In dem aktuellen ZEIT-Artikel "Ungerecht von Anfang an" beschreibt der Wissenschaftsjournalist Martin Spiewak auf Grundlage neuer Studien die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland und arbeitet dabei noch einmal überzeugend die Bedeutung der ersten Jahre heraus.

Demnach schlägt der Heimvorteil eines Kindes aus einer privilegierten Familie am stärksten in den ersten sechs Jahren vor der Schule zu Buche. „Danach, so lautet die nüchterne Erkenntnis, ist die Messe weitgehend gelesen.“

Dies bedeutet, dass es pädagogisch und politisch effektiver wäre, das Hauptaugenmerk auf diesen Zeit zu richten, „wo die Schere auseinandergeht: In den ersten sechs Jahren, in Vorschuleinrichtungen und Familien. So müssten Deutschlands beste Kitas in Duisburg-Marxloh oder Hamburg-Wilhelmsburg stehen: mit den kleinsten Gruppen, dem kompetentesten Personal, der besten Sprachförderung. Genau dies ist nicht der Fall, eher stimmt das Gegenteil.“

Martin Spiewak führt aus, dass auch die Dauer der institutionellen Betreuung eine entscheidende Rolle spielt. Erst ab zwei Jahren Betreuungsdauer „macht sich die Förderung überhaupt bemerkbar“ und „Jedes weitere Jahr in der Kita verstärkt den Lerneffekt.“ Neben einem frühen KiTa-Besuch sieht er auch „Familienhebammen“, „Elterncoaching“ und „Familienzentren“ als wichtige Bausteine, um die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland abzubauen.

Der ZEIT-Artikel "Ungerecht von Anfang an" basiert auf folgenden Forschungsergebnissen:

Der prägende Einfluss der frühen Jahre ist wissenschaftlich vielfach belegt. Unser Artikel basiert unter anderem auf der Studie von Skopek und Passaretta, die ihre Daten aus dem Nationalen Bildungspanels (NEPS) bezogen haben. 

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Bamberger Forscher im BiKS-Projekt: Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter) sowie jene aus der Projektstudie "Schulreifes Kind", hier entstand auch die Studie zu den mathematischen Vorläuferstudien. 

Ebenso relevant für das Thema sind Empfehlungen zur "Frühen Sozialisation" der deutschen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, sowie die Forschungen des US-Ökonomen James Heckmann. 

Die Mechanismen der unterschiedlichen häuslichen Lernumwelten haben US-amerikanische Wissenschaftlerinnen bereits in den 1990er und 2000er Jahren erforscht, so unter anderem Betty Hart und Todd R. Risley sowie Annette Lareau, die den Begriff Concerted Cultivation prägte. Im Netz gibt es dazu gutes Anschauungsmaterial. 

Das Thema erforscht in Deutschland die Bamberg Forscherin Simone Lehrl 

Dass auch die Kita die herkunftsbedingten Unterschiede nicht ausgleicht, belegen unter anderem Erkenntnisse aus dem EduLIFE Projekt sowie der Nubbek-Studie

Zu den herkunftsbedingten Lernverlusten während der Corona-Zeit gibt es ein paar internationale Studien, unter anderem in Bezug auf die Situation in den Niederlanden.

Karsten Herrmann