nifbe-Modellprojekt zieht Bilanz und schaut nach vorne


„Die Besten für die Kleinsten!“ – unter diesem Motto stand ein vierjähriges Modellprojekt des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) zur ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   des elementarpädagogischen Praxis- und Ausbildungsfeldes. Ziel des vom Bundesfamilienministerium und dem Land Niedersachsen geförderten Projektes war es, Ansätze zu einem abgestimmten und durchlässigen System der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung zu entwickeln und zu erproben. Auf einer Abschlusstagung in der Ständigen Vertretung Niedersachsens in Berlin wurden jetzt die Ergebnisse des Projektes präsentiert und auch die notwendigen weiteren Schritte auf dem Weg zur Professionalisierung des Feldes diskutiert. nifbe-Geschäftsführer Reinhard Sliwka wertete die Veranstaltung dabei als „eine Brücke zwischen dem offiziellen Projektende und der nachhaltigen Weiterführung des Professionalisierungsprozesses in den vernetzten Strukturen des nifbe“.

Projekt mit wichtigen Impulsen und Pionierarbeit

rueter 150Staatssekretär Michael Rüter, Bevollmächtigter des Landes Niedersachsen beim Bund, hob zur Begrüßung heraus, dass es eine der zentralen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben sei für die bestmögliche Begleitung und Förderung der Kinder in Krippe und Kindergarten zu sorgen. „Grundlage hierfür ist die weitere Professionalisierung des gesamten Feldes – von Studium, Aus- und Weiterbildung über die KiTa-Praxis bis hin zur Wissenschaft und Forschung“, so Rüter. Hierfür habe das Projekt „wichtige Impulse“ gesetzt. Ein im Projekt entwickelter systematischer Handlungsplan mit 14 Bausteinen für die Professionalisierung des Feldes sei dabei auch „eine wertvolle Folie“ für die weiteren Planungen der niedersächsischen Landesregierung zur Qualitätsentwicklung.


kraushaar 150„Das Projekt“, so Regina Kraushaar, Abteilungsleiterin im Bundesfamilienministerium, „hat gezeigt, dass Professionalisierung in  der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung nur mit allen Partnern gemeinsam gelingen kann. Für ein gemeinsames Ziel, nämlich das Wohl der Kinder, gilt es an einem Strang zu ziehen und sich nicht von Partikularinteressen leiten zu lassen“, so Kraushaar. In diesem Sinne habe das Projekt auch „Pionierarbeit“ geleistet. Grundsätzlich unterstrich Regina Kraushaar, dass allen Kindern ein Zugang zur einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung geboten werden müsse und dass „nichts die Qualität mehr bedingt als ein guter Personalschlüssel und eine gute Ausbildung“. Mit klaren Worten forderte sie für die ErzieherInnen eine „vergütete Ausbildung“, „mehr Vollzeit-Stellen“ und eine „grundsätzlich bessere Vergütung insbesondere in der Einstiegsphase“.

Partizipation ermöglichen und Ressourcen aktivieren

thuenemann-albers 150Wie Projektleiterin Maria Thünemann-Albers auf der Tagung ausführte, standen im Projekt die breite Beteiligung der verschiedenen Akteurs-Ebenen und ein gemeinsamer, kontinuierlicher „Dialog auf Augenhöhe“ im Fokus. Ausgehend von einer interdisziplinären Zukunftswerkstatt wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen, Expertenrunden und landesweiten Tagungen Bausteine für die Professionalisierung entwickelt und erprobt. Zentral waren dabei die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit des Berufsfeldes, ein Kompetenzkonzept für elementarpädagogische Studiengänge in Niedersachsen sowie ein Konzeptvorschlag für die KiTa 2020.

hoffmann 150Prof. Dr. Hilmar Hoffmann zeigte als wissenschaftliche Begleitung des Projektes auf, dass sich die Professionalisierungsprozesse bisher „zu weiten Teilen der Gestaltungskraft der PraktikerInnen entziehen“. Wie im Projekt exemplarisch vorgeführt, gelte es daher Partizipationsstrukturen zu schaffen, die Akteure zu einander zu führen und Aushandlungsprozesse auf Augenhöhe zu moderieren. Im Projekt sei die „hohe Motivation zu interdisziplinärer Zusammenarbeit“ deutlich geworden und die rund 80 eingebundenen ExpertInnen aus den verschiedenen Ebenen des Feldes konnten im Ergebnis „strukturelle Veränderungen wahrnehmen, die eine Qualitätssteigerung im Elementarbereich ermöglichen“. Prof. Dr. Hilmar Hoffmann empfahl entsprechende Vernetzungsstrukturen in allen Bundesländern zu installieren und die Abstimmungsprozesse zwischen den Teilsegmenten des Feldes systematisch zu organisieren. „Auf diese Weise können wir die Demokratie und Eigenverantwortung in diesem Feld stärken sowie wertvolle Ressourcen aktivieren“, so Hoffmann.

