliche hilfreiche Menschen und Organisationen zu treffen. „Netze knüpfen“ lautet die Aufgabe in diesen Netzwerken.

Sich neues Wissen anzueignen, aktuelle Ansätze und Methoden kennenzulernen und Handwerkszeug auszuprobieren, ist Ziel der Fortbildungsnetzwerke. Hier sind häufig Referenten und Experten dabei und die Kita kann nützliche Inhalte für ihren Alltag erhalten. Konzeptionelle Ideen und konkrete Projektplanungen finden meist in kleineren Gruppen statt und mit einer Zielrichtung und einem Thema. Die Kindertagesstätte kann sich hier bewusst zur Mitarbeit entscheiden – oder eben nicht. Je inhaltlicher und verbindlicher in Gremien gearbeitet wird, desto mehr Zeit und Kraft muss in die Netzwerkarbeit fliesen. Ideenschmieden sind anspruchsvoller als Kontaktdrehscheiben, strategische Netzwerke weniger vorbereitungsintensiv als Wissensvermittlung.

Also: Reflektiert entscheiden, Ressourcen gezielt einsetzen und sich geplant einbringen!

Systematisierte Kontakte sparen Ressourcen

Kontakte selbst sind nur dann hilfreich und wertvoll, wenn sie zur Verfügung stehen, wenn Bedarf oder Zeit dafür besteht. Meistens sind Visitenkarten und Flyer im ersten Moment eine gute Informationsquelle – im zweiten landen sie manchmal im Schreibtisch oder auf dem Flyerständer und sind dann, wenn man sie braucht, nicht aufzufinden. Außerdem erwerben wir im Laufe der Zusammenarbeit Wissen über den anderen, das weit über seine Kontaktdaten hinausgeht: Es braucht also eine Ordnungshilfe.

Kartei 250Die Netzwerkkartei ist dafür eine hilfreiche Möglichkeit: In dieser Kartei hält die Kindertagesstätte natürlich zuerst die üblichen Informationen fest, wie Adressen und Telefonnummern. Es gibt zusätzlich die wichtige Spalte „Ansprechpartner/-in“: häufig gibt es konkrete Menschen, mit denen die Kindertagesstätte zu tun hat. Außerdem kann sie aber ihre Erfahrungen und ihr Wissen zu Tauschverhältnissen notieren und Erinnerungen an bestimmte Besonderheiten festhalten.

In der Rubrik „Für mich relevantes Angebot“ ist Platz, um in der großen Palette der Zweige großer Träger sofort Zugriff auf die relevante Abteilung oder das Projekt zu haben. Dort wird sowohl das eingetragen, was die Kindertagesstätte beim anderen abrufen möchte, als auch das, was sie selbst anbieten kann. Damit kann sie auf einen Blick Kooperationen einschätzen und planen.

„Besonderheiten“ sind in der Kartei Informationen, Erfahrungen und wichtige Hinweise, die in der Zusammenarbeit hilfreich sein können. Zum Beispiel steht hier, dass die Beratungsstelle eine Warteliste führt und Termine deswegen erst in drei Wochen zu erwarten sind. Diese Nebeninformationen sind automatisch Teil der Vernetzungen und gehen oftmals im Alltag unter – dabei sind sie häufig der Schmierstoff der Kooperationen und machen sie wertschätzender und leichter.

Je geplanter, strukturierter und systematisierter die Vernetzungen sind, desto sicherer werden sie und desto mehr Raum für Kreativität geben sie. Kooperationsbeziehungen sind langfristig erfolgreich, wenn die Schnittmenge des Arbeitsfelds und damit das Interesse am gemeinsamen Tun ausreichend hoch ist, wenn der Gewinn für die Einrichtungen und Familien erkannt wird und eine Vertrauensbeziehung entstehen konnte. Regelmäßige Pflege und die kontinuierliche Arbeit an bestehenden Kooperationsbeziehungen sind dafür Voraussetzung – und müssen alltagstauglich sein.

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 8-2019, S. 16-19







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