Einblicke in den aktuellen ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.  sprozess der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bot jetzt der WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Bundeskongress „Expansion und Qualität“ in der Robert-Bosch-Repräsentanz in Berlin. Neben neuen Zahlen zum Beschäftigungsfeld in KiTa und Tagespflege wurden dabei auch aktuelle Forschungsprojekte zu zentralen Themen im breiten Professionalisierungsspektrum vorgestellt.

03- Begruessung  Prof  Dr  Anke Koenig 0102Zum Auftakt verortete WiFF-Leiterin Prof. Dr. Anke König die frühkindliche Bildung. Kitas seien „in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt“, was nicht zuletzt auch die Zahl von nunmehr rund 50.000 KiTas mit mehr als 3 Millionen zu betreuenden und zu bildenden Kinder belege. „Die KiTas“, so Anke König, „haben sich dabei als Bildungsort etabliert und bilden die Basis eines inklusiven Bildungssystems, für Partizipation und Teilhabe“. Der derzeitige Reformprozess im Feld der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung finde „im Spannungsfeld zwischen Expansion und hohen Qualitätsansprüchen“ statt und das Berufsbild der ErzieherInnen sei gezeichnet durch „den Widerspruch zwischen hohen Anforderungen und mangelnder Anerkennung.“

04 - Prof  Dr  Thomas Rauschenbach 0130Im Anschluss stellte Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des DJI, das im Rahmen der WiFF neu erschienene „Fachkräftebarometer Frühe Bildung“ vor. Dessen Ziel sei es, „in einem dynamischen und unübersichtlichen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem wichtige Entwicklungen und Implikationen sichtbar zu machen.“ Und so zeigt das Fachkräftebarometer für die vergangenen Jahre beispielsweise eine „enorme Personalexpansion“: von 1974 bis heute hat sich die Zahl der Beschäftigten auf rund 600.000 verfünffacht. Alleine zwischen 2006 und 2014 ist die Beschäftigtenzahl insbesondere auch aufgrund des Krippenausbaus um mehr als 100.000 ErzieherInnen angestiegen. Insgesamt sind heute 60% der pädagogischen Fachkräfte in Teilzeit beschäftigt und 95% sind Frauen, das Durchschnittsalter liegt zwischen 40 (West) und 44 Jahren (Ost).

 

Keine Tendenz zur Dequalifizierung

Entgegen vielfacher Befürchtungen, so Thomas Rauschenbach, erfolgte der enorme quantitative Ausbau des Personals bislang auch nicht auf Kosten des Qualifikationsniveaus: Nach wie vor haben nur 2% des KiTa-Personals keinen Berufsabschluss und rund sieben von zehn Beschäftigten sind staatlich anerkannte ErzieherInnen. Zwischen 1989 und 2014 konnten zusätzlich zudem rund 18.800 akademisch Qualifizierte für das KiTa-Arbeitsfeld gewonnen werden, die jetzt einen Gesamtanteil von 6% bei den Beschäftigten im Feld einnehmen.

Auf nach wie vor relativ niedrigem Niveau bewegen sich die Gehälter in der Frühen Bildung. Sie liegen mit durchschnittlich 2.630 Euro brutto leicht unterhalb den Durchschnittswerten für Krankenschwestern und –pflegern und weit unterhalb dem Lohn von GrundschullehrerInnen. Das Lohnniveau in der frühen Bildung, so konstatierte Rauschenbach, „ist weder durch den Ausbildungsabschluss noch durch ihre Verbindung zum Bildungssektor als vielmehr durch ihre Zugehörigkeit zu den Sozial- und Gesundheitsberufen geprägt“.

Anhalten weiter ansteigend sind die Ausbildungszahlen der Fachschulen, in den sich im Schuljahr 2012/2013 rund 33.600 SchülerInnen im ersten Ausbildungsjahr befanden. Aus der akademischen Ausbildung zu KindheitspädagogInnen sind 2013 demgegenüber 1.687 AbsolventInnen in das Feld eingemündet.

