Situationsorientierte Ansätze


Situationsorientiert begründete Ansätze zur Curriculumentwicklung in der Vorschulerziehung spielen seit Beginn der 1970er Jahre eine wichtige Rolle. Das Erprobungsprogramm für den Elementarbereich der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung enthielt ursprünglich 15 verschiedene Materialien und drei situationsorientierte Ansätze, die sich von funktions- und disziplinorientierten Ansätzen unterschieden. Da es auch darum ging, im Kindergarten behavioristischbehavioristisch|||||Unter Behaviorismus,  vom englischen Behavior (Verhalten) versteht man den wissenschaftstheoretische Versuch, Verhalten von Menschen und Tieren mit naturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und zu erklären. Bekannte Vertreter waren in den 1950er Jahren vor allem Skinner und Pawlow mit Theorien  und Tierexperimenten zur klassischen Konditionierung von Verhalten.e Lernprogramme, ein Kognitionstraining und damit eine Verschulung zu vermeiden, wurden Programme zur reinen kognitiven Förderung ausgeschlossen. Saul B. Robinsohns Ausführungen zur Bildungsreform als Revision des Curriculums und die damit geforderte objektivierbare Überprüfung des Zusammenhangs zwischen den Inhalten der Bildung und den Lebenssituationen, in denen sich die vermittelten Qualifikationen dann zu bewähren haben, war einer der Grundlagen für die situationsorientierten Ansätze; eine weitere die integrative Anthropologie von Heinrich Roth.

Der Ansatz der Arbeitsgruppe des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) nimmt seinen Ausgangspunkt in einer kritischen Analyse der realen Lebenswirklichkeit der Kinder. In Situationen der Gegenwart und näheren Zukunft sollen sie durch aktives Lernen in Alltagssituationen qualifiziert werden, autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit., kompetent und solidarisch zu handeln, um ihren Anspruch auf Selbstbestimmung in fremdbestimmten Situationen durchsetzen zu können. Die entsprechenden Situationen und Inhalte für ein offenes Curriculum sollen basisdemokratisch im DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  aller Beteiligten ermittelt werden.


Auch das Curriculum Elementare Sozialerziehung versteht sich als ein integratives, wissenschaftsbezogenes Konzept und geht von der Analyse der jeweiligen Lebenssituation der Kinder aus, berücksichtigt jedoch stärker beeinflusst von der bildungstheoretischen Konzeption H. Roths – die Entwicklungsdimensionen beim Kind. Ziel der elementaren Sozialerziehung sind die Entwicklung der Ich-, Sozial- und Sachkompetenzen als ein Kompetenzgefüge.

Der dritte situationsorientierte Ansatz, die Arbeitshilfen von Nordrhein-Westfalen, ist kein Curriculum im Sinne eines Materialangebotes, sondern bietet methodische Anregungen zur Planung und Organisation der Kindergartenarbeit unter Berücksichtigung der Situation der Kinder und ihres Entwicklungsstandes. Dabei treten sozialwissenschaftliche Aspekte in den Hintergrund und bleiben die normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Entscheidungen hinsichtlich der Zielfragen offen.


Das Erprobungsprogramm führte in den 1970er Jahren zu einem Innovationsschub im Bereich des Kindergartens, zu einer Öffnung nach außen, einer Verbindung mit dem Gemeinwesen, einem vermehrten aktiven Lernen der Kinder in altersgemischten Gruppen und der Mitwirkung der Eltern. Die Wirksamkeit der situationsorientierten Ansätze ist jedoch bis heute empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. nur unzureichend untersucht worden. Der Versuch, den situationsorientierten Ansatz des DJI im Rahmen des Modellprojektes Kindersituationen nach der Wende auch breitflächig in den damaligen neuen Bundesländer zu implementieren, wurde zwar empirisch untersucht. Die Ergebnisse ließen aber nur Aussagen zu der speziellen historischen Situation zu.


Kritische Einwände zu den situationsorientierten Ansätzen beziehen sich auf die anthropologischen Grundlagen: Menschliche Grunddimensionen wie Tradition und Geschichtlichkeit, das Verhältnis von Freiheit und Unfreiheit, Planbarkeit und Nichtplanbarkeit in der Erziehung würden nicht berücksichtigt, und es sei unzureichend und willkürlich, Lebenssituationen als letzte Instanzen zur Ableitung pädagogischer Ziele und Inhalte zu nehmen. Außerdem sei es fraglich, sie in einem Diskurs aller Beteiligten abzuleiten, da die Kommunikationsstrukturen zwischen Kindern und Erwachsenen asymmetrisch seien und deshalb Inhalte hier nicht von gleich zu gleich ausgehandelt werden könnten. Ein weiteres zentrales Moment der Kritik sind die unzureichend berücksichtigten psychologischen Dimensionen, die besondere Art kindlichen Wahrnehmens, Erlebens und die Eigenart der kognitiven Verarbeitung. Anpassungen diesbezüglich sind z.B. im Berliner Bildungs- und Erziehungsprogramm zu erkennen, das auf maßgebliche Elemente des situationsorientierten Ansatzes des DJI zurückgreift und diese durch sieben Bildungsbereiche ergänzt. Ob dies letztlich die kritisierten Aspekte ausreichend berücksichtigt und welche Konsequenzen dies für die Bildung und Erziehung der Kinder hat, müsste empirisch geprüft werden.


Literatur

  • Arbeitsgruppe Vorschulerziehung des Deutschen Jugendinstitutes (1980): Curriculum Soziales Lernen. München.
  • Zimmer, J. u.a. (1997): Kindergärten auf dem Prüfstand. Seelze-Velber.

 

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)

 

 

 

 



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