FT Hüther 150Gerald Hüther gilt seit vielen Jahren als eine der führenden Protagonisten in der Debatte um die frühkindliche Bildung und die grundlegende Bedeutung der ersten Jahre. Unter dem Rekurs auf „bahnbrechende“ Forschungsergebnisse der Neurobiologie prägte er ein Bild vom Kind, das mit ungeheuren Ressourcen und Begabungen  sowie einer ausgeprägten „Entdeckerfreude und Gestaltungslust“ ausgestattet ist. Bildung finde in erster Linie durch selbst initiierte und intrinsisch motivierte Prozesse statt und hierfür müssten in KiTa und Schule entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Als entscheidende Komponenten hebt er dabei auch die Beziehung und Wertschätzung dar, denn Lernen sei immer „soziales Lernen“. In diesem Sinne kritisiert Hüther auch vehement grassierende Förderprogramme sowie den „Machbarkeitswahn“  in der Bildung und fordert eine radikale Schulreform (vgl. z.B. auch unseren Bericht  "Jedes Kind ist hochbegabt").

Ein "fahrender Wunderdoktor"?
In der ZEIT-Ausgabe vom 29. August geht Redakteur Markus Spiewak nun auf äußerst kritische und durchaus auch polemische Weise mit den Bildungs-„Propheten“  Gerald Hüther, Richard David Precht und Jesper Juul ins Gericht. Er nimmt Hüther als „umtriebigste[n] Vertreter einer Gattung von Bildungsgurus, die mit starken Thesen ein großes Publikum fesseln und die klassische Erziehungswissenschaft alt aussehen lassen“ ins Visier. Er enthüllt, dass Hüther weder „ordentlicher Professor“ sei noch „auf eigene empirische Forschung zum Thema Schule“ verweisen könne und stellt ihn auf eine Ebene mit „fahrenden Wunderdoktoren“. Schließlich hinterfragt Spiewak auch noch Hüthers Expertise in Sachen Hirnforschung. So sei er an keinem der renommierten neurobiologischen Forschungsinstitute an der Universität Göttingen beteiligt, sondern nur Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Hier widme er sich aber weder der Forschung noch der Lehre, sondern seinen populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Vorträgen. In den USA bezeichne man solche Hochschulangehörige als „dead wood“, also  als „totes Holz“.


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