Auch im Hinblick auf den vielfach befürchteten Fachkräftemangel konnte Thomas Rauschenbach leichte Entwarnung geben. Zwar würden bis 2025 rund 200.000 pädagogische Fachkräfte das Feld verlassen, aber zugleich seien 300.000 Neuzugänge aus den Fach(hoch)schulen zu erwarten. Nur wenn sich der Personalschlüssel im Krippen- und Kindergartenbereich deutlich verbessere, könnten Engpässe auftreten. Grundsätzlich müsse die Attraktivität des Berufes gerade auch im Hinblick auf das Lohnniveau verbessert und eine aktive Rekrutierungspolitik betrieben werden.

Für den weiteren Professionalisierungsprozess forderte Rauschenbach groß angelegte Qualifizierungsinitiativen für „Kinder unter drei“, „Sprachbildung und –förderung“ sowie zur Inklusion. Als äußerst kritisch stufte er ein, dass jede 10. KiTa in Deutschland ohne ausgewiesene Leitungsperson arbeite.

Die Zahl der TagespflegerInnen ist seit 2006 um 50% auf heute rund 45.000 angestiegen. In der Tagespflege ist dabei laut Rauschenbach „ein Trend zur Mehrfachbetreuung zu verzeichnen“, so dass heute jede Tagespflegperson im Schnitt 3,3 Kinder betreut. Angestiegen ist das Qualifikationsniveau der TagespflegerInnen, von denen heute rund 31% eine pädagogische Berufsausbildung und weitere 44% einen Qualifizierungskurs nachweisen können.

 

"Vorbildlicher Professionalisierungsschub"

13 - Prof  Dr  Dieter Nittel 0416Aus Sicht der komparativen Berufsgruppenforschung stufte Prof. Dr. Dieter Nittel auf dem Kongress die Professionalisierung der Frühpädagogik im Kontext des lebenslangen Lernens ein. Er markierte einen „vorbildhaften Professionalisierungsschub im Feld der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung“ aus und sah es „gleichberechtigt eingebettet in das pädagogisch verfasste System des lebenslangen Lernens“. Er erläuterte fünf zentrale Kriterien für den Professionalisierungsprozess:

  • Verrechtlichung (Rechtlicher Rahmen / Gesetzgebung)
  • Akademisierung (Kindheitspädagogische Studiengänge)
  • Institutionalisierung (Expansion, Mandat und Lizenz für die Bildung, Betreuung und Erziehung)
  • Verwissenschaftlichung (Selbstlernen, Fortbildung, frühpädagogische Forschung)
  • Verberuflichung (unverwechselbarer Habitus, Vergemeinschaftung in Verbänden / Gewerkschaften, klare Karrierechancen, Ausdifferenzierung unterschiedlicher Berufsrollen)

Als „zentrales Hemmnis“ im Professionalisierungsprozess bewertete Dieter Nittel allerdings die „mangelnde Wertschätzung“ der ErzieherInnen im KiTa-Bereich. So hätten die ErzieherInnen nicht nur gesellschaftliche Anerkennung aufzuholen, sondern schnitten auch innerhalb des pädagogischen Berufsfeldes im Hinblick auf Ansehen und Reputation am schlechtesten ab. In einer bemerkenswerten Diskrepanz von Selbst- und Fremdeinschätzung fühlten sich ErzieherInnen selber durch ihre Ausbildung als einzige pädagogische Profession gut auf die Praxis vorbereitet.

 

Fokus KiTa-Leitung

Über die Plenums-Vorträge hinaus konnten sich die TeilnehmerInnen des WiFF-Kongress in 11 verschiedenen Panels über aktuelle Forschungsergebnisse zu verschiedenen Facetten des Professionalisierungsprozesses rund um Aus- und Weiterbildung sowie Kompetenzerfassung und –erweiterung bei frühpädagogischen Fachkräften informieren. In einem Panel stand so auch die Kita-Leitung im Fokus einer Untersuchung von Prof. Dr. Petra Strehmel. „Die KiTa-Leitung“, so Strehmel, „nimmt eine Schlüsselstellung im System der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung ein und ist für die Übersetzung der Struktur und Orientierungsqualität in die Prozessqualität verantwortlich“. Allerdings musste sie für die KiTa-Leitung „zu wenig Orientierungswissen“ und eine „sehr heterogene und unklare Definition in den Bildungsplänen“ konstatieren. Zudem gäbe es „kaum theoretisch fundierte Konzepte“ für diesen Bereich.

