Zum Auftakt erläuterte Katharina Spreckelmeyer, zuständig für die 11 städtischen Osnabrücker KiTas mit rund 1.000 Plätzen, die Hintergründe der Verkürzung der Öffnungszeiten. Demnach gab es bei den städtischen KiTas 28 offene Stellen und wie in vielen anderen Einrichtungen auch eine hohe Fluktuation. „Die Folge waren Be- und Überlastung sowie ein Teufelskreis aus Krankmeldungen und Vertretungen“. Daher sei die Reduzierung der Kernzeiten bis 14:00 unerlässlich gewesen, um in den Randzeiten mehr Flexibilität z.B. bei Gruppenzusammenlegungen zu bekommen. Eltern und Kinder mit Bedarf bekämen aber auch weiterhin einen Platz bis 16 Uhr. Sie kritisierte, dass der gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel pro Gruppe eingehalten werden muss, unabhängig davon, wie viele Kinder in der Gruppe sind.
In der von Anne Afzal-Gach moderierten anschließenden Podiumsdiskussion sprach sich Christine Heymann-Splinter, Vorsitzende der Landeselternvertretung in Niedersachsen, deutlich gegen eine Einschränkung der Kernzeiten aus. Sie argumentierte dabei insbesondere auch aus Sicht der Eltern und ihrer für die Volkswirtschaft wichtigen und häufig systemrelevanten Berufstätigkeit. „Frühkindliche Bildung“, so unterstrich die Elternvertreterin, „bringt auch erwiesenermaßen die höchste volkswirtschaftliche Rendite“ und entsprechend forderte sie höhere Investitionen in diesen Bereich.
Nifbe-Geschäftsführerin Dr. Bettina Lamm argumentierte hingegen aus Kinderperspektive: Wie diverse Studien gezeigt hätten, bräuchten Kinder eine gute Qualität in der KiTa und das gelte insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien. In der jetzigen Situation können die Qualität und frühkindliche Bildung aber nicht mehr gewährleistet werden und zunehmend gebe es aufgrund der knappen Personalsituation kindeswohlgefährdende Zustände.
Der grüne Landtagsabgeordnete Volker Bajus warnte angesichts der derzeit kursierenden Vorschläge zur Behebung des Personalmangels z.B. durch verkürzte Ausbildungszeiten, Quereinsteiger*innen oder Assistenzkräfte vor einer „Dequalifizierung“. Er forderte „eine gute Bildung für die Kinder“ und räumte auch selbstkritisch ein: „Wir reden von 30 Jahren Politikversagen“ und einer systematischen Verarmung des Staates durch neo-liberale Strategien. „Für die KiTas ist es eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf“ resümierte er.
PIA als Erfolgsmodell
Um die Attraktivität des Berufes zu steigern, sprachen sich die Podiumsteilnehmer*innen unisono für eine bezahlte Ausbildung nach dem PIA-Modell (Praxisintegrierte Ausbildung) aus. Melanie Krause, Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen, lobte die gute Einbindung in die Praxis durch PIA, wies aber zugleich auf die dafür auch notwendigen Ressourcen für Anleitung in der KiTa hin. Christine Heymann-Splinter unterstrich: „Wir brauchen eine Vergütung vom ersten Tag an!“ Mit der Fachschulausbildung verlören die Auszubildenden fünf Jahre an Rente. Volker Bajus kündigte ab dem Sommer einen sukzessiven Einstieg des Landes in die PIA-Ausbildung und auch einen Niedersachsenplan 2.0 an.Zur Steigerung der Attraktivität des Berufs wurden unter anderem über das Land refinanzierte Zulagen für Anleitung oder für die KiTa-Arbeit in sozio-ökonomisch benachteiligten Vierteln diskutiert. Grundsätzlich, so der Tenor, müssten die Rahmenbedingungen für die Fachkräfte und damit das Image des Berufes verbessert werden – z.B. kleinere Gruppen und mehr Verfügungszeiten. Melanie Krause wies an dieser Stelle auf Städte wie Emden hin, die schon bessere Rahmenbedingungen anbieten und im Nachmittagsbereich zum Beispiel auch auf eigene Kosten Student*innen als Drittkräfte in die KiTas geholt haben. Im Hinblick auf das Gute KiTa-Gesetz kritisierte Dr. Bettina Lamm, dass zu viel Geld in die Beitragsfreiheit und zu wenig Geld in die Qualität und Verbesserung der Rahmenbedingungen geflossen sei. „Bei der Qualität ist noch viel Luft nach oben“ sagte sie.
Die Podiumsdiskussion zeigte auf, dass es kein Patenrezept gegen den Fachkräftemangel gibt und dass man zugleich an mehreren Stellschrauben drehen muss. Deutlich wurde aber auch ein grundsätzliches Dilemma zwischen der Bildung und dem Wohl des Kindes auf der einen Seite und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf der anderen Seite - und damit zwischen der Quantität und der Qualität von KiTa-Plätzen und auch des entsprechend eingesetzten Personals.
Karsten Herrmann