WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Bundeskongress beleuchtet Status Quo und zeigt Perspektiven auf


Der Fachberatung wird fast unisono eine Schlüsselrolle bei der systematischen Qualitätsentwicklung in KiTas zugesprochen – doch das Arbeitsfeld ist nach wie vor äußerst heterogen und sowohl in landesrechtlicher Verankerung wie Finanzierung weithin ungeregelt. Auf dem WiFF-Bundeskongress standen nun der Stand der Dinge rund um die Fachberatung und die Voraussetzungen für ihre weitere Professionsentwicklung im Fokus. Passend zur Tagung erschien auch ein aktueller WiFF-Wegweiser Weiterbildung zur Fachberatung, in den aktuelle Studien und Beiträge einer WiFF-Expert*innengruppe eingeflossen sind.

Zur Einführung umriss WiFF-Leiterin Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin gerade auch angesichts immer neuer und komplexerer Aufgaben der KiTas die Fachberatung als notwendiges „Stützsystem für Leitungs- und Fachkräfte“. Sie sei die Schnittstelle an den verschiedenen Ebenen des KiTa-Systems und Katalysator für die Kooperation und Vernetzung. Ein empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.er Beweis für die Wichtigkeit und Wirksamkeit von Fachberatung stehe allerdings noch aus.

Auf Grundlage aktueller WiFF-Studienergebnisse zur Fachberatung wies sie aber auch auf die bisher nicht ausreichende rechtliche und finanzielle Verankerung der Fachberatung und ihre sehr unterschiedliche Mandatsgestaltung hin. Nur in den Bundesländern Berlin, Hamburg, NRW und Thüringen gebe es verbindliche Regelungen.

Andererseits, so Fuchs-Rechlin, nehmen fast alle Träger Fachberatung in Anspruch – 60 Prozent davon greifen auf externe Fachberatung zurück. Die Nutzung der Fachberatung durch KiTas sei aber eher optional und nicht zuletzt aufgrund der Ressourcenknappheit auf beiden Seiten zumeist im Sinne eines Feuerwehr- oder Notfalleinsatzes. Eine anzustrebende kontinuierliche und prozesshafte Begleitung sei eher noch die Ausnahme.

Als Aufgaben-Kern von Fachberatung benannte Kirsten Fuchs-Rechlin folgende, dem Meta-Ziel der Qualitätsentwicklung in KiTas untergeordnete, Bereiche:
  • Personalmanagement
  • Kompetenzentwicklung
  • Trägerberatung
  • Verwaltungsaufgaben
  • Qualität eigenen Handelns
  • Netzwerken

In der aktuellen Praxis der Fachberatung hätten sich daraus ganz unterschiedliche Aufgabenprofile gebildet. So könne die Arbeit eher Klient*innen und / oder Organisations-bezogen sein und sowohl „Steuernd-koordinierend“ wie auch „Pädagogisch-befähigend“, „Auftragsorientiert-spezialisiert“ oder Praxisorientiert-unterstützend“ erfolgen.

Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In einer Key-Note führte Prof. Dr. Claudia Hruska von der Alice Salomon-Hochschule die „Rollen, Tätigkeiten und Kompetenzen“ der Fachberatung im „Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ aus. Ansprüche gebe es so einerseits von Politik und Trägern und andererseits von den Leitungs- und Fachkräften sowie den Eltern der zu begleitenden KiTas. Hinzu komme der bei Fachberater*innen – in der Regel - sehr hohe Selbstanspruch.

Als zentrale Vertretungen der Fachberater*innen benannte sie die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit (BAG-BEK), die auch intensiv an einer Definition des Selbstverständnisses von Fachberatung gearbeitet habe, einige LAG’s in den Bundesländern sowie thematische Zusammenschlüsse wie zur Sprach-Fachberatung.

Auch Claudia Hruska benannte als zentrale Aufgabe von Fachberatung die Begleitung von Qualitätsentwicklungsprozessen in der KiTa. Dabei würden „pädagogische Räume für die vernetzte Zusammenarbeit“ arrangiert. In einem breiten Spektrum führten Fachberater*innen Beratungs- und Begleitprozesse durch, fungierten darüber hinaus aber auch als Fort- und Weiterbildner*innen, als Informations-Manager*innen und nähmen teilweise auch noch Dienst- und Fachaufsicht ein. Anlässe der Beratung seien in erster Linie herausforderndes Verhalten von Kindern, Konflikte in der KiTa sowie die Team- und Organisationsentwicklung.

