Der vorliegende Band schließt eine Lücke in der Literatur zur Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften. Der Text stammt aus den USA, wo seit Jahrzehnten Erfahrungen in diesem Bereich vorliegen. Die hier vorliegende Fassung ist aber sorgfältig auf die Bedingungen der vorschulischen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in Deutschland ausgerichtet. Einen so guten Text für die Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern hat es meiner Kenntnis nach im deutschen Sprachraum bisher noch nicht gegeben. Ich bin beeindruckt von der klaren Sprache, den anschaulichen Beispielen und der guten Strukturierung des Textes.

 

Viele wissenschaftliche Studien der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass wir in Deutschland zu wenig in die professionelle Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte investieren. Damit vernachlässigen wir die Erziehung der Kinder im Vorschulalter, die nicht nur für ihre späteren schulischen Leistungen von großer Bedeutung ist. Alle aktuellen Untersuchungen zeigen, dass ein mindestens ebenso großer Wert der vorschulischen Erziehung in der rechtzeitigen Anregung aller Sinne und aller Kompetenzen der Kinder liegt, die für ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung bedeutsam sind.
Bisher haben wir es in Deutschland nicht geschafft, den vorschulischen Bereich als einen integralen Bestandteil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungssystems zu konzipieren. Über Jahrzehnte wurden Krippen, Kindertagesstätten und Kindergärten als pädagogischer Notbehelf und bestenfalls als lebendige Spielstätten wahrgenommen. Die persönlichkeits- und leistungsbildende Funktion der vorschulischen Einrichtungen wurde dabei sträflich vernachlässigt. Erst durch die international vergleichenden Leistungsstudien, besonders die IGLU- und PISA-Untersuchungen, hat ein Umdenken stattgefunden. Inzwischen besteht Übereinstimmung, dass der gesamte Vorschulbereich pädagogisch aufgewertet, besser strukturiert und dichter an den Schulbereich herangeführt werden muss.


Im Fokus: sozial benachteiligte Kinder
 

Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die professionelle Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern im Vorschulbereich spürbar verbessert wird. Der vorliegende Band leistet einen wertvollen Beitrag hierzu. Er ist zum Selbststudium ebenso geeignet wie zur angeleiteten Ausbildung. Die Erzieherinnen und Erzieher werden vor allem in den Bereichen trainiert, die heute in ihrem beruflichen Alltag die größten Herausforderungen in sich bergen. Dazu gehört die Förderung von sozial benachteiligten Kindern. Als Leiter der Shell-Jugendstudien und der World-Vision-Kinderstudien der letzten Jahre begrüße ich dieses Buch ganz besonders. In den Studien mussten wir das bittere Ergebnis zur Kenntnis nehmen, dass etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen große Benachteiligungen in ihrer Entwicklung erlebt, weil ihre Elternhäuser völlig überfordert sind. Ergänzend zu Elternkursen oder Elterntrainings ist es notwendig, auch die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten in die Lage zu versetzen, gezielte Unterstützung und Hilfe für sozial benachteiligte Kinder anzubieten.


Ziel: „Erziehungspartnerschaft“


Das klingt einfach, ist aber in der pädagogischen Alltagspraxis außerordentlich schwierig. Im hier vorliegenden Band wird eine Fülle von Anregungen vermittelt, wie die Entwicklung und das Verhalten von Kindern zu verstehen sind, wie ihr Selbstwertgefühl durch Ermutigung und aktives Zuhören gestärkt werden kann, ihre Fähigkeit zur Problemlösung entwickelt und Kooperationsbereitschaft und Disziplin aufgebaut werden können. Der Band enthält aber auch gezielte Hinweise, die zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Eltern im Sinne einer »Erziehungspartnerschaft« befähigen. Ohne eine enge Erziehungspartnerschaft kann auch der beste Kindergarten nicht die Anregungen geben, die besonders die benachteiligten Kinder brauchen. Diese Kinder erleben in Elternhaus und Vorschuleinrichtung höchst unterschiedliche soziale Welten, die in ihren Regeln und Umgangsformen weit auseinanderklaffen. Eine wichtige Aufgabe des Fachpersonals in Kindertagesstätten ist es, diese Kluft zu verkleinern und gleichzeitig Ergänzungen und im Bedarfsfalle auch einmal Korrekturen zu den Erziehungsimpulsen der Eltern vorzunehmen. Hierzu ist nicht nur ein Verständnis der Kinder, sondern auch ihrer Elternhäuser notwendig. Eltern mit finanziellen Schwierigkeiten und Bildungsschwächen, mit sozialen und gesundheitlichen Problemen und mit sprachlichen und kulturellen Integrationsschwierigkeiten müssen nun einmal in besonderer Weise angesprochen und in sensibler Weise in die pädagogische Arbeit mit den Kindern einbezogen werden. Das ist die Philosophie des vorliegenden Bandes, die einfühlsam und konzentriert umgesetzt wird.


Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Universität Bielefeld
 

  • Dinkmeyer, Don und weitere: step. Das Buch für Erzieher/innen. Kinder wertschätzend und kompetent erziehen. Cornelsen 2009, 252 S., 24,90 Euro.