Familienbildung und Familienberatung leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung von Familien in Deutschland. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der von der PrognosAG durchgeführten Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Auf der Datenbasis von insgesamt 2.188 Einrichtungen (1) aus allen 16 Bundesländern wurde eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme (2) zu Strukturen, Zielgruppen, Themen und Angeboten der Familienbildung und Familienberatung in Deutschland erstellt.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Familienbildung und Familienberatung haben eine große Reichweite: Rund 1,6 Millionen Menschen werden durch Angebote der befragten Einrichtungen erreicht; Beratungsleistungen werden zudem in 630.000 Fällen angeboten (in Bezug auf das Jahr 2019).
  • Rund 70.000 familienbezogene Präventionsangebote werden im Jahr 2019 umgesetzt; dies mehrheitlich in der Familienbildung. Zahlreiche niedrigschwellige offene und aufsuchende Angebote werden realisiert: Rund drei Viertel der Einrichtungen der Familienbildung bieten offene Angebote an, jede fünfte Einrichtung arbeitet aufsuchend.
  • Neben familienbezogenen Präventionsangeboten zur Stärkung der Erziehungs- und Alltagskompetenz werden in der Familienbildung von den befragten Einrichtungen im Jahr 2019 folgende Themen als (sehr) wichtig eingestuft: Integration (69 Prozent), die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie (64 Prozent) und Medienbildung (60 Prozent).
  • 88 Prozent der befragten Einrichtungen bieten individuelle Beratungsangebote an, überwiegend die Einrichtungen der Familienberatung (2019). Eine (eher) hohe Inanspruchnahme besteht bei Beratungen zu den Themen Trennung und Scheidung (69 Prozent), zu Belastungen von Kindern und Jugendlichen durch familiäre Konflikte und/oder Problemlagen der Eltern (59 Prozent) sowie zur elterlichen Erziehungskompetenz (57 Prozent).
  • Die befragten Einrichtungen unterstützen Familien in Bildungsfragen und wirken ungleichen Bildungschancen entgegen: 43 Prozent der befragten Einrichtungen setzen im Jahr 2019 Angebote zur Bildungsbegleitung um (zum Beispiel Einsatz von Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern, Stadtteilmüttern, niedrigschwellige Eltern­Gruppen an Kitas und Grundschulen, Sprachbildung).
  • Familienbildung und Familienberatung knüpfen an den vielfältigen Bedarfen von Familien an: Alleinerziehende (66 Prozent) und Paarfamilien (64 Prozent) nehmen im Jahr 2019 Angebote der Familienbildung und Familienberatung hoch in Anspruch und werden damit besonders guterreicht.
  • Familien in unterschiedlichen sozialen Lebenslagen werden angesprochen: In den befragten Einrichtungen werden Angebote mehrheitlich von Personen mit niedrigem (42 Prozent) und mittlerem (42 Prozent)sozialen Status in Anspruch genommen (2019).
  • Die Teilnehmenden sind mehrheitlich weiblich; der Väteranteil liegt bei 22 Prozent (2019).
  • Familienbildung und Familienberatung sind Teil einer vernetzten familienbezogenen Infrastruktur in den Kommunen: Die wichtigsten Kooperationspartner für Familienbildung und Familienberatung sind im Jahr 2019 das Jugendamt, gefolgt von Kindertagesstätten, Frühen Hilfen und Schulen.
  • Trotz der Coronapandemie gelingt es, den Kontakt zu Familien aufrechtzuerhalten. Zwei Drittel der befragten Einrichtungen haben im Jahr 2020 erfolgreich neue Angebote geschaffen – insbesondere im digitalen Raum. Auch aufsuchende Angebote werden im Bereich der Familienbildung verstärkt umgesetzt. Eine eingeschränkte Erreichbarkeit wird von einem Drittel der befragten Einrichtungen für Familien mit Migrationshintergrund und für Familien mit wenig Internetkenntnissen festgestellt.

In den letzten 15 Jahren lässt sich ein Wandel der Landschaft der Familienbildung und Familienberatung verzeichnen. Die aktuelle Studie zeigt im Vergleich zur letzten Bestandsaufnahme (Veröffentlichung 2006) folgende Entwicklungstrends auf:

Neue Zugangswege und erweitertes Angebotsspektrum

  • Ergänzung von Angeboten, die in den Einrichtungen stattfinden, durch den Ausbau aufsuchender und digitaler Zugangswege zu Familien (Zugangsmix)
  • Anhaltende Bedeutung von Kursen und Gruppen (zum Beispiel Eltern­Kind­Gruppen für junge Familien) bei gleichzeitiger Stärkung offener Angebote in der Familienbildung
  • Ausbau der Angebote zur Bildungsbegleitung
  • Erweiterung der Zielgruppen
  • Erkennbare Zunahme des Anteils sozial benachteiligter Familien von 15 Prozent (2006) auf 42 Prozent (2019)
  • Langsamer Zuwachs beim Anteil von Vätern von 17 Prozent (2006) auf 22 Prozent (2019)

Schlussfolgerungen und Handlungsbedarfe

  • Um die Versorgungsbedarfe von allen Familien zu decken, ist ein Ausbau der Angebote notwendig. Das betrifft vor allem sensumotorische Angebote und Angebote rund um die Geburt sowie Angebote der Bildungsbegleitung, beispielsweise im Rahmen der Weiterentwicklung des Bundesprogramms „Elternchance“. Niedrigschwellige offene und aufsuchende Angebotsformate sind zu favorisieren, weil sie den Zugang zu den Zielgruppen fördern.
  • Insbesondere Familien mit Migrationshintergrund sowie geflüchtete Familien, aber auch Väter, gilt es noch besser zu erreichen. Hierfür sind beispielsweise sozialraumorientierte Angebote und Kooperationen auszuweiten und Angebotszeiten anzupassen.
  • Kooperationen für eine präventiv orientierte familienbezogene Infrastruktur vor Ort sind zu intensivieren. Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Kitas sollten verstärkt für den Bereich der Grundschulen genutzt werden.
  • Die Bedeutung von Familienbildung und Familienberatung in der kommunalen Planung der Kinder­und Jugendhilfe sollte durch einen stärkeren Einbezug der Jugendämter und eine Verankerung von Präventionsketten vor Ort gestärkt werden.

Der Abschlussbericht steht online auf der Website der Prognos AG https://www.prognos.com/de) zur Verfügung.


Anmerkungen:

(1) unter anderem Einrichtungen der Familienbildung wie Familienbildungsstätten, Kinder­ und Familienzentren (mit und ohne Kita); Einrichtungen der Familienberatung wie Erziehungsberatungsstellen, Ehe­, Familien­ und Lebensberatungsstellen; Selbsthilfeorientierte Einrichtungen wie Mütterzentren, Mehrgenerationenhäuser; Koordinationsstellen wie der Allgemeine Soziale Dienst
(2) Bezugsjahr ist im Regelfall das Jahr 2019, bei den Fragen zur Coronapandemie das Jahr 2020


Quelle: BMFSFJ