Vielfältige Blickwinkel auf die Professionalisierung

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Eine Podiumsdiskussion mit VertreterInnen des Feldes von der Politik über die Aus- und Weiterbildung bis zu Praxis zeigte auf, wie viele verschiedene Perspektiven und Ansätze zu einer weiteren Professionalisierung der Elementarpädagogik vorhanden sind.  

klebba 100Sigrid Klebba, Staatssekretärin für Jugend und Fami­lie im Berliner Senat, sah trotz des momentanen Drucks des quantitativen Krippenausbaus eine große Chance die Professionalisierung aus dem neuen Rechtsanspruch heraus voranzutreiben: „Unweigerlich müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, in welcher Qualität dieser Anspruch umgesetzt wird!“. Für Berlin konnte sie auf eine bundesweite offer 100Vorreiterrolle mit „verpflichtenden Rahmenvereinbarungen und Standards für die Kitas“ verweisen.  Regina Offer, Hauptreferentin für Kinder- und Jugendhil­fe beim Deutschen Städtetag, musste „bundesweit noch sehr unterschiedliche Qualitätsstandards und BetreuungsschlüsselBetreuungsschlüssel||||| Der Betreuungsschlüssel gibt an wieviele Personen, für die Betreuung anderer Personen zur Verfügung stehen. Es wird meist in dem Format angegen 1:n, um zu verdeutlichen, dass eine Persone für eine bestimmte Anzahl n Personen zuständig ist. Der Betreuungsschlüssel wird auch als Personalschlüssel angegeben, oder im Bereich der Schule, als Klassengröße. Bei Vorgaben zu Betreuungsschlüssel spielen auch die Qualifikationen der betreuuenden Personen  eine Rolle. “ konstatieren und wertete es als Erfolg, dass „bei uns trotz des enormen Ausbaus-Drucks bisher kein Absenken von Standards diskutiert wird.“

wenzel 100Silvia Wenzel, Kita-Leiterin und Mitinitiatorin einer Interessenvertretung für Kita-Fachkräfte, rief dazu auf, nicht ständig über, sondern mit den ErzieherInnen zu sprechen und sie bei der Professionalisierung von Ausbildungs- und Weiterbildungsstrukturen mit ihren wertvollen Praxiserfahrungen mit ins Boot zu holen. Gemeinsam sollten alle Beteiligten sich dafür engagieren, das Berufsbild der ErzieherIn gesellschaftlich aufzuwerten, denn: „Wir machen Bildung!“ Hieran knüpfte auch Bernhard Eibeck, Referent für Jugendhilfe & Sozialar­beit im Hauptvorstand der GEW an und fragte: „Wie macht man pädagogische Arbeit sichtbar und wie macht man Politik und Trägern klar, wie viel diese pädagogische Arbeit wert ist?“

schwacke 100Ruth Schwake, Vorsitzende der LAG der Fachschulen in Niedersachsen, machte deutlich, „dass auch in absehbarer Zeit der Großteil der pädagogischen Fachkräfte an Fachschulen ausgebildet wird“ und wies auf die hier im Hinblick auf die weitere Professionalisierung vorangetriebene „Modularisierung“ und „kompetenzorientierte Ausbildungsstruktur“ hin. Sie plädierte für ein „integriertes Modell von Fach- und Hochschule“ sowie für ein „bundesweites Rahmencurriculum“.

viernickel 100Für  Prof. Dr. Susanne Viernickel, Prorektorin der Alice Salomon Hochschule Berlin, bedeutete die Professionalisierung des Feldes auch „gute Lehre anzubieten und die Qualität der Studiengänge kontinuierlich weiter zu entwickeln.“ Wichtig sei derzeit auch im Hinblick auf das „Umsetzungsdilemma der Fachkräfte“ die Forschung zu Rahmenbedingungen und Anforderungen der KiTa-Arbeit sowie die öffentliche Diskussion der Ergebnisse.

koenig 100Prof. Dr. Anke König, Leiterin der Weiterbildungsiniti­ative Frühpädagogische Fachkräfte, definierte die Professionalisierung schließlich auch als „Aufstiegsprojekt“, mit dem das Feld durchlässiger und anschlussfähiger werden müsse. Als entscheidende Komponente hob Moderatorin Prof. Dr. Julia Schneewind von der Hochschule Osnabrück im Resümee der Podiumsdiskussion „den Aufbau von Vertrauen zwischen den Institutionen und die konstruktive Arbeit an den gemeinsamen Schnittstellen“ heraus.


Ziel: Das Gesamtsystem professionalisieren

cloos 150Aus einer „Meta-Perspektive“ richteten Prof. Dr. Peter Cloos von der Stiftung Universität Hildesheim und Prof. Dr. Maria-Eleonora Karsten von der Leuphana-Universität Lüneburg ihren Blick auf den Prozess der Professionalisierung. Statt in isolierten Teilbereichen zu denken, so Cloos, müsse die Professionalisierung des Gesamtsystems mit „realistischen und in Etappen formulierten Zielen“ angegangen und die Folgen frühzeitig reflektiert werden. So stelle alleine schon die KiTa ein „multifunktionales Feld“ dar, das von Kinder-, Familien-, karsten 150Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Berufspolitik berührt sei. Prof. Dr. Maria-Eleonora Karsten spannte den Prozess der Professionalisierung in der Elementarpädagogik in die europäische Strategie des Lebenslangen Lernens. Sie forderte eine „Verdoppelung der Bildungsinvestitionen“ und resümierte: „Aus der Metaperspektive haben wir alles, was wir brauchen. Wir müssen jetzt handeln!“

wuttig 150Zum Abschluss der Tagung rief nifbe-Vorstandsmitglied Dieter Wuttig dazu auf, die Professionalisierung des Feldes immer „vom Kind und seinen Bedürfnissen“ her zu denken. Jeder Mensch solle, wie es auch im Artikel 1 des Grundgesetzes impliziert sei,  in die Lage versetzt werden, „sein Leben aus eigener Kraft und mit eigenem Wissen so zu gestalten, dass er aktiv an der Gesellschaft teilhaben kann.“ Dazu müssten auch die Politik professionalisiert und die Strukturen der Ministerien und Kommunen im Hinblick auf eine durchgängige kindliche Bildung und Entwicklung ausgerichtet werden. „Der Fokus“, so Wuttig, „muss sich weg von einer defizitorientierten und teuren Nachsorge und hin auf die Ressourcen und Chancen der ersten Jahre bewegen“.


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