Die Armut und soziale Benachteiligung von Kindern und ihren Familien gerät in den KiTas neben anderen Vielfaltsaspekten wie Kultur, Gender oder Handicaps zunehmend in den Fokus. Lange wurden die vielschichtigen Folgen von Armut unterschätzt, weil sie häufig auch eher versteckt sind und sich eher schleichend bemerkbar machen.

poppeIm Rahmen einer Methodenwerkstatt für die ProzessbegleiterInnen in der nifbe-Qualifizierungsinitiative „Vielfalt leben und erleben!“ beleuchtete Sabine Poppe in einem Workshop die Dimensionen von Armut und zeigte Ansätze für das armutssensible Handeln in der KiTa auf. Sabine Poppe leitete von 2012 – 2015 das Remscheider Projekt „Jedem Kind alle Chancen“, in dem kommunale Netzwerke für die Armutsprävention und armutssensible Konzepte für Kinder insbesondere auch in KiTas entwickelt wurden.


Nach einer EU-Definition ist in Deutschland arm, wer weniger als 50 bzw. 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens hat bzw. sozialhilfe-berechtigt ist. Bundesweit liegt die offizielle Armutsquote derzeit bei knapp 20 Prozent und in Niedersachsen nach Zahlen aus dem Jahr 2015 bei 14,6 Prozent. Hier gibt es allerdings gravierende Unterschiede zwischen dem ländlichen Raum wie dem Emsland, wo die Armutsquote nur bei 6,5 Prozent liegt und Städten wie Delmenhorst, Wilhelmshaven oder Hannover, wo die Armutsquote zwischen 27 und gut 28 Prozent liegt. Besonders von Armut betroffene Gruppen sind Menschen mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende oder auch kinderreiche Familien.

Wie Sabine Poppe in ihrem Vortrag ausführte, hat Armut Auswirkungen auf vier Ebenen:
  • Materiell (Kleidung, Wohnen, Nahrung, Partizipation)
  • Sozial (soziale Kompetenz, soziale Kontakte)
  • Gesellschaftlich (physisch und psychisch)
  • Kulturell (kognitive Entwicklung, Sprache, Bildung, kulturelle Kompetenzen)
Neben der strukturellen Armutsprävention stellt sich die individuelle Förderung und Stärkung als entscheidende Ebene der kindbezogenen Armutsprävention dar. Hier geht es, so Sabine Poppe, einerseits um personale Ressourcen wie die Stärkung der Resilienz und andererseits um soziale Ressourcen bzw. Schutzfaktoren innerhalb und außerhalb der Familie.

Als Schlüssel für die kindbezogene Armutsprävention in der KiTa führte Sabine Poppe sieben Punkte an:

  1. Anmeldung, Vormerkung, Zugang zum Angebot (z.B. Transparenz über Zugangskriterien, Eltern persönlich an Vormerkung erinnern, großzügiger Umgang mit Terminüberschreitungen, Kinder möglichst früh aufnehmen)
  2. Übergang von Familie in Kita (z.B. wertschätzende Kontaktaufnahme, Hausbesuch, Begleitung in der Kita, Nachfrage wegen Behördenhilfen)
  3. Konzept der Kita (z.B. Kosten gering halten, Angebote für alle Kinder zugänglich, Arbeit in Kleingruppen mit Fokus Sprachbildung, Bewegung, Naturangebote, regelmäßige Ausflüge
  4. Interaktion in der Kindergruppe (z.B. Kinder stärken, viele kleine Tür-/Angelgespräche, Wechselkleiderfundus, Ausgrenzung in der Kindergruppe besprechen)
  5. Arbeit am Thema „Armut“ im Team (z.B. Fachwissen über Armut sowie Sozialdaten des Stadtteils, Fallbesprechungen, Planung pädagogischer Vorhaben ohne Zusatzkosten)
  6. (Zusammen)Arbeit mit den Eltern (z.B. intensive und kontinuierliche Information, Umsetzung von Begegnung, Beratung, Bildung, Begleitung, Budget und Beteiligung)
  7. Vernetzung und Kooperation (z.B. Angebote in den Einrichtungen, gegenseitiger Informationsaustausch, gemeinsame Projekte verschiedener Einrichtungen, aktive Mitarbeit in Netzwerken)
In Bezug auf die armutssensible Zusammenarbeit mit Eltern in der KiTa wies Sabine Poppe auf einen erhöhten Beratungsbedarf, auf möglicherweise erhöhte administrative Aufgaben (wie Kostenübernahmen, Zahlungsrückstände, Mahnungen) sowie auf die Problematik von Zusatzkosten z.B. für gesundes Essen, kulturelle Angebote oder Ausflüge hin. Hier müssten von vornherein Zusatzkosten vermieden oder aufgefangen werden, z.B. durch einen Förderverein.

Mit armutssensiblen Blick auf die Kinder gelte es insbesondere zu wenige Bewegung oder schlechte Ernährung in der KiTa zu kompensieren und beispielsweise über einen Fundus an Kleidung oder Materialien (Bücher, Stifte, Blöcke) mögliche Mangelzustände auszugleichen.

Wie für den Umgang mit anderen Vielfaltsaspekten brauchen pädagogische Fachkräfte für den Umgang mit Armut bei Kindern und Eltern eine Kompetenz-Trias aus „Haltung“ (von Offenheit über die Reflektion eigener Vorurteile bis zur Ressourcenorientierung) und Wissen sowie entsprechender Fertigkeiten und Sozialkompetenzen. Von zentraler Bedeutung sei hier auch, so Sabine Poppe, die insbesondere von der Leitung systematisch voranzutreibende Kooperation und sozialräumliche Vernetzung. In diesem Sinne ist armutssensible Arbeit in der KiTa wie der Umgang mit Vielfalt generell auf ein breites Unterstützungssystem angewiesen.

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Lesetipps:

WiFF-Expertise: Armutsbetroffene Kinder in der KiTa

Kinderbücher zum Thema Armut


Karsten Herrmann