Nichts weniger als eine grundlegende Reform – oder besser: Revolution – des Systems der frühkindlichen Bildung und Entwicklung fordert Ilse Wehrmann auf ebenso überzeugende wie inspirierende Weise in ihrem Buch “Deutschlands Zukunft: Bildung von Anfang an“.

 

Flankiert von einem Vorwort der Familienministerin Ursula von der Leyen schreibt die aus der langjährigen Praxis kommende Expertin dem Bund dabei eine zentrale Rolle zu und identifiziert den Föderalismus als „das größte Hindernis für eine Reform der frühkindlichen Bildung und Betreuung“. Vehement plädiert sie für bundesweit verbindliche, einheitliche Vorgaben, wie frühkindliche Bildung ausgestaltet werden soll und zugleich für eine stärkere Finanzierung auch des laufenden Betriebs der Kitas durch den Bund. Unhaltbar sei, dass diese "abhängig sind von der Kassenlage der Städte und Gemeinden": „Gerade die Kleinsten haben Anspruch auf die grundgesetzlich garantierten gleichen Lebensverhältnisse und Zukunftschancen.“


Neben der rahmengebenden Bildungsverantwortung des Bundes markiert Ilse Wehrmann mit der Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte und der Qualitätssicherung zwei weitere zentrale Felder ihres Reformwerks: „Ohne einheitliche, verbindliche Qualitäts- und Infrastrukturstandards für alle Träger und Akteure auf Länder- und Kommunalebene bleibt jeder Verbesserungsvorschlag im Räderwerk der zersplitterten Trägerstrukturen und des Zuständigkeitsdickichts stecken.“ Die Einhaltung dieser Standards sollte ihrer Ansicht nach sowohl durch ein internes Qualitätsmanagement der Träger wie auch durch ein externes, vom Träger unabhängiges und nach bundeseinheitlichen Kriterien arbeitendes Qualitätssicherungssystem überprüft werden – einschließlich entsprechender Sanktionsmöglichkeiten bei Nicht-Einhaltung.
 

In der Ausbildung spricht sich Ilse Wehrmann angesichts der gestiegenen Anforderungen ohne wenn und aber für eine Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte auf Hochschulniveau aus: „In einer Zeit, in der alle Grundlagen für das Leben gelegt werden, benötigen junge Menschen optimal qualifizierte, kompetente pädagogische Begleitung, die den Bildungsprozessen sowohl theoretisch und analytisch auf aktuellem Forschungsniveau versteht, als auch didaktisch und praktisch kompetent steuern kann.“ Am sinnnvollsten erscheint es ihr dabei, ErzieherInnen künftig auch in Deutschland gemeinsam mit LehrerInnen für die Primarstufe auszubilden. Als Modell schwebt ihr hier eine Mischung aus klassischem Hochschulstudium und dualer Ausbildung vor, bei der eine enge Verzahnung mit der Praxis vor Ort gewährleistet werden kann. Im Zuge der Angleichung des Qualifikationsniveaus zwischen ErzieherInnen und GrundschullehrerInnen sei eine Angleichung der bisher noch weit auseinander klaffenden Bezahlung folgerichtig, mit der auch eine entsprechende Aufwertung des sozialen Status einhergehe: „Frühpädagogen sind die Zukunftsgestalter in unserem Land. Denn sie tragen die Bildungsverantwortung für die Kleinsten.“
 

Ilse Wehrmann, die heute als Autorin und Beraterin u.a. für Daimler Benz tätig ist, belässt es in ihrem Buch keineswegs bei allgemeinen Forderungen, sondern entwickelt bis in strukturelle, finanzielle und pädagogische Detailfragen hinein einen gut durchdachten „Marshallplan“ für die Reform des Systems der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Grundvoraussetzung dafür ist, dass Deutschland trotz der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise seine bisher weit unter den internationalen Standards liegenden Ausgaben für diesen Bereich deutlich steigert und haushaltspolitisch entsprechende Prioritäten setzt. Bei näherem Hinschauen scheint es dazu gar keine Alternative zu geben, denn „die Folgekosten und –schäden werden auch volkswirtschaftlich um ein Vielfaches höher liegen als die heute für tief greifende Reformen nötigen Investitionen. Von den sozialen und bildungspolitischen Folgen gar nicht zu sprechen.“
 

Ilse Wehrmanns Buch „Bildung von Anfang an“ zeichnet mit zupackender Aufbruchstimmung die konkrete Vision eines Paradigmenwechsels im deutschen Bildungssystem auf und sollte zur Pflichtlektüre für alle Bildungspolitiker in unserem Lande werden – denn es geht hier um unsere Zukunft.

 

Karsten Herrmann

 

Ilse Wehrmann: Deutschlands Zukunft: Bildung von Anfang an. Verlag das netz, 208 S., 24,90 Euro.