Niedersachsens Kultusminsterin Hamburg kündigt umfangreiches Sofort-Paket für die (frühkindliche) Bildung an und will die Zusammenarbeit mit dem nifbe verstärken


200 Millionen Euro gegen die aktuelle Krise, Fachkräftemangel in Kitas und Schulen eindämmen, Bildungsqualität und Bildungsteilhabe verbessern, Talente fördern und Kinder und Jugendliche individuell unterstützen: Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg hat am (heutigen) Freitag im Kultusausschuss des Niedersächsischen Landtags ihre Themenschwerpunkte für die neue Legislaturperiode vorgestellt.

Das übergeordnete Ziel der Legislaturperiode skizzierte Hamburg wie folgt:

„Wir haben den Anspruch, es zu schaffen, die Kinder und Jugendlichen fit für Gegenwart und Zukunft zu machen - auch und gerade in der Krise. Dafür brauchen wir mehr Personal in Kitas und allen Schulformen, im allgemeinbildenden wie dem berufsbildenden Bereich.
Die Bekämpfung des Fachkräftemangels auf allen Ebenen ist damit eine Schlüsselaufgabe in dieser Legislatur und wir alle miteinander wissen, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auch nicht von heute auf morgen wirken! In allen Bereichen müssen wir mehrere Aspekte gleichermaßen denken: kurzfristige und abmildernde Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen, eine Verbesserung der Arbeitsplatzattraktivität sowie die Schaffung von ausreichenden Ausbildungs- und Studienplätzen.

Es ist elementar, Kindern und Jugendlichen Orientierung und eine verlässliche Begleitung zu geben, Erfahrungsfreiräume und Selbstwirksamkeitserfahrungen seien für den Bildungserfolg maßgebliche Voraussetzungen. Bildungsstudien zeigen immer wieder auf, dass zu einem guten Bildungserfolg neben dem klassischen ‚Pauken' vor allem auch Spaß und Sinnhaftigkeit beim Lernen gehören, Freude an gemeinsamen Aktivitäten und an kreativem Gestalten und haptischen Erfahrungen. Zugleich wissen wir, dass die Bildungschancen in Deutschland und auch Niedersachsen immer noch sehr unterschiedlich sind. Das wollen wir überwinden und weitere Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit in Niedersachsen ergreifen."

Hamburg verwies einleitend darauf, dass das Land Niedersachsen zur akuten Krisenbewältigung einen Nachtragshaushalt in Höhe von rund drei Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat, um die Folgen des Ukrainekrieges und der steigenden Energiepreise abzufedern. „Zur Abmilderung der Preissteigerung an Schulen und Kitas sowie beim Mittagessen haben wir Gelder vorgesehen, die wir unbürokratisch an die Kommunen weitergeben. 200 Millionen Euro sind zur Unterstützung der Schul- und Kitaträger sowie der Eltern vorgesehen. Insofern hat die Landesregierung hier gezeigt, dass sie in diesen unsicheren Zeiten schnell handelt", so Hamburg. Für die Schul- und Kitaträger sollen 100 Millionen Euro bereitgestellt werden, um die immensen Energiepreissteigerungen abzumildern. Weitere 100 Millionen Euro sollen die Eltern bei den höheren Preisen für das Mittagessen in Kindertageseinrichtungen entlasten. „Ich freue mich, dass die Kommunalen Spitzenverbände bereits zugesichert haben, das Geld an die Eltern weiterzureichen", so die stellvertretende Ministerpräsidentin.

Die weiteren Themen im Überblick:

Ø Frühkindliche Bildung


1. Personalgewinnung
Um dem Personalmangel in der Kindertagesbetreuung entgegenzuwirken, kündigte Kultusministerin Hamburg ein umfangreiches Maßnahmenpaket in Form des „Niedersachsen-Plans 2.0" an, das sowohl Personalgewinnung als auch Personalbindung zum Ziel hat. Es brauche mehr sozialpädagogische Fachkräfte, insbesondere sollten mehr Männer für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen begeistert werden. Zudem müsse die Verweildauer vorhandener Kräfte in den Einrichtungen erhöht werden, da viele Fachkräfte die Kitas verließen und sich anderer Betätigungsfelder zuwendeten. „Dazu muss der Arbeitsort Kita attraktiver werden durch mehr Funktionsstellen und Entlastung, Weiterbildungsangebote und Qualifizierungsmöglichkeiten und natürlich Entlastungspersonal", so die Kultusministerin. Dies gehe nur in enger und konstruktiver Abstimmung mit den Trägerverbänden als Kita-Betreiber und Arbeitgeber. Beides - Personalgewinnung und Personalbindung - sei bereits konzeptionell über den Entwurf eines ‚Niedersachsen-Plans 2.0' in einen Rahmen gefasst. Diesen gelte es zeitnah mit den Trägern zu diskutieren, vor allem aber in eine zeitnahe Umsetzung zu geben. Zudem sei es unerlässlich, weiterhin und in noch höherem Umfang nicht einschlägig qualifiziertes Personal zur Entlastung der Fachkräfte einzustellen, die berufsbegleitend eine Ausbildung durchführen.

2. Personalschlüssel
Die Umsetzung des Stufenplans zur Einführung der dritten Kraft in Kindergartengruppen soll nach Hamburgs Worten wie beschlossen umgesetzt werden. Die finanziellen Anreize für Träger, Drittkräfte einzustellen, sei zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Weg, Fachkräftegewinnung, Entlastung und Qualitätssteigerung voranzubringen, ohne die Träger zu überfordern. Ab dem 1. August 2027 soll eine Finanzhilfe für qualifizierte Drittkräfte bei mindestens 15 Wochenstunden gewährt werden. Gleichzeitig soll 2026 evaluiert werden, wie die verbindliche Einführung der Drittkraft schnellstmöglich umgesetzt werden kann.

3. Qualität in Kitas
Beim Thema Sprach-Kitas erklärte die Ministerin: „Wir werden die Sprach-Kitas langfristig sichern! Das ist eine sehr gute Nachricht zu Beginn dieser Legislatur - für die Kitas und für die Fachkräfte, die nun Sicherheit mit Blick auf ihre Weiterbeschäftigung haben. Die Finanzierung wird sichergestellt, das bereiten wir im Kultusministerium derzeit vor."
Die Fachberatung werde sichergestellt, um die Prozessqualität in den Einrichtungen abzusichern. Hierzu solle die Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) intensiviert werden. Dies gelte im Übrigen auch für die Themen Wertevermittlung, Demokratiebildung, Partizipation und DiversitätDiversität|||||siehe Diversity.

Ø Allgemein bildende Schulen


1. Personalgewinnung
Der zentralen Herausforderung des Lehrkräfte- und Personalmangels soll mit unterschiedlichen Werkzeugen begegnet werden. Kurzfristige Entlastung der Schulen soll mit Personalakquise, Attraktivitätssteigerungen und Entlastungsmaßnahmen sowie dem langfristigen Ausbau der Studienplatzkapazitäten zusammengedacht werden. Sie sollen über ein integriertes Konzept umgesetzt werden, das folgende Bausteine enthält:

Mehr Einstellungen sowie Multiprofessionalität ausbauen:
Mehr Personal für multiprofessionelle Teams durch Pädagogische Mitarbeitende, eine Ausweitung der Schulsozialarbeit, schnellere Einstellungen pensionierter Lehrkräfte und eine verbesserte Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse sollen die Schulen und Lehrkräfte entlasten. Hamburg sagte dazu im Ausschuss: „Sie alle wissen, dass derzeit viele Stellen nicht besetzt werden können. Diese Situation wird sich trotz aller Anstrengungen nicht kurzfristig verbessern - sondern wir werden noch ein paar Jahre mit der Situation leben müssen. Deshalb ist es entscheidend, die Situation anzuerkennen und daraus Schlussfolgerungen zu treffen. Wir wollen prüfen, inwiefern wir den Schulen das Geld für nicht besetzte Lehrerstellen für anderes Personal zur Verfügung stellen können, damit die Lehrkräfte, die unter diesen erschwerten Aufgaben arbeiten, von Aufgaben entlastet werden können. Sobald die Lehrkräfte wieder zur Verfügung stehen, können wir sie dann einstellen."

