Appell der niedersächsischen Fachschulen Sozialpädagogik und Berufsfachschulen Sozialpädagogische Assistenz

Angesichts der schwelenden Diskussion um Reformbestrebungen in den Ausbildungen Sozialpädagogische*r Assistent*in und staatlich anerkennte*r Erzieher*in in Niedersachsen hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Fachschulen Niedersachsen den Appell „Keine Mogelpackung in der Erzieher*innenausbildung!“ verfasst.

Sie weist darauf hin, dass die Ausbildung zur staatlich anerkennten Erzieherin/ zum staatlich anerkannten Erzieher in Niedersachsen ein auf Durchlässigkeit ausgelegtes Ausbildungssystem ist, welches Ausbildungsqualität auf DQRDQR|||||Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen soll umfassende, bildungsbereichsübergreifende Kompetenzen, die in Deutschland erworbenen wurden, erfassen. Als nationale Realisierung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) soll er die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen und zur angemessenen Bewertung und Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beitragen. Zunächst sollen formale Qualifikationen des deutschen Bildungssystems in den Bereichen Schule, Berufliche Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildung einbezogen werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. In weiteren Schritten werden die informellen und nonformalen Kompetenzen ebenfalls berücksichtigt. 6 gewährleistet. Die 65 Mitgliedschulen der Landesarbeitsgemeinschaft betrachten die Reformbestrebungen, die eine Absenkung der Ausbildungsqualität und somit den Verlust des DQR 6 bedeuten, eher als einen bedenklichen Rückschritt als einen Fortschritt.

Hier der Wortlaut des Appells:



Keine Mogelpackung in der Erzieher*innenausbildung!
Appell der niedersächsischen Fachschulen Sozialpädagogik und Berufsfachschulen Sozialpädagogische Assistenz


In den vergangenen Jahren haben wir einige Herausforderungen bewältigt und in konkretes Handeln umgesetzt:
  • Modularisierung der Ausbildung zur Erzieher*in und zur Sozialpädagogischen Assistent*in!
  • Neue Rahmenrichtlinien für beide Ausbildungsgänge mit besserer Verzahnung und sukzessive steigenden Anforderungen!
  • Bachelor Niveau DQR 6 und Breitbandausbildung mit der Möglichkeit der Anrechnung von Creditpoints für ein anschließendes (Fach-)Hochschulstudium!
Diese Maßgaben waren Grundlage der Überarbeitung schulinterner CurriculaCurricula|||||Ein Curriculum ist ein Lehrplan, Modulplan oder Lehrprogramm, das Aussagen über Lehrziele und Ablauf des Lehr- Lern – Arrangement gibt und auf einer Didaktik aufbaut., mit denen die Fachschulen und Berufsfachschulen den neuen Rahmenrichtlinien Rechnung trugen und die Ausbildungsgänge in Niedersachsen zukunftssicher machten. Wir kommen fortlaufend den Forderungen von Politik und Gesellschaft nach, mit attraktiven Angeboten die Fachkräftegewinnung zu unterstützen - u.a. durch eine breitere Öffnung für Quereinsteiger, Teilzeitmodellen sowie der verpflichtenden wissenschaftlichen Facharbeit in der Oberstufe der Fachschule Sozialpädagogik.

Die aktuellen bildungspolitischen Diskussionen zu erneuten grundsätzlichen Reformen der sozialpädagogischen Ausbildungen gehen unserer fachlichen Einschätzung nach in die falsche Richtung.

Wir befinden uns bereits auf dem richtigen Weg und fühlen uns durch die Ergebnisse der OECDOECD||||| OECD beinhaltet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und besteht aus 34 Mitgliedsstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die Organisation wurde 1961 gegründet und hatte den Wiederaufbau Europas als Ziel.  -Studie „Gute Strategien für gute Berufe in der frühen Bildung: Acht Maßnahmen aus OECD-Ländern.“ bestätigt.

Wir möchten deshalb erneut unsere Position in den Fokus rücken und ihr durch diesen Appell Nachdruck verleihen!
 
