Fachkräfteverband Niedersachsen nimmt Stellung zur Bertelsmann-Studie


Wie der am 20.10.2022 veröffentlichte Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung aufweist, ist der Fachkräftemangel mittlerweile in fast jeder Kita angekommen. Auch in Niedersachsen und Bremen fehlt es mittlerweile in sehr vielen Kitas an Fachkräften. Als Folge müssen immer mehr Gruppen eingeschränkt oder sogar ganz geschlossen werden. Auch die Randzeiten, wie der Frühdienst oder Spätdienst, brechen immer häufiger weg. Dies zeichnete sich bereits zu Beginn des Kitajahres 2022/23 ab. Diese Situation bringt gerade berufstätige Eltern oft an ihre Belastungsgrenzen. Die Ausfälle werden immer häufiger und die Arbeitergeber tolerieren es immer weniger, wenn Eltern wegen ihrer Kinder die Arbeitszeit einschränken müssen.

Das der Fachkräftemangel eintritt ist schon lange bekannt - gegengesteuert wurde lange nicht. Was den Mangel in der heutigen Zeit noch verschärft sind u.a.
  • Viele Fachkräfte gehen in ihren wohlverdienten Ruhestand. Über viele Jahre haben diese Fachkräfte Generationen von Kindern begleitet. Gerade im Alter wird es immer schwieriger, den Anforderung an die heutige Pädagogik gerecht zu werden. Auch die kleinen Stühle, das Arbeiten am Boden sowie die Lautstärke in den Gruppen führt dazu, dass viele Fachkräfte in die Frührente gehen. Sie schaffen es körperlich oder auch psychisch nicht mehr den Alltag im Kindergarten ohne gesundheitliche Einschränkungen zu bestreiten.
  • Die Corona-Pandemie hat viele Fachkräfte an ihre Grenzen gebracht. Sie haben an vorderster Reihe, ohne großen Schutz, den kleinsten unserer Gesellschaft einen festen Rahmen geboten. Unterstützt wurden wir erst nach 1 ½ Jahren, als für die Kindergärten die kostenlosen Tests ausgegeben wurden. Nun sind sie ausgelaugt und ausgebrannt. Dies wurde bereits im Gesundheitsreport der Barmer dargelegt.
  • Durch die hohe Arbeitsbelastung, der Hilflosigkeit der jetzigen Situation, der Überforderung einzelner Fachkräfte, steigt das Krankenaufkommen in den Einrichtungen. Erzieher:Innen gehören zu den Berufsgruppen, bei denen einer der höchsten Krankenstände verzeichnet wird.
  • Die Rahmenbedingungen werden nicht angepasst. Die Bertelsmann Stiftung schlägt schon seit Jahren Alarm, dass der Fachkraft-Kind-Schlüssel nicht den Anforderungen entspricht. Seit Frühjahr diesen Jahres kann in jeder Kindergartengruppe ein weiteres Kind aufgenommen werden. Die Rahmenbedingungen verschlechterten sich also fortführend, als das sie verbessert werden. Fachkräfte können so immer weniger ihren eigenen Ansprüchen und dem Bildungs- und Orientierungsplan Niedersachsens gerecht werden, um für jedes Kind eine optimale Bildung anzubieten. Das demotiviert viele Fachkräfte und sie resignieren. Jede fünfte Fachkraft wechselt das Berufsfeld.
  • Immer mehr Flüchtlingskinder kommen nach Deutschland. Diese Kinder wollen und sollen auch einen Kindergartenplatz bekommen. Dadurch werden mehr Kitagruppen benötigt und in dessen Folge auch Fachkräfte. Wir brauchen also mehr Fachkräfte insgesamt.
  • Durch den Ausbau der Ganztagsschulen wird sich der Fachkräftemangel noch weiter verstärken.
  • Die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin dauert in Niedersachsen ca. 4 Jahre. In diesen 4 Jahren verdienen die Auszubildenden kein Geld. Auch wenn sie teilweise Unterstützung vom Staat in Form des Bafög‘s bekommen, müssen sie diese zum Teil wieder zurückzahlen. Das macht die Ausbildung sehr unattraktiv.
  • Es stehen nicht genügend Schulplätze zur Verfügung. Sowohl im Bereich der Sozialpädagogischen Ausbildung, als auch bei den Erziehern, fehlen Lehrer. Durch den Lehrermangel können die fehlenden Fachkräfte nicht ausgebildet werden.

All das lässt die jetzige Situation zu einer Abwärtsspirale werden. Laut dem Ländermonitoring fehlen rund 12.000 Fachkräfte, um dem Betreuungsbedarf gerecht werden zu können. Weiterhin fehlen für das Jahr 2023 voraussichtlich bis zu 45..500 Kitaplätze. Jetzt gilt es diese Situation zu verbessern und die Abwärtsspirale aufzuhalten. Die Kinder brauchen verlässliche Bildung und die Eltern benötigen eine verlässliche Betreuung. Nur so können wir die Bildungschancen für alle Kinder gewährleisten und den Eltern Sicherheit geben, dass die Kinder in den Einrichtungen gut und verlässlich betreut werden.

Dies zu erreichen wird ein harter Weg. Das Kitasystem steht vor dem Kollaps. Dies belegen auch die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung. Dieser fatale Trend baut sich seit Jahren auf und ist nur mit mittel- und langfristigen Lösungen aufzuhalten. Wir fordern von der Politik, dass sie sich mit den Akteuren der frühkindlichen Bildung und Wissenschaft auseinandersetzen und gemeinsam nach Lösungsstrategien gesucht wird. Hierzu sollten die bestehenden Expertisen genutzt werden.

Quelle: Presseinfo Fachkräfteverband Niedersachsen