Elternarbeit und Bildungspartnerschaft

Die Rolle der Eltern im Kita-Alltag hat sich gewandelt. So auch der professionelle Blick. Warum es sich lohnt, Eltern heute als Partner zu sehen, erklärt Xenia Roth im Interview mit Kerstin Hochmuth von Meine Kita. Xenia Roth leitet das Referat Kindertagesbetreuung im rheinland-pfälzischen Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen.

 
  • Früher fielen Gespräche mit Eltern oder Elternabende unter den Begriff Elternarbeit, heute sprechen wir von Bildungspartnerschaften. Inwiefern hat sich die Beziehung zwischen Fachkräften und Eltern auch inhaltlich geändert?

Xenia Roth (Foto: Studioline photography)Inhalte und Anforderungen sind ähnlich geblieben. Aber der professionelle Blick ändert sich. Früher hat man sich als alleinige Fachkraft verstanden. Und dann gab es noch die Eltern. Heute weiß man, dass die Eltern für die frühpädagogische Arbeit von erheblicher Bedeutung sind – weil sie wichtig für das Kind sind. Bei den Begrifflichkeiten Elternarbeit und Bildungspartnerschaft geht es um eine Beziehung auf Augenhöhe, um gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. Aber gleichzeitig auch um eine asymmetrische Beziehung, da für die Beziehungsgestaltung vor allem die Fachkraft verantwortlich ist. Beide Begriffe passen nicht richtig, Elternarbeit hört sich so nüchtern an und...

 
  • … irgendwie anstrengend.

 Ja genau, nach Strapazen. Und Partnerschaft hat schon fast etwas Intimes, was beide Seiten auch nicht zwingend wollen und was auch nicht notwendig sein muss. Aber Partnerschaft drückt eher den Anspruch an ein gleichberechtigtes Miteinander aus, im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung, das Kind im Blick zu haben.


  • Eltern werden im Kita-Alltag zunehmend präsenter. Warum sind sie dort so wichtig?

Kommen die Erwachsenen miteinander klar, braucht sich das Kind nicht um sie zu kümmern, es ist entlastet und kommt in keinen Loyalitätskonflikt. Kinder haben da ein intuitives Gespür und feinfühlige Antennen, ob es all denjenigen gut geht, zu denen es gehört und ob diese gut behandelt werden. Daher geht es immer auch darum, wie professionell Fachkräfte mit den Eltern umgehen. Denn nur, wenn sich Kinder frei der Welt widmen können, lernen sie.


  • Wie könnte eine funktionierende Bildungspartnerschaft konkret aussehen?

Mutter oder Vater kommen in die Kita, das Kind läuft ihnen freudestrahlend entgegen und berichtet voller Enthusiasmus, was es erlebt hat. Daraufhin kommen alle drei – pädagogische Fachkraft, Kind und Mutter oder Vater – miteinander ins Gespräch über das, was das Kind an diesem Tag erlebt hat und das Kind merkt, dass sich beide Seiten dafür interessieren und unterschiedliche Blickwinkel haben. Den der Mutter oder des Vaters, die eher zuhören und den der Fachkraft, die die Erzählung des Kindes vielleicht unterstützt oder ergänzend erklärt, je nachdem wie gut es die Eltern verstehen. Solch eine Situation zeigt sehr schön, dass das funktioniert.


  • Was haben die Fachkräfte darüber hinaus von einer guten Kita-Eltern-Beziehung?

Viele Fachkräfte würden es sicher als Zumutung empfinden, wenn ich sage, dass eine Partnerschaft mit den Eltern – wenn auch der Weg anstrengend sein kann und man viel investieren muss – zu einer Entlastung wird. Aber ich bin überzeugt, dass bei manchen Eltern dann auch erstmal die Anspannung abfällt. Und sie bekommen mit, wie anstrengend der KitaAlltag sein kann und honorieren das nochmals ganz anders. Oder sie geben Anregungen oder ehrliche Rückmeldung, was wiederum eine Weiterentwicklung nicht nur für die einzelne Fachkraft, sondern für das ganze Team sein kann. Es kann zu einem Miteinander kommen, so dass sich Eltern für Dinge in der Kita mitverantwortlich fühlen und man gemeinsam versucht, vielleicht auch Konflikte zu überwinden. Das ist sicher nicht immer einfach, weil die Ansprüche der Eltern so vielseitig sind wie die Gesellschaft, aber am Ende ist es sicherlich ein Gewinn für alle Beteiligten.