Attraktivitätssteigerungen:
Mit A13/E13 für GHR-Lehrkräfte soll die Attraktivität der Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen erhöht werden. Hamburg: „Wir wollen das schnellstmöglich umsetzen - was durchaus eine Herausforderung ist. Zeitpläne und weitere Berechnungen werden derzeit erstellt. Dieses Vorhaben ist ein Anliegen von uns allen und es ist gut, dass es diese Legislaturperiode endlich umgesetzt wird." Attraktivität ist auch ein Stichwort für das Thema (Fach)praxislehrkräfte. Hier soll ein Anstieg der Besoldung von A9 auf A10 erfolgen.

Entlastungen: Durch Bürokratieabbau, moderne Fachanwendungen und schlanke Einstellungsverfahren sollen Entlastungen im Schulalltag erfolgen. „Zudem setzen wir die Anhebung der Altersermäßigung wieder auf die Agenda. Auch das Berufsbild Schulleitung werden wir umsetzen und schauen, wie wir Schulleitungen für ihre Aufgaben noch besser fördern, entlasten und unterstützen können", sagte die Kultusministerin.

2. Rechtsanspruch Ganztagsbetreuung in der Grundschule
Der Rechtsanspruch wird für Klasse 1 ab dem Schuljahr 2026/2027 aufsteigend eingeführt. Der Rechtsanspruch richtet sich rein gesetzlich an die Träger der Kinder- und Jugendhilfe, also die Kommunen. Dessen unbenommen ist das Land auch in der Verantwortung und nimmt diese wahr. Das Kultusministerium ist bereits mit allen Akteuren im Gespräch, um ein realistisches Umsetzungskonzept abzustimmen. Hamburg: „Wir werden deshalb intensiv weitermachen, um einen guten Ganztag in Verbindung mit den Vereinen und Verbänden sowie der Jugendhilfe umzusetzen - Schule wird dadurch zu einem Lebensraum und natürlich gehört dazu ein attraktives Angebot, aber auch ein warmes Mittagessen."

3. Inklusion, Vielfalt, Freiräume
Kultusministerin Hamburg erklärte, Niedersachsen stehe für einen weiten Inklusionsbegriff, von der Förderung von Kindern mit Unterstützungsbedarf bis zur Begabungsförderung und der Anerkennung von Mehrsprachigkeit.

Sprachliche, religiöse und sexuelle Vielfalt seien gesellschaftliche und schulische Realität und müssten entsprechend anerkannt werden. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur dritten Option sei der Auftrag, geschlechtliche Identitäten in ihrer Vielfalt anzuerkennen. Das SCHLAU-Projekt solle weiter gefördert werden.

Bei der Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf solle der gemeinsame Entschließungsantrag aus der letzten Legislaturperiode umgesetzt werden. Hamburg: „Ein Konzept für eine systembezogene Ressourcenzuweisung wird dabei ein gewaltiger Meilenstein sein, aber auch ein dickes Brett. Ebenso geht es um die Weiterentwicklung der Mobilen Dienste, die bedarfsgerechte Ausstattung der Förderschulen mit Pädagogischen Mitarbeitenden und die Weiterentwicklung der Qualifizierung. Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, dass Pool-Lösungen bei der Schulbegleitung ermöglicht werden." Hierüber sollen Gespräche mit dem Sozialministerium erfolgen.

Schulen, die sich mehr Freiräume bei der pädagogischen Arbeit wünschen, sollen noch besser unterstützt werden. Zukunftsschulen, Schulen im Aufbruch und Schulpreisträgerschulen zeigten, dass das zu guten Ergebnissen führen kann. „Wir werden die Spielräume daher erweitern - aber auch gleichzeitig denjenigen Schulen Handlungssicherheit geben, die für sich und ihre Schülerinnen und Schüler einen klaren Rahmen benötigen. Die Bedürfnisse sind heterogen, das werden wir berücksichtigen.
Ermöglichen statt verordnen lautet hierbei die Leitlinie! Das Modellprojekt Zukunftsschule ist sehr gefragt, wir wollen dieses ausweiten und weiterentwickeln", kündigte die Kultusministerin an.



