Portfolioarbeit heute

Impulse zum individuellen Dokumentieren

Das Erstellen eines PortfolioPortfolio||||| Ein Portfolio bezeichnet ursprünglich  eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs. Im  Handlungsfeld frühkindliche Bildung werden Portfolios beispielsweise wie "Ich- .Mappen" für Kinder genutzt um eigene Fortschritte zu dokumentieren. Auch in Studiengängen gibt es Beispiele, wo Portfolios als Prüfungsleistung oder Dokumentation von Entwicklungen zählen können. s ist ein umfassendes Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren, das sowohl die Entwicklungsdokumentation als auch die Beobachtung und Dokumentation der Bildungsprozesse der Kinder beinhaltet. Aus diesem Grund entscheiden sich sehr viele Kitas, diese Methode in ihre Arbeit zu integrieren. Wie dies gelingen kann, wird hier aufgezeigt.


Leon (2,5 Jahre) spielt seit Tagen sehr ausdauernd mit der Holzeisenbahn. Die Erzieherin beobachtet Leon dabei und ist sich sicher, dass Leon mehr Schienen und Wagons benötigt und besorgt sich diese aus der Nachbargruppe. Am kommenden Tag spielt Leon trotz der Fülle von weiteren Schienen und Wagen ausschließlich wieder mit den zwei Eisenbahnwagons des Vortages. Die Erzieherin beobachtet Leons Vorgehen weiter und stellt fest, dass er damit experimentiert, wie die Wagons sich anziehen und abstoßen und ob das mit anderen Gegenständen auch funktioniert. Also ist Leon eher an Magnetismus interessiert als an dem Thema Eisenbahn. Folgerichtig stellt die Erzieherin verschiedene Materialien zum Experimentieren mit Magneten in der Bauecke bereit. Sie dokumentiert Leons Experimentieren und legt die Dokumentation dieser Beobachtung in Absprache mit dem Kind in sein Portfolio.


Bestandteile eines Portfolios

Ein Portfolio setzt sich immer aus mehreren Bestandteilen zusammen. Zum einen aus der Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsprozessen. Grundlage für diese Dokumentation ist die Beobachtung in Alltagssituationen, Übergangssituationen und Dialogen mit den Kindern und deren Familien. Erfasst werden hier individuelle Kompetenzen, Lernstrategien und Vorstellungen der Kinder. Zum anderen werden im Kompetenzportfolio Fähigkeiten und Fertigkeiten von den Kindern selbst dokumentiert. Hier werden Seiten wie: „Das bin ich!“, „Meine Familie!“, „Meine Freunde!“, „Das mag ich, das mag ich nicht!“ u. v. m. gestaltet. Die Erzieher unterstützen die Kinder dabei. Des Weiteren wird im Familienportfolio der familiäre Kontext der Kinder von den Familien ergänzt. Inhalte können hier Briefe an die Kinder in Übergangsituationen, Berichte von Aktivitäten mit der Familie, Beobachtungen von Bildungsprozessen im familiären Umfeld u. v. m. sein.

Portfolio – Was ist das eigentlich?

Beim Portfolio des einzelnen Kindes geht es nicht um ein Vorzeigemodell oder „Fotoalbum“, sondern um eine möglichst authentische Sammlung, mit aller Akzeptanz der Individualität des jeweiligen Kindes. Es ist immer individuell und persönlich auf das Kind bezogen und beschreibt es umfassend. Folgende Aspekte sind für die Portfolioarbeit weiterhin wichtig: Das Portfolio gehört den Kindern und ihren Familien und ist ihnen jederzeit zugänglich. Mit dem Portfolio wird gemeinsam mit Kindern und Familien kontinuierlich und regelmäßig gearbeitet. Es wird erst dann sinnvoll, wenn es Ausgangsbasis für die pädagogische Planung und deren Reflektion ist.

Der „Zeit“-Faktor
In der Praxis stellen Sie sicher auch häufig fest, dass es noch viele offene Fragen und Widersprüche bei der Umsetzung im pädagogischen Alltag gibt. Als zentrale Herausforderung wird hier oft Zeitmangel angeführt. In Gesprächen mit Erzieherinnen wird immer wieder deutlich, dass die Arbeit mit dem Portfolio oft als etwas Zusätzliches und Aufwendiges verstanden wird. Neben dem Dokumentationsverfahren zur Entwicklung, werden zum Teil in „Kraftakten“ diverse Fotos, Kinderarbeiten o. Ä. in schön gestaltete „Sammel-Ordner“ der Kinder eingeklebt und beschriftet. Oft liegen die Geschehnisse, die dort festgehalten werden, doch schon einige Zeit zurück. So sehen sich viele Portfolios leider sehr ähnlich, da für alle Kinder die gleichen Vorlagen benutzt werden: „Mein erster Tag“, Selbstbildnisse, Hand- und Fußabdrücke, „Mein Geburtstag“, Sommerfest etc. Eine Struktur ist hierbei generell zu befürworten, nur sollte als zweite Komponente die individuelle Entwicklung zu erkennen sein.

