Im Interview mit Karsten Herrmann vom nifbe gibt Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt Auskunft über den grundsätzlichen Stellenwert der frühkindlichen Bildung sowie über aktuelle Vorhaben und Schwerpunkte der Landesregierung. Sie unterstreicht dabei, dass die vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel für Bildung für die Finanzierung von Drittkräften in Krippengruppen zur Verfügung gestellt werden sollen.

 

 

  • Welchen grundsätzlichen Stellenwert sprechen Sie der Frühkindlichen Bildung zu und welchen Beitrag leistet hier neben der Familie das Feld der institutionellen bzw. außerfamiliären Bildung, Betreuung und Erziehung?

Frauke Heiligenstadt (Bildrechte: Nigel Treblin/Niedersaechsische Landesregierung)Frühkindliche Bildung ist die erste Stufe unseres Bildungssystems. Sie ist der Grundstein für den erfolgreichen Verlauf von späteren Bildungs- und Erwerbsbiographien. Frühkindliche Bildung hat nicht nur einen hohen bildungspolitischen, sondern auch einen hohen familienpolitischen und gesellschaftspolitischen Stellenwert. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle von einem gut aufgestellten Frühkindlichen Bildungsbereich profitieren: Die Kinder, die Eltern, die Städte und Gemeinden, die Träger und auch die Wirtschaft. Deshalb setzt die Landesregierung hier auch deutliche Akzente, sowohl im Bereich der Quantität wie auch der Qualität: Die rot-grüne Landesregierung hat kurz nach der Regierungsübernahme mit der „Zukunftsoffensive Bildung" die Weichen für eine bessere Ausstattung von Ganztagsschulen und Qualitätsverbesserungen im Bildungsbereich gestellt – und auch 80 Millionen Euro für die Schaffung und dauerhafte Finanzierung von 5.000 zusätzlichen Krippenplätzen bereitgestellt. Von der Krippe über die Ganztagsschulen bis zur beruflichen Bildung werden zentrale Bereiche der niedersächsischen Bildungslandschaft dauerhaft gestärkt. Das Land investiert in dieser Legislaturperiode zusätzlich 420 Millionen Euro in frühkindliche Bildung, den Ausbau der Ganztagsschulen und Qualitätsverbesserungen im Bildungswesen. Mit dem Geld, dass der Bund in Zukunft zusätzlich für den Bildungsbereich zur Verfügung stellen wird, wird Niedersachsen zusätzlich gezielt in die Verbesserung der Qualität im Bereich der Frühkindlichen Bildung investieren.

Denn Ergebnisse der Bildungsforschung belegen: Schon in den ersten Lebensjahren werden bei Kindern die Grundlagen für spätere Entwicklungs-, Teilhabe- und Bildungschancen geschaffen. Genau deshalb ist das auch ein erklärter Schwerpunkt der Landesregierung und von mir persönlich. Jedes Kind ist ein neugieriger, kompetenter und eigenständiger Entdecker der Welt, jedes Kind hat ein besonderes Potenzial und viele Fähigkeiten, die gefördert werden sollten. Jedes Kind lernt dabei anders und verfolgt seine unterschiedlichen Interessen im Bildungsumfeld seiner Familie und seines Sozialraums, zu dem auch Kindertageseinrichtungen und KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  gehören.

 

  • Nach dem durch den Rechtsanspruch forcierten quantitativen Ausbau der Krippen und Kitas rückt jetzt zunehmend die Frage nach Qualität in den Fokus. Ein zentraler Schlüssel für eine hohe pädagogische Prozess- und Interaktionsqualität ist ja der Personalschlüssel. Und der ist nach übereinstimmender Experten-Meinung insbesondere im Krippenbereich zu niedrig. Gerade hat sich auch der Landtag mit den entsprechenden Forderungen der Kita-Volksinitiative auseinandergesetzt. Gibt es hier konkrete Ansätze für eine Verbesserung des Personalschlüssels in Krippe und Kindergarten?