  • Was haben die Eltern davon?

Letztendlich können auch sie guten Ge­wissens ihren eigenen Dingen nachgehen wie Beruf, Pflege von Angehörigen und dergleichen und wissen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind. Nicht nur aufgrund von guten Fachkräften, sondern auch, weil ihre Kinder andere Kinder als Peergroup haben. Das wird oft unterschätzt. Und die Eltern wissen bei einer guten Zusammen­arbeit, woran sie sind. Manchen reicht einmal im Jahr ein Entwicklungsgespräch, andere fragen gerne die Fachkräfte oder andere Eltern, wie sie mit dem ein oder anderen Problem umgehen.


  • Wie sehen Sie die Rolle der Eltern?

Ich denke, dass Eltern wirkliche Unter­stützer sein können, auch für Fachkräfte. Wenn man sich das erstmal vor Augen führt und sich vorstellt, dass es so sein kann, denke ich, dass Bilder auch immer ein Stück Wirklichkeit setzen.


  • Eltern haben unterschiedliche Erwar­tungen an die Kita. Wie können die Fachkräfte diesen vielfältigen Anforde­rungen gerecht werden?

Hier ist es wichtig zu erkennen, dass es im System Kita auch Dilemmata-Situationen gibt, auf die es nicht sofort eine Antwort gibt. Dann heißt es, eine Sache von vielen Seiten zu durchleuchten und das Dilemma auch mal auszuhalten. Dann muss man sich das eigene Konzept ansehen und das, woran man sich als Fachkraft orientiert, transparent machen und verdeutlichen: „Was ist uns besonders wichtig? Was heißt das für die Eltern? Wo sind unsere Gren­zen und wo sind immer wieder Orte, wo wir über diese Grenzen ins Gespräch oder in Verhandlung kommen können?“ Dabei geht es nicht um Beliebigkeit oder darum, dass man sich nach jedem Vater oder je­der Mutter richtet, genauso wenig wie sich Eltern immer starr nach Grenzen richten müssen, sondern darum, diese Gratwan­derung gemeinsam zu gestalten.


  • Wie kann man mit niedrigschwelligen Angeboten auch Eltern motivieren, die nicht so engagiert sind? Muss eine Kita das überhaupt?

Ich beginne mal mit dem Muss: Hier kommt es sehr auf das eigene Bild an, das eine Kita von sich hat und welche Angebote sie glaubt machen zu müssen oder nicht. Solche Angebote sollten sich natürlich ergeben und nicht erzwungen sein. Grundsätzlich erfährt man nur im Gespräch, was Eltern bewegt. Und dafür gibt es weder nur das Tür-und-Angel-Gespräch, noch allein das individuelle Ge­spräch. Um zu erfahren, was ihnen wichtig ist, muss man sich für sie interessieren.


  • Wie lässt sich das umsetzen?

Das kann für die einen eine Elternecke sein, bei der ich mich als Fachkraft hin und wieder dazusetze, andere möchten gerne einmal bei einer Veranstaltung in der Kita dabei sein oder gemeinsam ko­chen oder Lieder singen. Man darf nicht die ganze Elternschaft im Blick haben, dann hat man verloren, dafür sind die El­tern zu unterschiedlich. Das Entscheiden­de ist, zu wissen, warum man etwas tut. Meint man, man müsste es tun oder ist der Bedarf wirklich da? Gibt es tatsäch­lich Eltern, die das machen möchten? Dann probiert man es aus. Und wenn es die Personalressourcen oder Räumlich­keiten nicht hergeben, dann lässt man es …


  • … und überlegt sich eine Alternative?

So ist es. In unserem Feld gibt es be­stimmte Bilder von den unterschiedlichs­ten Menschen, die denken, dass etwas so sein müsste, was aber nirgendwo steht. Stattdessen könnte man sich an­dere Möglichkeiten überlegen. Zum Bei­spiel, wenn man kein Außengelände hat, in den nahegelegenen Park zu gehen, in den auch mal Eltern dazukommen kön­nen. Und dann kann man schauen, wie das angenommen wurde und für wen das gut oder weniger gut war und daraus den nächsten Schritt ableiten. Sein Tun zu reflektieren ist ganz maßgeblich.



Erstveröffentlichung unter dem Titel "Echte Unterstützung" in: Meine Kita – Das didacta Magazin für den Elementarbereich, Ausgabe 2/2014, Seite 8 - 9. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von "Meine KiTa"
 



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