Fragen zum Inhalt des Portfolios
Viel zentraler sollten hierbei im Team die Fragen nach dem Inhalt sein: „Welchen Nutzen haben alle Beteiligten von dieser Arbeit? Geht mir durch die zusätzliche Arbeit nur wertvolle Zeit an den Kindern verloren? Welche Ressourcen stehen mir zu Verfügung und wie teile ich sie sinnvoll ein?“.

Um die Portfoliomethode gut in den Alltag von Kindertagesstätten zu integrieren, ist es notwendig Antworten auf diese Fragen für Ihre Einrichtung zu entwickeln. Es ist ganz einfach: die Dinge, die wir gern tun und die uns von Nutzen sind, gehen wir mit Motivation an. Um die zentrale Frage des Nutzens und der Motivation zu beantworten, ist es gut sich einmal gedanklich in die „Schuhe aller Beteiligten“ zu versetzen. Wo liegt also der Nutzen des Verfahrens für die Kinder, die Eltern, für das Team und wo liegt er für mich persönlich? Stellen Sie sich als Team diesen Fragen und ziehen Rückschlüsse für die Umsetzung in Ihre Praxis. Der erste Schritt ist die Beobachtung und Dokumentation als Grundlage für die pädagogische Arbeit zu sehen. Wenn wir also eigentlich nicht wirklich handlungsfähig sind, ohne zu beobachten, müssen wir sicherstellen, dass die Erkenntnisse aus der Portfolioarbeit fest in unserer täglichen Arbeit verankert und genutzt werden. Die Portfoliomethode bietet neben dem Entwicklungspotential für die Kinder auch für die Fachkräfte viele Möglichkeiten zur Selbstreflektion, zur Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit (z. B. Feststellung von Fortbildungsbedarf) und Team- und Konzeptionsentwicklung. Darüber hinaus dienen Portfolios als Grundlage für Entwicklungsgespräche und damit für die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern.

Ein stetiger Kreislauf
Sinnvolle Portfolioarbeit verläuft in einem stetigen Kreislauf. Es genügt nicht, Erlebnisse und Arbeitsergebnisse der Kinder zu archivieren. Vielmehr sollten wir Erkenntnisse daraus ziehen und sie als richtungsweisend für unsere Planung verstehen. Der Kreislauf beginnt zunächst mit den Beobachtungen, diese werden im Dialog mit Kindern, Kollegen und ggf. Eltern ausgewertet, interpretiert, Arbeitshypothesen gebildet und Handlungen mit dem einzelnen Kind oder einer Kindergruppe geplant und umgesetzt.

Wichtig ist, die Angebote zu überprüfen, zu reflektieren und wiederum zu beobachten, wie die Kinder darauf reagieren, welche Ideen die Kinder daraus entwickeln, was sie berichten usw. Daraus werden sich neue Impulse ergeben, die wieder in die Planung einfließen.

Strukturen überdenken
Um Portfolioarbeit in den Alltag zu integrieren, braucht es die konzeptionelle Verankerung, um so mit Strukturen die Ressourcen für diese Arbeit zu schaffen. Integrieren Sie die Portfolioarbeit als pädagogisches Angebot fest in Ihren Alltag. Planen Sie z. B. einen Tag in der Woche ein, um gemeinsam mit den Kindern an ihren Ordnern zu arbeiten. Beobachtungen, Geschichten, Produkte, Fotos etc. können z. B. in den Fächern der Kinder oder extra Hängeregistern gesammelt werden und eine Erzieherin bespricht und bearbeitet z. B. gemeinsam mit ihren „Bezugskindern“ die Portfolios.

Checkliste Portfolio

Um eine einheitliche Vorgehensweise bei der Führung der Portfolios im Haus zu entwickeln, ist die Erarbeitung von einheitlichen Standards sinnvoll.

Struktur & Verantwortung
  • Welche Strukturen benötigen Sie, um sicherzustellen, dass kontinuierlich an den Portfolios gearbeitet werden kann, Beobachtungen reflektiert werden können und die Grundlage für Ihre pädagogische Arbeit sind?
  • Wie sichern Sie die Beteiligung der Kinder und Eltern an den Portfolios?
  • Wie stellen Sie sicher, dass Kinder und Familien jederzeit Zugang zu ihren Portfolios haben?
  • Werden Vorlagen benutzt? Wenn ja, welche? Wichtig ist jedoch, dass sie nicht in Zugzwang kommen und für jedes Kind alle Vorlagen abarbeiten müssen.
  • Welche Einteilung erscheint Ihnen sinnvoll (chronologisch von „unten nach oben“, nach Alter der Kinder oder Gruppenzugehörigkeit, Themenschwerpunkten, Familienseiten usw.)?