„Die Tätigkeit der Fachberater*innen“, so Claudia Hruska, „erfordert ein hohes Maß an Professionalität“. Sie stellte in der Folge unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren und strukturellen Rahmenbedingungen ein Kompetenzmodell für Fachberatung vor. Zentrale Elemente sind hier:
  • fachspezifisches theoretische Wissen
  • habituelles und reflektiertes Erfahrungswissen
  • Situationswahrnehmung und -analyse
  • Handlungspotenzial und Methodische Kompetenzen

In besonderer Weise hob sie die „sozial-emotionalen Kompetenzen“ und die „Mentalisierungsfähigkeit“ heraus. Beratung und Prozessbegleitung seien essenziell auf eine „bewusste Beziehungs- und Interaktionsgestaltung“ sowie auf das „Empowerment“ der Klient*innen angewiesen. Fachberater*innen selbst wiederum müssten sich und ihre Praxis stetig kritisch reflektieren, sich selbst evaluieren und durch Supervision und / oder Intervision begleitet werden.

In Impulsen beleuchteten im Anschluss Dr. Andy Schieler vom IBEB in Rheinland-Pfalz und Prof. Dr. Daniela Ulber von der HAWK Hamburg die Themenbereiche „Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung“ sowie die „Teamentwicklung“ als zentrale Aufgaben von Fachberatung. In einem Fachgespräch mit Mitgliedern der WiFF-Expert*innen-Gruppe standen die aktuellen Herausforderungen – beispielsweise durch die Corona-Pandemie – sowie die aktuellen Themen der Fachberatung im Fokus. Peter Keßel vom nifbe wies hier auch auf eine gerade abgeschlossene bundeweite Befragung von Fachberater*innen in Kooperation von nifbe und BAK-BEK hin. Hier gebe unter den rund 750 Teilnehmerìnnen erste deutliche Hinweise auf veränderte Beratungsformate der Fachberatung.

Pädagogik entfalten statt verwalten

Unter dem Motto „Pädagogik entfalten statt verwalten“ blickte Dr. Elke Alsago, Fachreferentin bei ver.di, auf die Kompetenzentwicklung der Fachberater*innen im System KiTa und mit Mathias Urban auch auf ein insgesamt „kompetentes System“.

Kompetenzen, so führte sie aus, entwickelten sich immer in wechselseitigen Beziehungen zwischen Individuen, Teams, Einrichtungen und Trägern sowie weitergehend auch mit Gemeinwesen und Gesellschaft. Gemeinsam müsse hier ein „Gemeinsinn“ entwickelt und als Grundausrichtung des Systems immer wieder verdeutlicht werden. Als handlungsleitende Grundlagen für das System KiTa nannte sie das Grundgesetz und die Grundrechte, das KJHGKJHG||||| Das Kinder- und Jugendhilfegesetz umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen, die die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland betreffen. Das SGBVIII (Achte Buch Sozialgesetzbuch) ist der Artikel 1 des KJHG. Es umfasst ein Angebote- und Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, welches der früheren Kontroll- und Eingriffsorientierung entgegensteht. Daher steht das Inkrafttreten  (Januar 1991) auch für einen Paradigmenwechsel in der Kinder-und Jugendhilfe. und die UN-Kinderrechtskonvention – und in diesem Sinne gehe es auch immer um soziale Gerechtigkeit und die „Befähigung aller Akteur*innen im System“. Für Fachberatung gelte es entlang der Trias „Wissen – Werte – Praktiken“ entsprechende (Selbstbefähigungs-) Kompetenzen im und für das System zu entwickeln. Fachberatung könne so „ein entscheidender Motor für die professionelle Entwicklung des Feldes“ sein.

