Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes haben Wissenschaftler des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) und der Universität Osnabrück in Kooperation mit den Universitäten Bielefeld, Frankfurt und Gießen einen interkulturellen Marshmallow-Test durchgeführt.


Getestet wurden 125 Kinder aus Deutschland und 76 kamerunische Nso-Kinder auf ihre Fähigkeit zum „Belohnungsaufschub" bzw. zur „inhibitorischen Kontrolle". Während die getesteten deutschen Kinder nur zu etwa 30 Prozent der süßen Versuchung widerstehen konnten (und damit viele frühere Untersuchungsergebnisse in westlichen Ländern bestätigten), schafften es die kamerunischen Kinder zu erstaunlichen 70 %.

 

Unterschiedliche Sozialisations- und Erziehungsvorstellungen

 

nifbe-Forschungsstellen-Leiterin Dr. Bettina Lamm sieht die Ursache in grundsätzlich verschiedenen Erziehungs- und Sozialisationsvorstellungen zwischen westlichen Gesellschaften und solchen aus Afrika, Asien oder auch Südamerika. In letzteren würden Kinder von Anfang an sehr viel stärker zur Emotionskontrolle erzogen und stellten ihre persönlichen Bedürfnisse nicht so stark in den Vordergrund.


Grundsätzlich unterscheidet die nifbe-Forschungsstelle „Entwicklung, Lernen und Kultur" zwischen zwei prototypischen kulturellen Modellen: Einerseits das in westlichen Mittel- und Oberschichtsfamilien vorherrschende kulturelle Modell der psychologischen Autonomie, in dem das Kind im Mittelpunkt steht und die Ausbildung seiner Eigenständigkeit, Individualität und freien Willensäußerung gefördert wird. Andererseits das relationale kulturelle Modell, in dem die soziale Gemeinschaft im Mittelpunkt steht und die Erwachsenen gegenüber ihren Kindern eine klar definierte hierarchische „Expertenrolle" einnehmen.

 

Hintergrund Marshmallow-Test


Der in den 1960er Jahren von Prof. Dr. Walter Mischel erstmals durchgeführte Marshmallow-Test stellt Kinder vor die Wahl, entweder jetzt sofort ein Marshmallow zu essen oder 15 Minuten zu warten und dann zwei Marshmallows zu bekommen. Mischel konnte aus den Testergebnissen weit reichende Konsequenzen für das zukünftige Leben dieser Kinder ableiten. So schnitten die „Belohnungsaufschieber" später bei Studierfähigkeitstests besser ab, ihre sozialen und kognitiven Kompetenzen wurden höher eingestuft und sie waren als Erwachsene gesünder und weniger suchtanfällig.