Sprachbildung und Sprachförderung - eine Einführung

In der bildungspolitischen Debatte und elementarpädagogischen Praxis nimmt die Sprachbildung bzw. Sprachförderung eine zentrale Rolle ein. Sprache gilt als die entscheidende Schlüsselkompetenz für gelingende Bildungsbiographien und die gesellschaftliche Teilhabe.

Historisch gesehen forderte bereits Friedrich Fröbel eine nachgehende und vorschreibende Spiel- und Spracherziehung, die sensorische, motorische, kognitive und sprachliche Elemente verknüpft. Daraus entwickelte sich vor allem eine „situativ beiläufige“ Sprachförderung über Sprachspiele und Gesang im Gegensatz zu einer systematisch angelegten, eher fordernden Sprachförderung, die vernachlässigt wurde. In den 1960er/1970er dominierten  in den Kindertagesstätten dann eher funktionale Sprachförderungen, die vor allem einen linguistischlinguistisch|||||Linguistik ist die Bezeichnung der Sprachwissenschaft,  die in verschiedenen Ansätzen die menschliche Sprache als System untersucht, sowie deren Bestandteile, Einheiten und Bedeutungen.en Fokus auf Sprache legten und nicht zwangsläufig auf eine ganzheitliche kommunikative Entwicklung der Kinder ausgerichtet war. Dies änderte sich mit der Verbreitung des Situationsansatzes ab Mitte der 1970er, nachdem die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz (insbesondere  auch der Kinder mit Migrationshintergund) im Vordergrund bezüglich Sprachförderung stand.

 

Sprachbildung und Sprachförderung

In den Niedersächsischen Handlungsempfehlungen zur Sprachbildung und Sprachförderung  von 2012 werden diese zwei unterschiedlichen Ansätze mit den Begriffen Sprachförderung und Sprachbildung definiert:

 

  •  „Mit Sprachförderung sind die pädagogischen Tätigkeiten der gezielten Anregung und Begleitung bei der  Entwicklung einer speziellen sprachlichen Fähigkeit gemeint. Dies kann sich auf den individuellen Fall beziehen – etwa, wenn bemerkt wird, dass ein einzelnes Kind Schwierigkeiten mit der Bildung bestimmter Laute oder eines einzelnen grammatischen Phänomens hat. Es kann sich aber auch an Kindergruppen richten, die eine besondere Unterstützung dabei benötigen, die nächste Hürde in der sprachlichen Entwicklung zu nehmen. Förderung ist also auf spezifische sprachliche Phänomene gerichtet und wird in der Regel beendet werden, wenn die angestrebte Entwicklung erreicht ist.“
  • „Sprachliche Bildung hingegen begleitet den Prozess der Sprachaneignung kontinuierlich und in allen Facetten, die im jeweiligen Entwicklungsstadium relevant sind. Sie zielt darauf ab, dass Kinder Sprachanregung und Begleitung erleben, die dem Ausbau ihrer sprachlichen Fähigkeiten insgesamt zugutekommen, also auch jenen sprachlichen Fähigkeiten, in denen ein besonderer Förderbedarf im obigen Sinne nicht gegeben ist. Sprachliche Bildung richtet sich an alle Kinder; sie führt zu einer weitreichenden sprachlichen Kompetenz, verstanden als die Fähigkeiten, sich in den unterschiedlichsten Situationen angemessen und nuancenreich ausdrücken zu können und vielfältigen Verstehensanforderungen gerecht zu werden.      Sprachbildung ist damit die systematische Anregung und Gestaltung von vielen und vielfältigen Kommunikations- und Sprechanlässen im pädagogischen Alltag der Kindertageseinrichtungen."

 

Vielzahl verschiedener Programme

Innerhalb dieser beiden Bereiche entwickelte sich in den vergangenen Jahren eine schier unübersehbare Vielzahl verschiedener und in Ansatz und Begrifflichkeit auch sehr unterschiedlicher Programme, Modellprojekte, Diagnostikverfahren oder Leitlinien. Sie reichen, wie es in den niedersächsischen Handlungsempfehlungen heißt, „von standardisierten Verfahren im Sinn einer Test-Diagnostik, wissenschaftlich abgesicherten Verfahren für eine objektivierte Beobachtung und Dokumentation von Lernverläufen bis zu Verfahren der Praxis, die eine strukturierte Reflexion von Sprachentwicklungsprozessen ermöglichen“.

Besonders sei zu beachten, welche Zielsetzungen verfolgt werden:  von der Feststellung zusätzlichen Förderbedarfs im Ausschlussverfahren bis hin zur Entwicklung individueller Förderprofile gibt es viele Variationen.

Grundsätzlich ist zu vermerken, dass die Diskussion über Standards von bestehenden und zukünftigen Verfahren in der Wissenschaft weiter andauert und es noch wenig wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zum Erfolg der Programme und zum Einfluss weiterer Faktoren gibt.

 

 Exemplarischer Überblick über  bestehende Programme

 

  • Strukturierten Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren :
  1. z.B. SISMIK für Kinder mit Migrationshintergrund
  2. z. B. SELDAK für einsprachig aufwachsende deutsche Kinder

==>   ermöglichen es den Fachkräften, das sprachliche Verhalten eines Kindes in verschiedenen Situationen zu erfassen, seine Sprachfähigkeiten über Lautbildung, Wortschatz und Grammatik bis hin zu Sprachhandlungskompetenz und Vorläuferfähigkeiten für den Schriftsprachenerwerb einzuschätzen, seinen Umgang mit der Familiensprache zu erheben und seine Motivation zu ergründen, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie erlauben es, die Ansatzpunkte für eine wirksame Unterstützung zu identifizieren, mit der Kinder über ihr momentanes Können hinauskommen und die nächsten Entwicklungsschritte nehmen  können. 

==> Beinhaltet Elemente der Sprachbildung und Sprachförderung

 

  • Screening-Verfahren:
  1. z.B.  Fit in Deutsch, (wird in Niedersachsen im Rahmen der Schulanmeldung durchgeführt)

==> es kann schnell und damit zeitökonomisch festgestellt werden kann, ob die Sprachentwicklung eines Kindes insgesamt auffällig ist. Screening-Verfahren sind keine detaillierten Sprachstandserhebungen, sondern gestufte Schwellentests. Sie können Kinder mit besonderem Förderbedarf flächendeckend identifizieren. Sie geben aber nur sehr bedingt Aufschluss darüber, wie ein Kind gefördert werden muss.

==> Beinhaltet vor allem quantitative Sprachförderungs-Aspekte

 

Literatur:

  • Metschies, Hedwig: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011
  • Handlungsempfehlungen zur Sprachbildung und Sprachförderung in Niedersachsen

 

Weitere Fachbeiträge zum Thema:

 

Handlungsempfehlungen zur Sprachentwicklung und Sprachförderung

Sprachförder- Ansätze im Elementarbereich

Sprachförderung

 



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