Zur Begrüßung unterstrich IBEB-Direktor Prof. Dr. Armin Schneider, dass die Tagung mit rund 200 Teilnehmer*innen wohl die größte bisherige zur Fachberatung in Deutschland sei. Als Anlass der gemeinsamen Tagung wies er auf zwei aktuelle Bücher vom IBEB und vom nifbe zum Thema Fachberatung hin („Fachberatung auf dem Weg zur Profession?“ und „Praxishandbuch KiTa-Fachberatung“).
Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Armin Schneider moderierte in der Folge auch ein Begrüßungs-Podium, auf dem verschiedene Perspektiven auf die Fachberatung und ihre Funktionen sowie die aktuellen Herausforderungen geworfen wurde. Als größte und imr Tagesverlauf immer wieder angesprochene Herausforderung wies die rheinland-pfälzische Fachberaterin Heike Huf auf den Umgang mit als herausfordernd wahrgenommenen Kindern in der KiTa hin. Dieses Phänomen habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen und so müssten auch Eltern vermehrt in den Fokus von Fachberatung rücken. Die niedersächsische Fachberaterin Beate Rempe beschrieb übergreifend „eine Diskrepanz zwischen dem hohen Anspruch an KiTas und der aktuellen Situation“ mit Fachkräftemangel und zunehmend multiprofessionellen Teams. Im Blick auf das Feld der Fachberatung konstatierte sie eine „große Heterogenität und Intransparenz“ und forderte eine Verankerung der KiTa-Fachberatung im SGB VIII sowie eine entsprechende Refinanzierung.Schnittstelle und Katalysator
Mirela Schmidt vom nifbe und Dr. Andy Schieler vom IBEB beschrieben die Fachberatung in ihren Statements als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Ebenen des KiTa-Systems sowie als „Katalysator für Vernetzung und Transfer“. Am Beispiel des Kinderschutzes zeigten sie auf, wie dieser als Folie für die professionelle Begleitung von KiTa-Teams dienen könne – von der entsprechenden Überprüfung des KiTa-Konzeptes und des pädagogischen Alltags bis zur Team-Entwicklung und (Selbst-) Reflexion. Beate Rempe ergänzte: „Kinder brauchen Begleitung bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Fachberatung muss Fachkräfte genau dazu befähigen!“In sozialpädagogischer Tradition
Im Auftaktvortrag richtete Dr. Elke Alsago, Leiterin der Bundesfachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei ver.di, den Fokus auf die professionelle Gestaltung von Fachberatung. Sie beleuchtete die Begriffs-Trias aus „Profession“, „Professionalisierung“ und „Professionalität“ und musste hier im Hinblick auf Fachberatung eine „ungeklärte Gemengelage“ konstatieren. So existiere bisher „keine definierte kollektive Professionalität“, die diese Berufsgruppe kennzeichne.Als Kern und verbindendes Element führte Elke Alsago allerdings die sozialpädagogische Tradition an, mit der es um die „Gestaltung des Sozialen auf der Grundlage einer professionellen und auf den Menschenrechten basierenden Ethik geht“. Kennzeichnend für Fachberatung sei auch das „Uno-actu-Prinzip“, mit dem die Hervorbringung einer Leistung und ihre Nutzung im gleichen Moment geschehe. Damit einher gehe die Unabgeschlossenheit und Unkontrollierbarkeit des (Beratungs-) Prozesses, der immer eine Ko-Produktion sei und einen sekundären bzw. tertiären Bezug habe: Denn Ziel von Fachberatung sei es ja, über Leitung, Fachkräfte und Eltern die Kinder zu erreichen. Last but not least finde Beratung zudem auf der Folie eines pädagogischen Alltags statt, der von Unsicherheiten und Dilemmata geprägt sei. In diesem Sinne, so fasste Elke Alsago zusammen, sei Fachberatung ganz essenziell auf „Verantwortlichkeit und Geduld“ angewiesen.
Unter Bezugnahme auf das von der BAG-BEK in einem partizipativen Prozess erstellte Selbstverständnis von Fachberatung beschrieb Elke Alsago in der Folge die Handlungsformen und Adressat*innen von Fachberater*innen. Als Lehrende seien diese auch immer auf eine zielgruppenspezifische Didaktik angewiesen und Ziel müsse es sein, diese „analytisch offen zu legen und zu reflektieren“.