Mit der Zusage des Bundes, in Zukunft die Bafög-Finanzierung zu übernehmen, wird das Land Niedersachsen voraussichtlich dauerhaft jährlich entlastet. Damit gewinnen wir den notwendigen finanziellen Spielraum, um im Bereich der frühkindlichen Bildung Akzente setzen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass eine dritte Kraft ein wichtiger Beitrag zur Qualitätsverbesserung in den Krippen wäre. Die Landesregierung steht zu ihrem Wort, dass die zusätzlichen Mittel für die Finanzierung von Drittkräften in Krippengruppen zur Verfügung gestellt werden. Kein anderes Bundesland hat sich im Hinblick auf die Verwendung der zusätzlichen Bundesmittel so früh und so eindeutig positioniert. Ich bin froh, dass wir hier in Niedersachsen bald einen weiteren großen Schritt nach vorne machen werden. Wir werden nun im Detail klären, welche neuen landespolitischen Handlungsspielräume sich mit der Entlastung durch den Bund im Hinblick auf den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung ergeben. Ich werde mich in diesem Prozess sehr dafür einsetzen, dass Kinder und Kindertageseinrichtungen so bald wie möglich von den noch zu treffenden Vereinbarungen auf Bundes- und Landesebene profitieren werden.

 

  • Mit einem ersten „Dialog-Forum", in dem kürzlich Politik, Kita-Träger und Gewerkschaften zusammen kamen, ist jetzt auch der Startschuss zur Novellierung des KiTaG gefallen. Wie war die Resonanz und was sind hier Ihre vorrangigen Ziele?

Die Dialogforen zum Thema „Strukturqualität in Kindertageseinrichtungen" am 10. März 2014 und zum Thema „Kindertagespflege" am 31. März 2014 war nach Einschätzung der eingeladenen Verbände ein großer Erfolg. Es wurde begrüßt, dass das Kultusministerium die zukünftige Gesetzgebung nicht am grünen Tisch sondern im engen fachlichen Austausch mit allen Interessengruppen erarbeiten möchte. Dies hat mich sehr gefreut. Ich bin zutiefst überzeugt, dass erfolgreiche Bildungspolitik in engem Austausch mit allen Beteiligten auf den Weg gebracht werden muss.

Wie im Koalitionsvertrag ausgeführt, geht es der Landesregierung darum, das KiTaG den heutigen Realitäten anzupassen und grundlegend zu modernisieren. Aktuell wird zu den Regelungsbereichen „Berufszugang" und „Kindertagespflege" gearbeitet und die Ansätze der Fachebene meines Hauses mit Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbänden, den Trägerverbänden der Freien Wohlfahrt, Elterninitiativen und Kirchen weiter beraten.

 

  • Bis wann soll das neue KiTaG stehen?

Mein Ziel ist es, im Herbst einen Referentenentwurf für das neue Gesetz in die Anhörung zu geben. Bis Anfang 2016 könnte dann aller Voraussicht nach das parlamentarische Verfahren abschlossen werden. Die neue Gesetzgebung würde dann zum 1.8.2016 in Kraft treten.

 

  • Was sind neben der Frage des Personalschlüssels und der Novellierung des KitaG für Sie in den nächsten Jahren zentrale Themen der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung?

Der quantitative Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren wird nach wie vor große Anstrengungen erfordern. Auch im Kindergarten und im Bereich von Horten und Ganztagsschulen entwickelt sich die Nachfrage nach Ganztagsbildung sehr dynamisch. Hier wird das Land weiter investieren müssen. Parallel zum quantitativen Ausbau dürfen wir auch Maßnahmen zur qualitativen Entwicklung der frühkindlichen Bildung nicht aus dem Blick verlieren. Hier liegen mir unter anderem auch die Aus- und Weiterbildungsstrukturen und andere Maßnahmen zur Gewährleistung von professionellem pädagogischem Handeln in Kindertageseinrichtungen sehr am Herzen. Mich persönlich hat es daher auch sehr gefreut, dass die Qualifizierungsinitiative „Integrative Erziehung und Bildung in Kindertageseinrichtungen" mit fast 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf so großes Interesses gestoßen ist.

 

  • Vielen Dank für das Gespräch!