Im Rückgriff auf die Arbeit der AG Fachberatung der BAG-BEK definierte Elke Alsago die Fachberatung als eine „personenbezogene, strukturentwickelnde soziale Dienstleistung“ im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Insbesondere sei hier auch eine „Vermittlungs- und Verknüpfungsdienstleistung“ gemeint. Im Zentrum der Arbeit der Fachberater*innen stünde das Sammeln, Analysieren, Verknüpfen, Übersetzen und Arrangieren von Informationen und neuem Wissen für die KiTas. Aber auch die Träger-Beratung sowie die Vernetzung und Kooperation mit weiteren Berufsgruppen und angrenzenden Systemen wie Ausbildung, Gesundheit oder Forschung spiele eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt aufgrund der nicht unmittelbaren, sondern sekundären und tertiären Adressat*innen-Ausrichtung und entsprechender mehrfacher Theorie-Praxis-Bezüge erfordere die Arbeit der Fachberater*innen ein „hohes Maß an kritischer (Selbst-) Reflexion“.

Für die Weiterentwicklung der Fachberatung im Feld forderte Elke Alsago neben einer verbindlicheren Mandatierung durch Politik und Träger „mehr Ressourcen sowie Entwicklungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume“.

Über Handlungsbedarfe und "No Go's"

In einem abschließenden Fachgespräch mit Vertreter*innen aus Politik und Praxis wurden auf der WiFF-Tagung die Gelingensbedingungen von Fachberatung und Handlungsbedarfe für die Zukunft diskutiert.
Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein konstatierte, dass es der Fachberatung zunehmend gelänge, ihre Handlungsfeld und dessen Bedeutung präsent zu machen. Auch hätten sich schon einige Bundesländer wie Berlin, Hamburg, NRW oder Thüringen auf den Weg gemacht, um Fachberatung rechtlich und inhaltlich verbindlich zu verankern. Eine verpasste Chance sah sie auf Bundesebene und dem Gute-KiTa-Gesetz, bei dem es nicht gelungen sei, die Fachberatung als eigenes Handlungsfeld aufzunehmen.

Von hoher Bedeutung für die weitere ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   der Fachberatung sah Sabine Herrenbrück als Trägervertreterin die bundesweite, landesweite und regionale Vernetzung und den fachlichen Austausch an. Mit der BAG-BEK gebe es auf Bundesebene eine zentrale Plattform dafür und auch in Bundesländern wie Niedersachsen (nifbe) und Rheinland-Pfalz (IBEB) sei die Vernetzung sehr weit vorangeschritten.

Carsten Weidner vom Berliner Senat unterstrich, dass Fachberatung grundsätzlich auf Freiwilligkeit und nicht auf Verpflichtung beruhen dürfe. Unisono unterstrichen die Diskutant*innen, dass eine Verbindung der Fachberatung mit Dienst- und Fachaufsicht kein geeignetes Modell oder sogar ein „No go“ sei.

Im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie sprach Sabine Herrenbrück von einer „Initialzündung für die Weiterentwicklung der Fachberatung“. Mit der ressourcenschonenden Einführung neuer digitaler Formate stünde die herkömmliche Beratungspraxis gerade im ländlichen Raum auf dem Prüfstand . Für die digitale Weiterentwicklung sei aber eine entsprechende Infrastruktur der Fachberatung und auch der KiTas unabdingbar.

Eine Profession im Werden

Die WiFF-Jahrestagung spiegelte aus verschiedenen Perspektiven und Ansätzen ein aktuelles Bild der Fachberatung in Deutschland wider und machte deutlich, dass sie eine Profession im Werden ist. Erste wichtige Schritte wie zum Beispiel die Formulierung eines Selbstverständnisses durch die BAG-BEK sind getan. Unabdingbare nächste Schritte sind neben dem weiteren Ausbau der Vernetzungs- und Vertretungsstrukturen die rechtlich verbindliche Verankerung und verlässliche Finanzierung der Fachberatung auf Bundes- (KJHG) und Landesebene (KiTaG’s) sowie die Entwicklung gemeinsamer Standards. Last but not least muss aber auch die (Wirksamkeits-) Forschung in diesem Handlungsfeld deutlich intensiviert werden.

Zum Download Wegweiser Weiterbildung Fachberatung

Zu den Aufzeichnungen der Vorträge auf der WiFF-Seite


Karsten Herrmann