Die aktuellen Entwicklungen im System der Fachberatung standen auf der Agenda des diesjährigen digitalen Fachforums Fachberatung des Deutschen Vereins. Ziel war einerseits eine aktuelle Standortbestimmung und andererseits auch eine „Neujustierung“ der Rolle und Aufgaben von Fachberatung.

Zur Begrüßung beschrieb Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein die Corona-Pandemie als tiefen Einschnitt in das System KiTa, der auch gezeigt hätte, dass dieses „spitz auf Knopf“ genäht sei. Die KiTas und ihre Unterstützungssysteme hätten sich in dieser Phase als systemrelevant erwiesen und müssten dementsprechend gestärkt werden – auch und insbesondere die Fachberatung als „Schnittstelle zwischen Praxis und Politik“.

Gute KiTa-Gesetz als Chance?

Inwiefern spielt die Fachberatung nun im sogenannten „Gute KiTa-Gesetz“ eine Rolle bzw. wie kann es hier in der nächsten (noch nicht gesicherten) Förderperiode stärker berücksichtigt werden? Diese Frage stand im Fokus des Auftaktvortrags von Prof. Dr. Armin Schneider von der Hochschule Koblenz und dem IBEB. Er zeichnete zunächst die Vorgeschichte und das Ziel des Gute KiTa-Gesetzes nach, nämlich „bundesweit gleichwertige qualitative Standards“ herzustellen. Bei aller Kritik z.B. im Hinblick auf die Beitragsfreiheit plädierte er dafür „das Gesetz zu nutzen und als Anfang zu sehen“. Ein Anfang auch in dem Sinne nur, dass die zur Verfügung gestellten 5,5 Milliarden nur 4,7% der Gesamtsumme des Budgets für KiTas und letztlich nur knapp 500 Euro pro Kind ausmache. Hoffnung setzte Armin Schneider in das begleitende Monitoring des Gute KiTa-Gesetzes, „um Entwicklungen deutlich zu machen“, skeptisch zeigte er sich im Hinblick auf die Evaluation und eine entsprechenden Wirksamkeitsanalyse.

Der Fachberatung beschied er eine „Schlüsselfunktion im kompetenten System KiTa“ im Hinblick auf die Qualitätsentwicklung und -sicherung, zugleich seien aber „Zielgruppe, Aufgaben und Ressourcen weitgehend undefiniert“. Die Frage sei, ob und wie Fachberatung das Monitoring für sich und ihre Weiterentwicklung nutzen und ob sie in der nächsten Förderperiode, deren Finanzierung allerdings noch nicht gesichert sei, eine größere Rolle spielen könne. „Strukturelle Defizite“ machte Armin Schneider unter anderem in der Jugendhilfe und in der „nicht ganz sauberen Vermengung“ von Gesamtverantwortung einerseits und der Trägerschaft von KiTas andererseits aus.

Perspektiven der ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.  

In einem zweiten Fachvortrag analysierte die Fachberaterin und Weiterbildnerin Petra Beitzel den aktuellen Stand der Fachberatung und zeigte Perspektiven für ihre Professionalisierung auf. Ein bundesweites Forum für die Professionalisierung sei dabei die BAK-BEK mit ihrer AG Fachberatung. „Fachberatung ist auf dem Weg zur Profession, ist aber noch keine“ sagte sie und nahm einige für Professionen unabdingbare Elemente in den Blick:
  • Für Fachberatung fehle derzeit noch eine spezifische Ausbildung, aber es gebe einzelne Fort- und Weiterbildungen sowie Masterstudiengänge mit dem Fokus Beratung
  • Fachberatung habe noch keinen Berufsverband, aber über die BAG-BEK ein starkes bundesweites Netzwerk und in den Bundesländern einzelne LAG’s
  • Es gebe noch kein verabschiedetes Berufs-Ethos für Fachberatung, aber über das dialogisch entwickelte Grundlagenpapier der BAK-BEK zum „Selbstverständnis von Fachberatung“ gebe es eine ethische Fundierung
  • Erst in den Anfängen sei auch die Forschung zur Fachberatung und es gebe keine empirischen Untersuchungen zu ihrer Wirksamkeit, dafür aber einzelne Studien und Befragungen von WiFF oder auch in einzelnen Bundesländern wie Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Nordrhein-Westfalen. Aktuell in Planung seien größere quantitative Befragungen von BAK-BEK und nifbe sowie von der WiFF
  • Deutlich ausbaufähig sei auch die gesellschaftliche Anerkennung von Fachberatung und ihre rechtliche Verankerung auf Bund- und Landesebene sei nur vage