Aus dieser Ausgangslage heraus stellte die Arbeits- und Organisationspsychologin ein theoretisch fundiertes Aufgabenprofil für KiTa-Leitung mit folgenden Bereichen vor:

  • Aufgaben und Ziele erfüllen (Pädagogische Leitung / Betriebsführung und -verwaltung)
  • MitarbeiterInnen führen (Personalgewinnung, -einsatz, -entwicklung)
  • Zusammenarbeit gestalten (im Team, mit Eltern, mit Trägern und im Sozialraum)
  • Organisation entwickeln (z.B. in Richtung Familienzentrum)
  • Selbstmanagement (fachliche Positionierung, Selbstreflexion, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement)
  • Einschätzung von Rahmenbedingungen und Trends (Fachpolitik, Bedarfsentwicklung, Angebotsplanung)
  • Entwicklung eines strategischen Rahmens (Vision entwickeln)

Kontrastiert wurde dieses theoretische Modell durch empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.e Erkenntnisse zur KiTa-Leitung aus dem gemeinsam von Universität Vechta und Universität Osnabrück durchgeführten AWifFF-Projekt „Tun, Unterstützen, Fördern“. Insa Berkemeyer berichtete, dass 50% der im Rahmen des KiTa-Projektes befragten Leitungskräfte keine Arbeitsplatzbeschreibung hatten. 56% waren gleichzeitig als Einrichtungsleitung und Gruppenleitung tätig. Aus dieser Doppelfunktion erwachse für viele ein Dilemma im Verhältnis zum Team (Kollegin versus Chefin) und im Hinblick auf das eigene Professionsverständnis (Management versus Pädagogische Arbeit). Erst bei einer größeren oder vollständigen Freistellung der Leiterin würden die für den Professionalisierungsprozess zentralen Managementaufgaben wie Führung und Personalentwicklung weiter in den Vordergrund rücken. In diesem Sinne forderte Insa Berkemeyer: „Professionalisierung braucht mehr Leitungsressourcen.“

 

Fokus Haltung

Die professionelle pädagogische Haltung stellte Dr. Christina Schwer von der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung als zentrale personale Ressource für die Qualitätsentwicklung in KiTa dar. Sie befreite die vielfach beschworene Haltung aus einer undurchsichtigen „Blackbox“ und konkretisierte sie auf der Grundlage der funktionsanalytischen Persönlichkeitstheorie PSI des nifbe-Forschers Prof. Dr. Julius Kuhl: „Haltung zeigt sich als ein sehr individuelles und stabil integriertes Muster von Einstellungen, Werten und Überzeugungen, das durch einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen zustande kommt. Wie ein innerer Kompass ermöglicht dieses Muster einen sicheren Kurs, in dem sowohl der konkrete pädagogische Kontext als auch übergreifende Aspekte berücksichtigt und in Übereinstimmung gebracht werden“. Da eben diese „objektiven Selbstkompetenzen“ auch im Erwachsenenalter lehr- und lernbar sind, zeigte sie Haltung als eine auch zu verändernde und zu professionalisierende auf. Wesentlich sei dabei die Unterscheidung einer persönlichen, emotional gefärbten Erstreaktion und einer dialektischen und willentlich steuerbaren „Zweitreaktion“. Die Zweitreaktion biete, so Christina Schwer, einen professionellen Abstand zum ersten Impuls und eröffne erweiterte, kontextsensible Handlungsspielräume. Für eine professionelle Haltung gelte es daher insbesondere diese Zweitreaktion zu schulen. Zum Weiterlesen: Haltung und Ressourcen-Orientierung

 

Karsten Herrmann

 

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