Kein Fortschritt für Verankerung der Fachberatung

Einer der vielen Kritikpunkte an der Entwurfsfassung des neuen niedersächsischen KiTaG’s (s. dazu auch hier) ist die nach wie vor fehlende Konkretisierung der Fachberatung, die in der Qualitätsentwicklung der KiTas eine zentrale Stellschraube bildet. Daher hatte die AG Pädagogische Fachberatung jetzt zu einem Fachforum eingeladen, um die Kritikpunkte gemeinsam zu konkretisieren und entsprechende Wege zu einer Verbesserung des Entwurfs zu diskutieren.

„Wie können wir aktiv werden, uns zusammenschließen und noch etwas bewegen?“ fasste AG-Sprecherin Karin Schätzlein zu Beginn der Veranstaltung die entscheidenden Fragen zusammen. Sie freute sich über die rege Beteiligung mit fast 90 Fachberater*innen aus ganz Niedersachsen.

"Gute Bildung ist nicht umsonst zu haben"

Zum Auftakt beleuchtete Prof. Dr. Tim Rohrmann, Kindheitspädagoge an der HAWK Hildesheim und Studiengangssprecher, noch einmal kurz den Gesamtentwurf des neuen KiTaG und kritisierte dessen geplante „Kostenneutralität“ mit den Worten: „Gute Bildung ist nicht umsonst zu haben“. Er skizzierte die Risiken unzureichender Qualität in den KiTas, die von psychosozialen Problemen, Defiziten bei der Sprachentwicklung bis zur Verletzung der Kinderrechte reichten. Im Blick auf den jetzt schon akuten Fachkräftemangel sah er einen Teufelskreis: „Immer mehr Fachkräfte verlassen das Berufsfeld aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen“. Die zentralen Forderungen von Tim Rohrmann für ein neues KiTaG lauteten daher:
  • Kleinere Gruppen und verlässliche Perspektiven für einen besseren Personalschlüssel
  • Sicherung und Ausweitung der Verfügungszeiten
  • Freistellung von Leitung
  • Rechtsanspruch auf einen integrativen KiTa-Platz
  • Ausbau der Unterstützungsstrukturen für KiTa wie Fachberatung
  • Festschreibung von Fortbildung als Qualitätsstandards
  • Berufsbegleitende Qualifizierung für Quereinsteiger*innen
  • Ausbau der Akademisierung und Entwicklung von Karriereoptionen
„Für diese Forderungen müssen wir laut werden“ unterstrich Tim Rohrmann, „denn sonst fahren wir die nächste Generation an die Wand“.

Fachberatung als zentrale Stellschraube

Für die Fachberatung konkretisierte Stephanie Emmel von der AG die Kritik an der vorliegenden Entwurfsfassung des KiTaG. Sie unterstrich, dass die Fachberatung ein zentrales Element für die Qualitätsentwicklung und -sicherung in den KiTas ist sowie eine „Brückenfunktion zwischen Fachpraxis, Wissenschaft und Politik“ einnimmt. KiTas seien „Lernende Organisationen“ und müssten auf ihrem Weg konsequent durch Fachberatung begleitet werden. Fachberatung benötige dafür einerseits ein eigenes „berufliches Ethos“ sowie „bundesweit einheitliche Grundbedingungen wie Rechtsanspruch und Qualifizierung“. Für den §13 im neuen KiTaG stellte sie entsprechende konkrete Formulierungsvorschläge der AG vor (s. Download unten) – u.a. auch einen Fachberatungs-Einrichtungs-Schlüssel, eine akademische Qualifikation und zweijährige Leitungspraxis für zukünftige Fachberater*innen sowie ihre fortlaufende Weiterbildung.

Niedersachsen hinkt hinterher

In einem weiteren Impulsvortrag beleuchtete Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein die Diskussion um die Fachberatung auf Bundesebene. Nach Ansicht des Deutschen Vereins kommt der Fachberatung „durch ihre spezifische Rolle, ihre Aufgabenzuschnitte und ihren Einblick in die Praxis der Kindertagesbetreuung sowie in die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Systems der Kindertagesbetreuung zu.“ Dafür brauche sie eine „klare Bestimmung der Aufgaben und Funktion“ sowie entsprechende Rahmenbedingungen und Ressourcen. Diese Einschätzung werde auch unterstützt durch den Zwischenbericht der Bund-Länder-Kommission aus dem Jahr 2016 zum jetzigen Gute KiTa-Gesetz, in dem das Recht jeder Einrichtung auf Fachberatung und ein angemessener Fachberatungsschlüssel unterstrichen wird. Zudem, so Maria-Theresia Münch, werde in einer aktuellen Stellungnahme des Bundesrates zur Reform des SGB VIII gefordert, dass Fach- und Praxisberatung „ihrer zentralen Rolle und wachsenden Bedeutung gemäß […] nun auch im Bundesrecht ausdrücklich Erwähnung finden“ solle.

Wie die Referentin des Deutschen Vereins weiter ausführte hätten andere Bundesländer wie NRW, Sachsen, Thüringen oder Rheinland-Pfalz dieser unstrittigen Bedeutung der Fachberatung und der Entwicklung auf Bundesebene in ihren KiTaG’s bereits Rechnung getragen. Mit der neuen Entwurfsfassung des KiTaG hänge Niedersachsen nun aber „bundesweit hinten dran und stellt sich ein Armutszeugnis aus“ resümierte sie deutlich.

Exklusion statt Inklusion?

Über den Fokus auf Fachberatung hinaus wurden in dem Forum der AG auch noch die Perspektive der Eltern durch die Landeselternbeirats-Vorsitzende Christina Heymann-Splinter, der Aspekt der Sprachbildung und der Sprach-Fachberatung durch Dr. Ann-Katrin Bockmann von der HAWK Hildesheim und das Thema der Inklusion durch Klaus Kokemoor beleuchtet. Der Inklusionsfachberater aus Hannover sprach durch den im KiTaG-Entwurf nicht enthaltenen Rechtsanspruch auf einen integrativen Kindergarten-Platz von einer „Diskriminierung von Kindern mit Behinderung“ und markierte in Niedersachsen nach wie vor einen Trend zur Exklusion: So seien 42% der Kinder mit Behinderungen in einer Sondereinrichtung im Gegensatz zu 6% auf Bundesebene. Zudem fielen für einen Platz in einer Sonderreinrichtung 2-3 mal so hohe Kosten an wie für einen integrativen KiTa-Platz. Mit dem nicht formulierten Rechtsanspruch verstoße Niedersachsen, so Kokemoor, gegen die von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention und gegen entsprechendes Bundesrecht.

Im Anschluss an die Impulsvorträge diskutierten die Teilnehmer*innen gemeinsam, wie jetzt noch Änderungen am KiTaG-Entwurf durchzusetzen sind. Beschlossen wurde eine „Mahnwache“ vor dem Landtag, wenn das KiTaG dort im Plenum diskutiert wird sowie dezentrale Informationsveranstaltungen mit Politiker*innen, Eltern und KiTa-Fachkräften. Beabsichtig ist dabei mit dem Aktionsbündnis für ein besseres KiTa-Gesetz zusammen zu agieren.

Präsentation Tim Rohrmann

Präsentation Stephanie Emmel / AG Fachberatung

Präsentation Maria-Theresia Münch

Präsentation Ann-Katrin Bockmann


Karsten Herrmann


Tipp:

Den KiTaG-Entwurf können Sie auch hier in unserem Forum diskutieren