Qualitätsentwicklung der Fachberatung notwendig

Als größte Handlungsnotwendigkeit nahm Petra Beitzel in der Folge die eigene Qualitätsentwicklung der Fachberatung in den Fokus. Fachberatung müsse nach „transparenten, nachvollziehbaren und anerkannten Qualitätskriterien“ im Hinblick auf Inhalte, Strukturen und ethische Aspekte arbeiten. Dies führte sie nach den Qualitätsdimensionen Prozessqualität, Orientierungsqualität und Strukturqualität weiter aus. Im Hinblick auf die von der Fachberatung gestalteten Prozesse führte Petra Beitzel folgende an:
  • Arrangieren, initiieren, organisieren, konzeptionieren
  • Information
  • Beratung und Begleitung
  • Fort- und Weiterbildung
  • Wissens- und Kompetenzerweiterung
Diese Prozesse müssten jeweils nach dem bewährten Qualitätszirkel aus „Beobachten – Analysieren – Planen – Handeln – Überprüfen“ vollzogen werden, um daraus auch eine „eigene Positionierung“ sowie „das professionelle Handeln“ zu entwickeln. Grundsätzlich dürfe angemessene Beratung nicht als ein „Top-Down-Prozess“ missverstanden werden, sondern als gleichberechtigten Dialog, in dem Fachberater*innen „Erklärungs- und Handlungsangebote“ machen, die angenommen, abgelehnt oder modifiziert werden können (ausgeführt nach Preissing/Herrmann 2018). Im Hinblick auf die Strukturqualität müsste die Finanzierung, strukturelle Verortung, die räumliche, technische und materielle Ausstattung sowie die Definition von Aufgaben und Verantwortung verlässlich geklärt sein.

Zum Verhältnis von Fachberatung und Aufsicht

Die Verantwortung von Fachberatung und hier speziell das viel und kontrovers diskutierte Verhältnis von Fachberatung und Aufsicht stand auch im Fokus des dritten Vortrags. Anna-Katharina Kaiser und Hilke Lipowski berichteten aus den ersten entsprechenden Ergebnissen einer qualitativen WiFF-Studie zur Fachberatung. Dazu waren zwischen Mai und Juli 2020 26 leitfadengestützte Interviews mit Fragen zur Aufgaben, strukturellen Rahmenbedingungen und auch zum Thema der Koppelung zwischen Beratungs- und Aufsichtsfunktionen durchgeführt worden. Aufsichtsfunktionen teilen sich in die Fachaufsicht (z.B. Betriebserlaubnisverfahren, Aufsicht über den Betrieb) und die Dienstaufsicht auf, die sich auf die personalrechtliche Aufsicht der Beschäftigten bezieht.

Während in Schleswig-Holstein und Thüringen eine solche Koppelung von Beratungs- und Aufsichtsfunktionen ausgeschlossen ist, ist sie in den anderen Bundesländern insbesondere auch bei kommunalen Fachberater*innen gängige Praxis. Wie stehen nun die Fachberater*innen selber dazu? Wie die WiFF-Referentinnen ausführten, verwiesen Fachberater*innen ohne Kopplung auf ihr Beratungsverständnis, das auf einem vertrauensvollen Verhältnis sowie auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative basiere. Daher sei es schwierig, „gleichzeitig zu beraten und als Aufsicht tätig zu sein“. Fachberater*innen mit Kopplung sahen eine stärkere Einflussnahme und die „Möglichkeit, Dinge auch mal durchzuziehen“ als Vorteil. Über das entsprechende Trägermandat sei eine formale Steuerung möglich, zum Beispiel auch im Hinblick auf Personalauswahl und -einsatz.

Transparenz und Rollenklarheit entscheidend

Als „Kernthema“, so Anna-Katharina Kaiser und Hilke Lipowski, kristallisierten sich in den Befragungsergebnissen die „Chancen und Grenzen der Einflussnahme“ heraus. Entscheidend sei die „Transparenz und Rollenklarheit“ für alle Beteiligten und sorgsam müsse die Fachberater*in mit Koppelung reflektieren und abgrenzen „Wann ich welchen Hut aufhabe“. Kritisch wiesen die WiFF-Referentinnen auch darauf hin, dass auch bei einer Fachberatung ohne formale Aufsichtsfunktion eine implizite Fachaufsicht und Kontrollfunktion mitschwingen könne und dass die Grenzen so fließend seien. Hier sei es auch Aufgabe des Trägers klare Strukturen und Transparenz zu schaffen.

Links zu den ersten WiFF-Studienergebnissen:

Fachberatung im Krisenmanagement: Blitzlichter aus der WiFF-Fachberatungsstudie zur Corona-Situation

Steuerung der Qualität oder Qualität der Steuerung? Die gesetzliche Rahmung der Kita-Fachberatung in den Bundesländern.



Karsten Herrmann