Die Forschung hat in den letzten Jahren aufgezeigt, dass das gleichzeitige Lernen mehrerer Sprachen für Kinder keine Nachteile, sondern sogar Vorteile hat. Dennoch ist die gezielte Förderung und Wertschätzung der Mehrsprachigkeit in den KiTas noch nicht überall etabliert und hat unter der Corona-Pandemie gelitten. Wie Mehrsprachigkeit grundsätzlich und unter Pandemiebedingungen umgesetzt werden kann, zeigte jetzt Ilka Maserkopf im Rahmen der kostenlosen nifbe-Vortragsreihe „KiTa in Corona-Zeiten“ auf. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anna Dintsioudi und Julia Krankenhagen aus dem nifbe-Team.

Sprachförderliche Grundhaltung

Einführend wies Ilka Maserkopf darauf hin, dass zwar 70 Prozent der Weltbevölkerung mehrsprachig aufwachsen, dass es in Deutschland aber eine „monolinguale Tradition“ gebe. Erst in den letzten Jahren sei die Mehrsprachigkeit in den KiTas immer mehr zum Thema geworden. Doch wie kann sie in den KiTas wirklich gelebt werden und wie können sich Kinder mit anderen Sprachen und aus anderen Kulturen dort wiederfinden? Als erste kleine Ankerpunkte, so die Fachberaterin und frühere Leiterin einer bilingualen KiTa, böten sich mehrsprachige Begrüßungen im Eingangsbereich, Weltkarten oder unterschiedliche Länderflaggen an. Zentral für eine alltagsbasierte Sprachbildung sei eine „sprachförderliche Grundhaltung“, die sich u.a. durch folgende Elemente auszeichne:
  • Sich im Gespräch Zeit nehmen, auf Antworten warten, Kinder aussprechen lassen
  • Augenhöhe und Blickkontakt
  • Themen der Kinder aufgreifen
  • Offene Fragen stellen
„Wichtig ist es“, so Ilka Maserkopf, „bei den Kindern zu bleiben“ und „mit Sprache auch mal Quatsch zu machen, zu spielen und zu experimentieren“. Fachkräfte sollten auch die „Rolle eines Sprachvorbilds“ annehmen und eine „reichhaltige, deutliche und einfühlsame Sprache“ nutzen. Grundsätzlich sprachförderlich sei „das handlungsbegleitende Sprechen und ein beiläufig korrigierendes feedback, ohne dass die Kinder sich verbessert fühlen“. Besonders geeignet seien für die (Mehr-) Sprachbildung eine „dialogische Bilderbuchbetrachtung“, „Vorlesepaten in unterschiedlichen Sprachen“ oder auch die „Verbindung von Sprache, Musik und Bewegung“.

Sprachanregende Umgebung

Intensiv ging Ilka Maserkopf auch auf eine „sprachanregende Umgebung“, auf „Räume, die zum Sprechen einladen“, ein. Diese müssten jeweils Aktivität und Ruhe sowie Assistenz und Autonomie mit eigenen Gestaltungsmöglichkeiten für die Kinder bieten. In den Räumen müsste sowohl Vertrautes wie auch Neues und Interessantes zusammenkommen. Ideal sei auch eine „Sprachwerkstatt“ mit Büchern, einer Schreibmaschine, Aufnahmegeräten und Ähnlichem.

Kinder würden sehr genau die Botschaft eines Raumes aufnehmen und Antworten finden auf Fragen wie: Bin ich hier erwünscht? Interessieren hier meine Bedürfnisse? Kann ich das Material erreichen? Gerade bei der Erreichbarkeit und der Präsentation der Materialien gebe es in vielen KiTas noch Verbesserungsbedarf und häufig sei weniger mehr.

Nach dieser Darstellung der Grundlagen fragte die Referentin die Teilnehmer*innen danach, welche Materialien in eine solche sprachanregende Umgebung gehörten und es kam ein breites Spektrum an Tipps und Anregungen zusammen:
  • Mehrsprachige Bücher
  • Weltkarten, Nationen-Flaggen
  • Wort- und Gefühlskarten
  • Sprechende Wände
  • Rollenspiel-Angebote
  • Piktogramme
  • Mehrsprachig beschriftete Dinge
  • Selbstgemachtes Fotomemory mit Dingen der Kinder
Wie Ilka Maserkopf ausführte, habe sich während der Pandemie eine alltagsintegrierte Sprachbildung insbesondere in Kleinguppen in der KiTa oder draußen angeboten, ggf. mit entsprechenden Schutzmaßnahmen. Für die Kinder, die zu Hause bleiben mussten, hätten die Fachkräfte mit „viel Kreativität und Energie“ ganz unterschiedliche Möglichkeiten genutzt: Von Briefe schreiben, E-Mails und Messenger-Nachrichten über das (digitale) Geschichten erzählen und kleine Filmchen bis zu Materialpaketen und dem an der Tür „Hallo“ sagen.

Unterstützungsangebote

Zum Abschluss ihres Vortrags stellte die Referentin noch ausgiebig unterstützende Angebote und Materialien für die gezielte Förderung der Mehrsprachigkeit vor, z.B.:
  • Handreichungen für Fachkräfte
  • Plakate / Bilderbücher / Kamishibai
  • Geschichtensäckchen
  • Signalkarten
  • (Hör-) Spiele
  • Big Points (Bilder von Gegenständen) mit Tonaufnahmen
  • Leseeule
  • Digitale Vorlesestifte (Weitere Details s. Powerpoint unten)

In der sich anschließenden Diskussion standen insbesondere interkulturelle Aspekte und die Frage im Zentrum, inwieweit auch vermehrt Fachkräfte mit unterschiedlichen Sprachen und aus unterschiedlichen Kulturen in die KiTas kommen sollten – auch wenn diese noch nicht perfekt Deutsch sprechen könnten. Ilka Maserkopf unterstrich, dass ein Team in der KiTa auch die Gesellschaft widerspiegeln sollte und bewertete mehrsprachige Fachkräfte als „ungeheure Bereicherung“, die Kindern aus anderen Länder ein Stück Heimat bieten und die Identitätsbildung fördern könnten. Mangelnde deutsche Sprachkenntnisse könnten dabei direkt mit den Kindern thematisiert und sollten dann aber auch „on the job“ kontinuierlich verbessert werden.

Auf den Weg gab sie den sich engagiert an der Diskussion beteiligenden Teilnehmer*innen dann noch ein Zitat des Schriftstellers Frank Harris mit:

„Jede neue Sprache ist wie ein offenes Fenster, dass einen neuen Ausblick auf die Welt eröffnet und die Lebensauffassung weitet.“

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Karsten Herrmann