Generationenwechsel und Übergänge in der Fachberatung


Der Generationenwechsel und die Gestaltung von Übergängen in der Fachberatung standen im Fokus des 10. nifbe-Fachtags Fachberatung im Hannoveraner Stephansstift mit rund 100 Teilnehmer*innen. Aufgrund des Jubiläums und um einen intensiven Austausch auch über das in den vergangenen Jahren Erreichte zu ermöglichen, wurde er zweitägig und mit gemeinsamem Abendprogramm durchgeführt.

janIn seiner Begrüßung stellte nifbe-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Jan Erhorn heraus, dass rund jede*r vierte Fachberater*in aus Niedersachsen im Saal anwesend sein dürfte und blickte auch kurz auf die vergangenen neun Fachtage und ihre Themen zurück. Für die aktuelle Tagung konstatierte er, dass gleichsam eine ganze Bibliothek an Wissen und Können verloren gehe, wenn ein*e Fachberater*in in den Ruhestand gehe. Und anders als die großen Bibliotheken, zu denen die Menschen hingehen müssten, würden Fachberater*innen aktiv in die KiTas gehen und dort Leitung und Team begleiten und beraten.

Nach einer Einführung in die Veranstaltung durch Mirela Schmidt (nifbe) und einem kurzen Blick in aktuelle bundesweite Entwicklungen in der Fachberatung durch Peter Keßel (nifbe), führte Gerlinde Schmidt-Hood (nifbe) durch eine Podiumsdiskussion mit fünf niedersächsischen Fachberater*innen zum Thema „Übergänge miteinander gestalten“.

PODIUM
Dabei zeigten sich unterschiedliche Facetten von Übergang: Übergänge werfen einerseits viele Fragen und Unsicherheiten auf, sie bedeuten auch viel Arbeit und sollten fachlich begleitet werden. Sie haben andererseits aber auch etwas mit loslassen zu tun – loslassen, was man selbst als Fachberater*in geschaffen hat, aber genauso ein Loslassen seitens der Menschen, mit denen man gearbeitet hat. Es zeigte sich, - um hier im Bild zu bleiben - dass die Bibliotheken in Form von Fachberater*innen alle auf ihre sehr eigene Art gewachsen sind. Diese Art von Bibliotheken liegen nicht in Papierform vor und können nicht einfach weitergegeben werden. Sie müssen immer wieder erneuert und modifiziert werden, weil sich auch die Lebenswelt und alle Umstände immer weiter verändern. Zudem sind manche Teile der Bibliothek, die auf der Fachebene liegen, formell leichter weiterzugeben als andere, die auf der Beziehungsebene liegen - und die dennoch mindestens genauso wichtig sind. Anschließende kleine Murmelgruppen in gesamten Festsaal des Stephansstift Hannover mündeten in einem offenen Austausch, in dem einige Ideen für den Übergang, das Verabschieden und das Loslassen ausgetauscht wurden.

lüngen2In seinem Auftaktvortrag „fortführen – umdenken – neuausrichten“ nahm der Organisationsentwickler Sven Lüngen im Anschluss den Generationenwechsel in der Fachberatung in den Blick. Nach grundsätzlichen Vorbemerkungen zum Erfolg von technischen wie sozialen Systemen, schlussfolgerte er auch im Hinblick auf das Thema der Fachberatung: „Die Eigenschaften eines Systems sind nicht alleine durch die Eigenschaften der Elemente zu erklären“

Unter dem Thema „Fortführen“ nahm er dann „Identitäten, Glauben und Beziehungen“ in den Blick und hob eine menschliche Grundkonstante heraus: Nämlich möglichst keine Veränderungen zu wollen. Er plädierte dafür, die Veränderung wie einen Übergang in der Fachberatung als eine Chance zu sehen: „Wir können nämlich alles neu denken!“ Dies sei umso wichtiger im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen und Umwälzungen in unserer Gesellschaft und der gesamten Welt – vom demographischen Wandel über die Digitalisierung sowie Migrations- und Fluchtbewegungen bis hin zum Klimawandel und der existenziellen Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung.



In der Folge ging Sven Lüngen konkret auf den bewussten Führungsprozess inklusive eigener Rollenklärung und Kompetenzdefinition einer Fachberaterin und den bewussten Auswahlprozess einer Nachfolge ein. Diese sollte
  1. … von den Überzeugungen, Werten und Glaubenssätzen möglichst anschlussfähig zur Vorgängerin sein, um Kontinuität zu gewährleisten.
  2. … Impulse für die zukünftigen Herausforderungen und Unterstützung für den Umgang mit den kommenden Problemen liefern können, um die Lebensfähigkeit von Einrichtungen stützen zu können.
  3. … die Kompetenz haben zu priorisieren und sich auf Machbares zu fokussieren (und dies auch vermitteln), um mit unzureichenden Ressourcen Wesentliches gesund umsetzen zu können.
  4. … sich auf einen gemeinsamen, realen Beratungseinsatz einlassen, um die Passung im Alltag wirklich wechselseitig einschätzen zu können.

