getimageDie Prozessqualität spielt in der Qualitätsentwicklung in den KiTas eine entscheidende Rolle. Zentral ist hiermit auch die Interaktions- und Beziehungsqualität zwischen KiTa-Fachkräften und den Kindern gemeint. In einem von Katja Mackowiak, Heike Wadepohl und Christine Beckerle herausgegebenem Band wird jetzt auf verschiedenen Ebenen praxisnah beleuchtet, wie Interaktionen in der KiTa qualitätsvoll gestaltet werden können.


In ihrer Einleitung führen die Herausgeberinnen zunächst aus, was genauer unter Prozess- und Interaktionsqualität zu verstehen ist. Von hoher Prozessqualität kann demnach gesprochen werden, „wenn Kinder im KiTa-Alltag eine sichere, wertschätzende und gesundheitsförderliche Betreuung sowie ein positives, anregungsreiches Interaktionsklima in der Gruppe erleben“. Wichtige Aspekte seien dabei die „Beziehungsgestaltung und emotionale Unterstützung“, „die Organisation des Kita-Alltags und die Gestaltung des Settings“ sowie die konkrete „Lernunterstützung“. Die Lernunterstützung sollte dabei „adaptiv“, das heißt, eng an den kindlichen Lernvoraussetzungen, Interessen und Bedürfnissen ausgerichtet sein.

Dies setzt, so die Herausgeberinnen, die in der Sonderpädagogischen Psychologie an der Leibniz-Universität Hannover forschen und lehren, „ein enges Wechselspiel zwischen Diagnostik und Förderung heraus“. Damit könne jedes Kind individuell gefördert und die gleichberechtigte, inklusive Teilhabe aller Kinder gewährleistet werden.

Aktuelle Studien belegten allerdings, dass gerade diese gezielte Lernunterstützung in den KiTas hierzulande eher gering ausfällt und eine besondere Herausforderung für die Fachkräfte darstellt – und in diesem Sinne zeigt sich hier ein deutlicher Entwicklungsbedarf.

Beziehung als Grundlage

Als Basis jeder Lernunterstützung führen Heike Wadepohl und Susanne Böckmann zunächst den „Aufbau von vertrauensvollen und tragfähigen Beziehungen“ aus. Hier komme es insbesondere auf ein sensitiv-responsives und gruppenbezogenes Interaktionsverhalten der Fachkräfte an. Als zentrales Konzept wird hierfür die (in letzter Zeit ja insbesondere aus der interkulturellen Perspektive in die Kritik geratene) Bindungstheorie und -qualität herangezogen. Eine sensitiv-responsive Beziehungsgestaltung realisiere sich im Kita-Alltag dadurch, „dass die Fachkraft ihr Handeln an die aktuelle kindliche Gefühls- und Bedürfnislage, den allgemeinen Entwicklungsstand und das Alter, das Geschlecht sowie die individuellen Besonderheiten des Kindes, aber auch an kulturelle Aspekte anpasst“. Dabei sei ein flexibler Wechsel zwischen auf das einzelne Kind und auf die Gruppe bezogenen Interaktionen förderlich.

Methoden der Lernunterstützung

Wie Lernunterstützung durch kognitiv anregende Interaktionen im Kita-Alltag geschehen kann, beleuchtet in einem weiteren Kapitel ein Autor*innen-Team rund um Katja Mackowiak. Kognitive Aktivierung ist hier bereichsübergreifend gemeint und zielt darauf ab, „Kinder zum Nachdenken über Sachverhalte und Themen anzuregen und gemeinsam Lösungen und Fragestellungen zu entwickeln“ – und so nicht zuletzt auch die Problemlöse- und Selbststeuerungsfähigkeit von Kindern zu fördern. Für kognitiv anregende Interaktionen, so die Autor*innen, „müssen Lernanlässe im Alltag entdeckt, kindliche Voraussetzungen erkannt, die Lernumgebungen passend gestaltet und das Förderhandeln auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder abgestimmt werden.“

Als besonders geeignete alltagsintegrierte Methoden werden in diesem Kapitel das „Scaffolding“ und das „Sustained Shared Thinking“ vorgestellt. Während das Scaffolding dabei eher eine instruktive Form der Lernunterstützung darstellt, weil die Fachkraft ein klares Ziel vor Augen hat und ein entsprechendes Setting vorbereitet, handelt es sich beim Sustained Shared Thinking um einen ko-konstruktiven Prozess: Fachkraft und Kinder tragen gleichberechtigt zur Interaktion bei und bringen ihre Ideen und Sichtweisen ein. Und am „Anfang eines Dialogs ist nicht klar, in welcher Richtung sich dieser entwickeln wird“.

In der Folge werden in diesem Herausgeberband noch die kindlichen Interessen als Ausgangspunkt von Lernprozessen in den Blick genommen und bereichsspezifische lernunterstützende Interaktionen vertieft – von adaptiven sprachförderlichen Interaktionen im Kita-Alltag über das naturwissenschaftliche Lernen und die Lernwerkstattarbeit bis hin zur Gesundheitsförderung. Abschließend wird die responsive Interaktionsgestaltung noch einmal unter dem Fokus der Inklusion ausgeführt.

Fundierter und praxisnaher Einblick - aber...

Der vorliegende Herausgeberband gibt einen fundierten und wohltuend praxisnahen Einblick in die Bedeutung und in die Möglichkeiten einer qualitätsvollen Interaktionsgestaltung und die (auch bereichsspezifische) Lernunterstützung. Die Kapitel sind dabei strukturell gleich aufgebaut und mit Reflexionsfragen und zusätzlichen (Online-) Materialien für die konkrete Umsetzung angereichert.

Es zeigt sich aber auch, dass eine solche Interaktionsgestaltung in ihrem Wechsel aus Beobachtung und Förderung eines jeden einzelnen Kindes hoch voraussetzungsvoll ist. Neben den notwendigen Kompetenzen der Fachkraft ist es hier wohl insbesondere der Faktor der fehlenden Zeit, der solche qualitätsvollen Interaktionen wie ein langanhaltendes gemeinsames Sprechen und Denken im KiTa-Alltag so selten macht - und ein Stück weit auch unrealistisch erscheinen lässt. Denn um dieses Potenzial auszureizen, müssen die Rahmenbedingungen und der Fachkraft-Kind-Schlüssel in der KiTa deutlich verbessert werden – ein Aspekt, der in diesem Buch leider etwas unter den Tisch fällt.


  • Mackowiak/Wadepohl/Beckerle (Hrsg.): Interaktionen im Kita-Alltag gestalten. Grundlagen und Anregungen für die Praxis. Verlag W. Kohlhammer, 200 S., 29 Euro

Karsten Herrmann