Das kompetente KiTa-System von innen gestalten
Als Zielgruppen führte Elke Alsago neben den in der Regel nur mittelbar erreichten Kindern die Eltern, Fachkräfte, Leiter*innen, Träger, Administration und Politik an. Sie unterstrich insbesondere die Bedeutung der Politik- und auch Träger-Beratung. Nur so könne über alle Ebenen hinweg eine Kultur etabliert werden, die den grundlegenden pädagogischen Zielen entspreche. So müssten Fachkräfte beispielsweise auch selbst Partizipation in der Organisation erleben, um sie authentisch im pädagogischen Alltag mit den Kindern praktizeren zu können. Im Resümee betonte Elke Alsago: „Fachberater*innen können das kompetente System von innen heraus entwickeln, aushandeln und organisieren“. Damit unterstrich sie einmal mehr die zentrale Schnittstellenfunktion von Fachberatung im System KiTa.Verschiedene Qualitätsansprüche und Spannungsfelder
In einem zweiten Fachvortrag nahmen Petra Beitzel und Prof. Dr. Regina Remsperger-Kehm die Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Fachberatung in den Fokus und stellten ein neues Tool für eine entsprechende Selbstevaluation vor. „Wenn Fachberatung die Qualität in den KiTas weiterentwickeln soll“, so die beiden Referent*innen, „dann muss sie auch ihre eigene Qualität überprüfen und weiterentwickeln“. Dies gelte nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Legitimation nach innen und außen, da ja nach wie vor gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkung von Fachberatung fehlten.Als Qualitätsaspekte der Fachberatung führten sie übergeordnet die „professionelle Selbstvergewisserung“ sowie die „Transparenz und Verhandelbarkeit ihrer Maßstäbe“ an. Im Anschluss an den Professionalisierungs-Diskurs sei des Weiteren die „Fähigkeit zur Reflexion und Selbstreflexion entscheidend“.
Aus einer Leiter*innen-Befragung präsentierte Regina Remsperger-Kehm ergänzend folgende konkretisierte Qualitätsansprüche an Fachberatung:
- (Sach- und Methoden-) Kompetenz im Hinblick auf Information und Wissensvermittlung
- Fachliche Begleitung vor Ort
- Responsive, offene Haltung
- Stärkung der KiTa nach innen und nach außen
Fachberatung als Anwältin des Kindes
In der Folge zeigte das Referentinnen-Duo zentrale Herausforderungen und auch Dilemmata im Hinblick auf die Qualitätsentwicklung und -sicherung der fachberaterischen Arbeit auf. So gebe es hier zumindest drei unterschiedliche Perspektiven auf die Qualität, nämlich aus Sicht der Adressat*innen, der Organisation und der eigenen Fachlichkeit. Grundsätzlich bewege sich Fachberatung in einem Spannungsfeld aus Politik und Pädagogik, Wissenschaft und Praxis sowie Tradition und Innovation. Somit sei sie mit ganz unterschiedlichen (Qualitäts-) Erwartungen konfrontiert, woraus auch eine gewisse „Rollendiffusion“ resultiere. Zugleich stellten sie aber klar, dass es für Fachberater*innen einen entscheidenden inneren Kompass und Anker gebe: „Fachberatung muss sich als Anwältin des Kindes und seiner Rechte verstehen!“Selbstevaluation am Beispiel Kinderschutz
Als wichtigen und im DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput. bisher kaum beschriebenen Schritt zur Qualitätsentwicklung stellten die Referent*innen schließlich die Selbstevaluation der Fachberatung vor. Diese werde definiert als „empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. regelgeleitetes Beschreiben des Handelns und die Bewertung anhand festgelegter Kriterien“. Konkretisiert wurde die Selbstevaluation am Beispiel des Kinderschutzes und der Entwicklung von entsprechenden Schutzkonzepten. Das fachberaterische Handeln könne hier von der Wissensvermittlung und Kommunikation über die Intervention bis hin zu Transfer und Vernetzung reichen. Ebenso unabdingbar wie konfliktträchtig sei es für Fachberatung bei verletzendem Verhalten von Fachkräften hinzuschauen und es zu thematisieren – und zwar wiederum als dezidierte Anwältin des Kindes.Wie die Referentinnen ausführten, sei es in der Selbstevaluation für Fachberater*innen wichtig, sich folgende Fragen zu vergegenwärtigen und sie zu klären:
- Wer hat welche Erwartungen im Beratungsprozess?
- Welche Ziele verfolge ich im Beratungsprozess?
- Welche nächsten Schritte halte ich fest?
Vertieft werden konnte der Vortrag von Petra Beitzel und Regina Remsperger-Kehm in einem am Nachmittag folgenden Workshop-Panel.
Neben der Selbstevaluation standen in den sechs Workshops auch das Selbstverständnis von Fachberatung, die Typen von Fachberatung, die Perspektivenvielfalt in der Fachberatung, die Vernetzung und der Transfer sowie auch die Kinderperspektiven im Fokus.
Impulse zum Empowerment
Im Resümee wurde aus den Vorträgen, Workshops und lebhaften Diskussionen auf diesem Fachtag deutlich, dass jede Fachberater*in einen klaren inneren Kompass haben und damit auch gegen Widerstände Kurs halten sollte. Die teilnehmenden Fachberater*innen nahmen aber auch die Erkenntnis mit, dass sie „kein Rädchen im Getriebe des Gesamtsystems KiTa“ sind, sondern dieses in ihrer Schnittstellenfunktion selber aktiv mit entwickeln und gestalten können. In diesem Sinne konnte die Tagung wichtige Impulse zum Empowerment und mit dem Thema Selbstevaluation auch zur weiteren Professionalisierung der Fachberatung setzen.Karsten Herrmann