4. Lernen mit digitalen Medien
Die Finanzierung digitaler Schülerendgeräte soll in einem ersten Schritt vorerst für Jugendliche erfolgen. Das Kultusministerium bereite unterschiedliche Einführungsszenarien bei vor, wie Ministerin Hamburg erklärte: „Das betrifft die Frage der einbezogenen Schuljahrgänge und Abstufungen, des Einführungszeitpunktes und der Frage der sozialen Gerechtigkeit beziehungsweise des Bedarfs - und auch das Thema Einführung eines Taschenrechners in Jahrgang 7 werden wir in die Überlegungen einbeziehen." Hamburg kündigte einen realistischen Kurs an, es werde nicht möglich sein, alles gleichzeitig voranzutreiben. Das liege insbesondere auch daran, dass die Verhandlungen über den Digitalpakt 2.0 des Bundes, aus dem weitere Gelder zu erwarten seien, noch ganz am Anfang stünden. Niedersachsen werde sich dort intensiv engagieren. Bevor es keine Klarheit über die Rahmenbedingungen gebe, könnten auch keine Maßnahmen beplant werden.

5. Kernkompetenzen
Die Förderung der Kernkompetenzen wird ein zentraler Schwerpunkt in dieser Legislatur, der IQB-Bildungstrend hat dringenden Handlungsbedarf offengelegt. Die Kitas und die Grundschulen müssten dringend gestärkt werden, kündigte Kultusministerin Hamburg an. Allerdings sei es nicht einfach, die richtigen Schlüsse zu ziehen, da die Ursachen für die Verschlechterungen vielfältig seien und daher nicht die eine Lösung auf der Hand liege. Hamburg: „Als eine Maßnahme werden wir die Stundentafel in der Grundschule erweitern. Aber auch das soziale Lernen, die sozialen Kompetenzen, die Lernatmosphäre und das Klassenklima dürfen wir nicht unter den Tisch fallen lassen. Kinder lernen am besten, wenn sie Freude haben, das Umfeld stimmt, die Neugierde in Wissen und Kompetenzen quasi natürlich überführt wird - und sie ganzheitlich gefördert werden. Daher müssen wir das Problem ganzheitlich angehen." Über Expertenberatungen und Erörterungen zu den Themen Qualitätsentwicklung und Evaluation sowie einer intensiven Auswertung des alsbald erscheinenden Gutachtens der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission solle ein wirksames Konzept entwickelt werden.

6. (Berufs)Orientierung
Die aktuellen Krisen und die Jahre der COVID-19-Pandemie mit ihren Einschränkungen verunsichern viele Jugendliche und schüren Zukunftsängste. Es sei notwendig, den Jugendlichen zeitgemäße Angebote zu machen, um sich zu orientieren und einen Plan für die Zeit nach der Schule entwickeln zu können. Es gehe nicht nur aber natürlich auch um berufliche Orientierung. Hier sollen neue Wege und kreative Maßnahmen entwickelt werden. Zudem sollen Orientierung und Unterstützung breit aufgestellt werden: „Die Corona-Pandemie hat für junge Menschen massive Folgewirkungen gehabt und es ist unsere Pflicht, diesen bestmöglich zu begegnen. Wir wollen deshalb die befristeten Maßnahmen im Rahmen von `Startklar in die Zukunft', aber auch die Schulpsychologie an Schulen absichern. Denn uns ist klar, dass dieser Prozess länger als zwei Jahre andauert. Auch Schulabsentismus ist in diesem Zusammenhang ein Thema, dem wir begegnen wollen."

7. Schulen in freier Trägerschaft
Die Schulen in freier Trägerschaft sind eine Bereicherung für das Schulwesen und sollen noch besser unterstützt werden. Die Reform der Finanzhilfe wird daher wie in der entsprechenden Absichtserklärung erfolgen. Die hier festgehaltene neue Berechnungsformel ist Grundlage der weiteren Gespräche und Verhandlungen. Hamburg: „Klar ist, dass die Freien Schulen bei Reformvorhaben für Schulen mitgedacht werden müssen. In diesem Zusammenhang sind sie auch beim Rettungsschirm berücksichtigt. Die Richtlinie ist hierzu bereits in der Bearbeitung."

Quelle: Presseinfo Kultusministerium