Alles geht, nichts muss?
Portfolios finden sich zwar in fast jedem Gruppenraum, die Gestaltung in der Praxis ist jedoch sehr unterschiedlich. In einigen Einrichtungen führen die Kinder ihre Ordner fast selbstständig, andere Erzieher sehen sich eher als Co-Autoren und wieder andere Teams heften vor dem Übergang in die neue Gruppe oder die Grundschule gesammelte Fotos, Arbeiten der Kinder und Dokumente in den Ordner ab und überreichen diesen als Abschiedsgeschenk. Damit ist auch die Gestaltung sehr verschieden. Einige Teams entscheiden sich für Texte auf Vordrucken mit dem PC verfasst, andere gestalten die Seiten eher handschriftlich mit Fotos. Es gibt integrierte „Lerngeschichten“, Briefe an Kinder von Eltern und Erziehern, Kinderarbeiten aus frei entstandenen Lernsituationen oder kombinierte „Sammelmappen“ mit Produkten von gezielten Angeboten u. v. m. Der Aufbau der Ordner ist dementsprechend ebenso unterschiedlich.

Von einer chronologischen Führung von „unten nach oben“, Einteilung nach Schwerpunkten oder Entwicklungsbereichen und Weiterführung oder Neubeginn bei Gruppen- oder Einrichtungswechsel ist alles möglich. Diese Unterschiede können sich auch innerhalb einer Einrichtung wiederfinden.

Prüfen Sie, ob die Inhalte, Einteilung und Führung der Portfolios zu ihrer pädagogischen Konzeption passen, und entwickeln Sie eigene Standards für ihren Umgang mit dem Sie sich identifizieren können. Eine einheitliche Vorgehensweise in einer Einrichtung ist hierbei empfehlenswert.

Planung im Team
  • Zur Entwicklung einer Beobachtungs- und Dokumentationskultur in Ihrem Team empfiehlt sich ein planmäßiges Vorgehen:
  • Für die zeitliche und personelle Planung ist es wichtig, vorab den Aufwand für Beobachten, Dokumentation, Dialog mit den Kindern und den kollegialen Austausch abzuschätzen und dementsprechend fest einzuplanen.
  • Bilden Sie z. B. „Kleinteams“ (gruppenübergreifend), die sich gegenseitig für die Beobachtung von Kindern personell absichern und regelmäßig in den Austausch über ihre Beobachtungen kommen.
  • Planen Sie in Ihren Teambesprechungen Zeit für Fallbesprechungen als Tagesordnungspunkt fest ein und legen fest, wer wann berichtet. So entsteht mit der Zeit eine Selbstverständlichkeit und Professionalität. Halten Sie die Planung sichtbar für alle Teammitglieder fest und legen evtl. einen „Plan B“ fest.
  • Ordnen Sie Ihre „Portfoliokinder“ zu. Wer beobachtet welches Kind, wann und wie oft. Sorgen Sie für die Verfügbarkeit der Verfahren und technische Hilfsmittel.


Gestaltung
  • Wie ist das Erscheinungsbild der Portfolios? In vielen Kitas werden Ordner benutzt. Aber auch hier ist Vielfalt möglich. Einige Einrichtungen entscheiden sich auch für Boxen, Register o. Ä.
  • Sollen alle Portfolios gleich aussehen, Farben oder Symbole der Gruppen widerspiegeln oder ganz individuell von Kindern und Familien gestaltet werden?
  • Wie werden die Portfolios aufbewahrt?


Organisation
  • Wie funktioniert die Finanzierung der Portfolios?
  • Wer organisiert die Ordner, Boxen etc. und evtl. Folien?
  • Wie ist das Entwickeln oder Drucken der Fotos organisiert?
  • Arbeiten Sie evtl. mit Videoaufnahmen?
Eltern beteiligen
Um die Eltern gut bei der Portfolioarbeit zu beteiligen, braucht es eine konzeptionelle Einbindung der Portfolios in die Erziehungspartnerschaft. Eine frühzeitige Information, bereits bei der Aufnahme des Kindes in die Einrichtung, über die Bedeutung der Beobachtung und Dokumentation für ihre pädagogische Arbeit und die Bedeutung der Mitarbeit durch die Eltern schafft die erste Grundlage für eine gute Zusammenarbeit. Bringen Sie den Eltern die Portfolioordner immer wieder ins Gedächtnis. Regelmäßige Portfolioaktionen, wie z. B. „Portfoliowochen“, in denen die Ordner der Kinder mit nach Hause genommen werden können, oder Plakate im Eingangsbereich der Kita, die das Thema beleuchten, u. v. m. können dafür hilfreich sein. Gibt es Portfoliovorlagen für die Eltern, auf die sie Zugriff haben?

Selbstverständlich werden die Portfolios als Grundlage für Elterngespräche genutzt. Warum nicht den Anfang eines Gesprächs mit den Eltern gemeinsam mit ihren Kindern gestalten? Die Kinder können ihre Ordner selbst vorstellen und zeigen, was ihnen in der vergangenen Zeit besonders wichtig war. Das Aufzeigen der eigenen Entwicklung mit allem, was dazugehört, ist es, was ein Portfolio ausmacht.

Literatur

  • Groot-Wilken, Bernd: Portfolioarbeit leicht gemacht. Leitfaden zur
  • systematischen Dokumentation von Bildungsverläufen in Tageseinrichtungen.
  • Cornelsen, 2008
  • Viernickel, Susanne / Völkel, Petra: Beobachten und Dokumentieren
  • im pädagogischen Alltag. Herder, 2009

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus klein&groß 10-2017, S. 16-19




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