Für eine gelingende Teilhabe an frühpädagogischen Angeboten kommt einer Vertrauensbeziehung zwischen frühpädagogischen Fachkräften und fluchterfahrenen Eltern eine entscheidende Rolle zu. Doch wie kann dieses Vertrauen entstehen und wie kann es vor allen Dingen erhalten werden? Antworten darauf gab Prof. Dr. Philipp Sandermann von der Leuphana-Universität in der kostenlosen nifbe-Vortragsreihe „Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa“. Moderiert wurde die Veranstaltung von den nifbe-Transfermanager*innen Gerlinde Schmidt-Hood und Jörg Hartwig.

Sandermann copyDie Frage des Vertrauensaufbaus zwischen (geflüchteten) Eltern und KiTa-Fachkräften stand im Fokus eines Forschungsprojektes, das Philipp Sandermann mit seinem Team durchgeführt hat. Es wurde vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium gefördert und in einem Mix aus teilnehmender Feldforschung und einer quantitativen Befragung durchgeführt. Hintergrund war die Erkenntnis, dass Kinder von fluchterfahrenen Eltern tendenziell seltener, später und unregelmäßiger an der institutionellen Betreuung teilnehmen und es zu dieser Frage bisher kaum Forschungen gab.

Zum Auftakt stellte der Sozialpädagoge den Teilnehmer*innen die Frage, in welchen Situationen Vertrauen besonders wichtig sei. Genannt wurden Situationen wie „Wenn ich mich unsicher fühle“, „wenn ich wenig weiß“ oder „in privaten und beruflichen Übergängen“. Philipp Sandermann fasste zusammen, dass Vertrauen immer besonders „in Situationen und Interaktionen wichtig ist, die unübersichtlich und neu sind - wie zum Beispiel im Migrationsprozess“. Vertrauen sei „ein situations- und kontextabhängiger wechselseitiger sozialer Prozess“ mit den beiden Polen „Vertrauensneigung und Vertrauenswürdigkeit“.

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Überraschende Projektergebnisse

Aus seinen Projektergebnissen heraus konnte Philipp Sandermann durchaus überraschend berichten, dass geflüchtete Eltern im Hinblick auf frühpädagogische Angebote „einen sehr hohen Vertrauensvorschuss aufweisen und genaue Erwartungen zum Beispiel im Hinblick auf deren formelle Bildungsfunktion haben.“ Sie seien motiviert und bemüht, ihren Kindern einen Zugang zu den frühpädagogischen Angeboten zu ermöglichen und sähen zugleich die Entwicklungschancen für ihre Kinder wie auch den Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Philipp Sandermann unterstrich aber, dass elterliches Vertrauen ein Prozess ist und die KiTa vor „dauerhafte Herausforderungen stellt“. Zentrale Barriere oder Stolperstein sei hier unter anderem die Sprache. Im Alltag zeige sich dies beispielsweise in Situationen wie der Eingewöhnung, auf Elternabenden oder bei der Informationsweitergabe in Tür- und Angelgesprächen. Eine besondere Herausforderung sei aber auch die Vermittlung des Bildungsverständnisses einer KiTa, die eben entgegen der Erwartung vieler geflüchteter Eltern keine Vorschule und nicht auf Schulfähigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Rechnen ausgerichtet ist.

Im Integrations- oder Inklusionsprozess spielen, so der Referent, einzelne Vertrauenspersonen auf Seiten der Fachkräfte oder der Ehrenamtlichen eine zentrale Rolle. Wichtige Voraussetzungen seien hierfür „Begegnung auf Augenhöhe, Verlässlichkeit, Aufmerksamkeit und Zuhören“. Solche Vertrauenspersonen seien aber auch der Gefahr der „Familiarisierung“ und einer damit einhergehenden „Entgrenzung und Überlastung“ ausgesetzt. Durch die besonders engagierten Vertrauenspersonen würden auch oftmals strukturelle Mängel wie nicht-inklusive Organisationsabläufe kompensiert.

Die Herausforderung besteht im Vertrauenserhalt

In der Schlussfolgerung unterstrich Philipp Sandermann, dass fluchterfahrene Eltern im Grunde nicht erst von einer Wahrnehmung frühpädagogischer Angebote überzeugt werden müssten, da das Vertrauen da sei. Die eigentliche Herausforderung sei es, das Vertrauen nach dem Einmünden in die institutionelle Tagesbetreuung aufrecht zu erhalten. Hierbei seien insbesondere sprachliche Barrieren und eine gleichzeitige Fokussierung unserer Gesellschaft auf die deutsche Sprache hinderlich. Sandermann forderte so „mehr Wertschätzung für Mehrsprachigkeit“ und auch die Bereitschaft der Fachkräfte in der Kommunikation mit geflüchteten Eltern beispielsweise einmal auf die Weltsprache Englisch als gemeinsame Schnittmenge auszuweichen, digitale Apps in Anspruch zu nehmen oder auch stärker mit Visualisierungen zu arbeiten.

Grundsätzlich, so Sandermann im Blick auf die Markroebene,  sei die deutsche Gesellschaft eine Migrations- und Fluchtgesellschaft und entsprechend bräuchten auch die KiTas als deren Mikrokosmos dauerhafte Ressourcen beispielsweise für Sprach- und Kulturmittler. In diesem Sinne zeigte sich der Vertrauensaufbau mit geflüchteten Eltern und der dauerhafte Vertrauenserhalt auch als ein wichtiger Schritt hin zu einer inklusiven Gesellschaft, der bildungspolitisch flankiert werden muss.

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Karsten Herrmann