 
1. Den Status von Berufen in der frühen Bildung fördern, die Vergütung verbessern und Männer verstärkt zur Aufnahme einer Tätigkeit in der frühkindlichen Bildung ermutigen

Die Attraktivität des Berufes wird nicht durch dessen Abwertung gefördert. Die Öffnung für fachfremdes Personal unter dem Label „Betreuungsauftrag“ widerspricht unserem Anspruch, die Ausbildung für Bewerber*innen mit höheren Bildungsabschlüssen attraktiv zu machen. KiTas sind Bildungseinrichtungen und nicht nur Betreuungseinrichtungen. Die hohen Ausbildungszahlen – alleine im Schuljahr 2019/20 konnten diese in den Fachschulen für Sozialpädagogik um nochmals 900 Schülerinnen und Schüler gesteigert werden – verweisen auf die bereits bestehende hohe Attraktivität der Ausbildung. Kein anderer Ausbildungsgang konnte in den letzten 10 Jahren derartige Steigerungsraten aufweisen. Auf der anderen Seite konstatiert das Fachkräftebarometer Frühe Bildung, dass 30% der ausgebildeten Erzieher*innen innerhalb der ersten fünf Berufsjahre die Kindertageseinrichtungen wieder verlassen, bei Kindheitspädagog*innen ohne Fachschulausbildung liegt der Anteil sogar bei 44% (s. Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2019“, S.150 ff.). Demnach ist nicht die Ausbildung unattraktiv, sondern die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Bezahlung der Fachkräfte in der frühen Bildung sowie das Ansehen in der Gesellschaft.

In der aktuellen Debatte wird der Fokus deutlich auf die frühkindliche Bildung im Elementarbereich gerichtet; Fachkräftegewinnung für Krippe und Kindergarten ist als primäre Zielsetzung definiert, insbesondere auch die Anwerbung männlicher Auszubildende. Da jedoch verhältnismäßig viele angehende Erzieher ihren künftigen beruflichen Schwerpunkt in der Jugendarbeit sehen, führt die Fokussierung auf frühkindliche Bildung in der Bewerbung mutmaßlich nicht zum Erfolg. Die Vorzüge der Fachschulqualifizierung als Breitbandausbildung mit Weiterbildungsmöglichkeiten und individueller Spezialisierung auch auf Jugendarbeit geraten in Anbetracht neuer Konkurrenzangebote, wie der explizit für den Elementarbereich konzipierten Ausbildung zur Fachkraft KiTa, völlig aus dem Blick.

Unser Appell:
Das Land Niedersachsen muss die Breitbandausbildung sowie das ‚Berufsbildende Lehramt Sozialpädagogik‘ als attraktiven Berufsweg mit einer öffentlichkeitswirksamen Imagekampagne bewerben. Die (Kosten)-Träger sind am Zug, die Finanzierungsmodelle der Fachschulausbildung durch die N-Bank auch auf die Erstausbildung in der Berufsfachschule zu übertragen, den Beruf der Erzieher*in durch eine Anhebung der Entlohnung zu stärken, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und auf diese Weise auch die Verweildauer im Beruf zu erhöhen.
 
 
2. Strategien zur Stärkung der Qualifikationen frühpädagogischer Fachkräfte umsetzen, Praxiserfahrung in der Erzieherausbildung stärken und alternative Wege in die frühe Bildung eröffnen

Die OECD fordert eine Anhebung der Zugangsvoraussetzungen und Standards für die Erstausbildung. In den Bestrebungen, die Zahl der Fachkräfte zu erhöhen, registrieren wir aktuell einen gegenläufigen Trend, nämlich das Einreißen bisheriger Standards. Den Ansatz der OECD, die Zugangsvoraussetzungen differenzierter auf die künftige Tätigkeit der Auszubildenden abzustimmen, tragen wir über die inhaltliche Ausgestaltung der Ausbildungsgänge gerne mit, doch sollte dies nicht eine grundsätzliche Senkung der Zugangsvoraussetzungen zum Ergebnis haben.