Zum Abschluss gab er den Teilnehmer*innen dann noch folgenden Merksatz mit auf den Weg: „Wer sich selbst nicht wirksam führt wird zur Marionette der Ziele, Vorstellungen und Erwartungen anderer!“

Das Abendprogramm der Fachtagung startete mit französischen und deutschen Chansons durch das Duo „Pour L`Amour“, die große Begeisterung im Saal hervorriefen und spätestens bei einer deutschen Version des Klassikers „Les Champs-Elysées“ mit dem Refrain „nifbe ist schön“ sang der gesamte Saal mit. Anschließend wurde das gemeinsame Miteinander bei fachlichen und nicht-fachlichen Gesprächen im entspannten Rahmen genossen und viele Netzwerkfäden gestärkt und neu gesponnen sowie sogar das Tanzbein geschwungen.

kägiDer zweite Tag der Fachtagung startete mit einem Vortrag von Prof. Dr. Sylvia Kägi von der Fachhochschule Kiel, die sich dem Wissensmanagement in der KiTa-Fachberatung und den dafür unabdingbaren Komponenten „Kommunikation“ und „Netzwerkarbeit“ widmete. Sie verdeutlichte, wie unsere Gesellschaft insgesamt, aber auch jede einzelne Organisation auf Wissen und sein Management angewiesen sind und konstatierte: „Wissensmanagement spielt eine entscheidende Rolle in Organisationen, um den Wert des vorhandenen
Wissens zu maximieren, die Innovationsfähigkeit zu steigern und die Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Umgebungen zu verbessern.“

Das Wissensmanagement einer KiTa-Fachberatung finde dabei in einem komplexen Handlungsfeld zwischen der Pädagogischen Praxis und Infrastruktur der KiTa, dem Personal, den Eltern, dem Sozialraum, Träger und Kommune/Land statt. Wissensmanagement sei dabei auch darauf angewiesen, vielfach nur implizit vorhandenes Wissen explizit zu machen.
Wie Sylvia Kägi verdeutlichte, stehen KiTas und Fachberatungen heute vor zahlreichen neuen Anforderungen: Über veränderte Familien und die Zunahme von Vielfalt über Sozialraumorientierung und Kinderschutz bis hin zur Inklusion. Daneben treten noch tiefgreifende krisenhafte Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg mit seinen Fluchtbewegungen nach Deutschland. Entsprechend würden auch die Anforderungen an ein dynamisches Wissensmanagement steigen.

In der Folge zeigte die Pädagogik-Professorin auch die Zusammenhänge zwischen Wissensmanagement und Qualitätsmanagement sowie dem Ziel einer Lernenden Organisation. Je nach Ausrichtung der jeweiligen Fachberatung – z.B. ob Fachberatung ohne bzw. mit Dienst- und / oder Fachaufsicht oder auch freiberufliche Fachberatung – ergeben sich daraus unterschiedliche Anforderungen und Fragestellungen wie z.B.
  • Wie kann Fachberatung das Wissen aus den QM´s der Kita bündeln und weiterentwickeln?
  • Wie steuert die Fachberatung das QM in den Kitas?
  • Wie sichert die Fachberatung das Wissen in den Kitas?

Ein besonderes Augenmerk richtete Sylvia Kägi auf den Zusammenhang von Wissensmanagement und der Netzwerkbildung in der kommunalen Struktur – von der Politik über Verwaltung bis zur Vernetzung mit anderen Fachberater*innen sowie Fachverbänden. Neben einem fachlichen Professionswissen gelte es das vernetzte Wissen der Fachberatung über kommunale Strukturen, Trägerstrukturen, Leitungsstrukturen sowie Teamstrukturen zu sichern. „Ohne Vernetzung geht es nicht!“ resümierte sie.

Zum Abschluss der Veranstaltung ging es noch in regionale Gruppen, die jeweils von den Regionalen Transferstellen des nifbe geleitet wurden. Dabei wurden die Erkenntnisse des Fachtags zusammengebracht und aus regionaler Perspektive gemeinsam sortiert sowie Überlegungen für den konkreten Transfer in den Berufsalltag diskutiert.

Download Präsentation Einführung

Download Präsentation Sven Lüngen

Download Präsentation Sylvia Kägi



Karsten Herrmann / Peter Keßel