Eine Stärke der bisherigen Ausbildung in Berufsfachschulen und Fachschulen ist die Verknüpfung von Theorie und Praxis durch einen hohen Stundenanteil des Moduls „Durchführung der Praktischen Ausbildung“ in den Rahmenrichtlinien sowie durch handlungsorientierten Unterricht, der den Theorie-Praxis-Transfer in den Modulen des berufsbezogenen Theoriebereichs sicherstellt. Die fachlich begleitete und angeleitete Praxiserfahrung stellt ein wichtiges Kernelement qualifizierter Ausbildung dar. Nach Beschlüssen der Landesregierung soll Fachabiturienten des Beruflichen Gymnasiums künftig automatisch die Berufliche Qualifikation der Sozialpädagogischen Assistent*in zugerkannt werden - bei deutlich geringeren Praxisanteilen in den Rahmenrichtlinien! Es wird hierbei konträr zu den Empfehlungen der OECD gehandelt. In der Theorie auf dem Stand der Sozialpädagogischen Assistent*in - aber nicht in der Praxis! Wird hier Arbeit auf die Praxisanleiter*innen in den Einrichtungen abgewälzt und der Stellenwert der Berufsfachschulen verringert?

Die Berufsfachschulen und Fachschulen haben in den letzten Jahren bereits viele „alternative“ Wege in die frühe Bildung umgesetzt. Quereinstiege, berufs- bzw. tätigkeitsbegleitende Teilzeitausbildungen und Nichtschüler*innenprüfungen sind Beweis einer den bildungspolitischen Bedürfnissen angepassten Schulkultur, die vieles möglich macht und dabei stets die heterogenen Lebensbiographien der Bewerber*innen zu berücksichtigen versucht. Damit geht jedoch auch ein immer höherer Beratungsbedarf einher, den die Lehrkräfte bislang ohne zusätzliche Anrechnungsstunden leisten. Wir stellen uns dieser Aufgabe, sehen aber die Grenzen der Belastbarkeit erreicht und prognostizieren ein sinkendes Niveau sowie höhere Abbrecherquoten bei einer weiteren Öffnung der Zugangswege.

Unser Appell:
Verantwortungsbewusstes Handeln zum Wohle der frühkindlichen Bildung erfordert eine Ausbildung auf DQR6. Eine Absenkung der Zugangsvoraussetzungen, Verkürzung und weitere Diversifikation der Ausbildung führt zur Abwertung des Berufes und schadet dem Berufsbild. Der Klarheit und Übersichtlichkeit der Ausbildungswege sind Priorität einzuräumen.
 
 
3. Berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung stärker fördern

Befragungen der Einrichtungen im Elementarbereich zeigen, dass die Bindung erfolgreicher Fachkräfte nach Ausbildungsabschluss ein großes Problem darstellt, insbesondere in Relation zu anderen Berufen, die signifikant höhere Bindekraft haben. Die Weiterqualifizierung von Erzieher*innen sollte demnach in der bildungspolitischen Debatte einen höheren Stellenwert einnehmen. Erste Ansätze sind mit Kooperationen zwischen Berufsbildenden Schulen und Universitäten - beispielsweise ein pädagogisches Fernstudium im konsekutiven Modell mit Anrechnung der im Rahmen der Fachschulausbildung erworbenen Credit-Points - vorhanden. Diese müssten ausgebaut, strukturell gefördert und möglichst fleckendeckend verankert werden.

Die Einrichtung der berufsbegleitenden Teilzeitklassen war mit erheblichen schulinternen personellen Ressourcen verbunden, da teilweise Teilzeit- und Vollzeitklasse in Konkurrenz zueinander standen und jeweils unter dem Budget von 22 Schüler*innen geführt werden mussten.

Hier haben die Schulen dennoch geliefert. Nun liegt es an den politisch Verantwortlichen, durch nachhaltige Finanzierungsmodelle den Auszubildenden und Fachschulen Planungssicherheit zu geben. Zeitlich befristete Förderungen (Quik-Kraft, Gute KiTAa-Gesetz, Fachkräfteoffensive) sind gute Impulse, reichen aber alleine nicht aus, um das Vertrauen in dauerhafte politische Wertschätzung sozialpädagogischer Ausbildungsberufe zu stärken.

Unser Appell:
Die Teilzeitausbildungen brauchen langfristigen finanziellen Rückhalt und die Bereitschaft der Träger, Auszubildende in Teilzeit einzustellen. Außerdem sind Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen für Erzieher*innen auszubauen.

Der Vorstand der LAGderFSP
(Silvia Haag, Stefanie Kuhlmann, Daniel Vollbrecht, Daniel Müller)

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